Zweibrücken „Ich bin ein Gefäß“

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Reinhold Friedrich, Jahrgang 1958, ist Klassikfans ein Begriff: Der Trompeter gehört zu den internationalen Stars auf seinem Instrument. Er lehrt Trompete an der Hochschule für Musik Karlsruhe und unterrichtet an der Royal Academy of Music in London, der Royal Academy of Music in Aarhus/Dänemark und der Elisabethen-Hochschule im japanischen Hiroshima. Am Sonntag trat er in der Zweibrücker Alexanderskirche beim Benefizkonzert für die JVA auf.

Herr Friedrich, wann und wie ist Ihr Interesse an Musik entstanden?

Das ist schwer zu sagen! Ich hab’ schon im Mutterbauch Musik gehört. Ich bin aufgewachsen mit Bach, Bach, Bach. Mein Vater war Musikliebhaber, Sänger und Chorleiter. Und mit sieben Jahren bin ich bei einem Freund über eine Schallplatte gestolpert – das 2. Brandenburgische Konzert. Danach bin ich zu meinen Eltern gegangen und habe gesagt: „Ich bin Trompeter. Ich brauch’ ’ne Trompete.“ Mit acht Jahren war ich Trompeter und hab“ seither nicht mehr aufgehört zu spielen. Die Trompete hat mich gefunden, nicht ich die Trompete. Sie spielen barocke und klassische Werke, aber auch moderne Musik. Wo sehen Sie Ihren künstlerischen Schwerpunkt? Moderne Musik ist unglaublich spannend. Wenn etwas Neues geschrieben wird, ein neues Stück, dann versucht man, es zum Klingen zu bringen, eine Nähe zu finden, dass das Stück auf einen einwirkt, dass es einen Teil meines seelisch-emotionalen Haushalts widerspiegeln kann. Ich fange an, das Stück zu mögen und Seiten von mir darin wieder zu finden, die ich an mir selber noch gar nicht kenne. Was fühlen Sie, wenn Sie spielen? Ich bin ein Gefäß, das schwingt; ich bin ein Klang, der sich gehen lässt. Ich denke nicht gezielt darüber nach, dann würde es oberflächlich. Und wenn die Musik aus mir rauskommt, dann ist es das, was es ist. Ich möchte nochmals auf die Frage nach Ihren künstlerischen Schwerpunkten zurückkommen. Klassik, da gibt es die Stücke von Haydn und Hummel, natürlich Mozart und Beethoven. Im Barock steht Bach im musikalischen Zentrum, aber ich liebe ebenso Werke von Gustav Mahler. Und von Bernd Alois Zimmermann: „Nobody Knows the Trouble I See“. In dem Stück steckt alles drin, was ich mit Musik ausdrücken will, politische Musik. Das hat wirklichen Gehalt, wie bei Mahler auch. Sämtliche vorstellbaren emotionalen Züge werden da beschrieben, die Erfahrungen aus der Zeit von Martin Luther King: Der Rassenwahn, das haben wir jetzt mit Pegida – sich über den anderen Menschen erheben. Und bei so einem Thema bin ich gern mit dabei. Wie stark stecken Sie als Interpret bei moderner Musik mit im Schaffensprozess drin? Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Manchmal kommt ein Komponist mit irgendeinem Stück und knallt mir das dann vor den Latz. Andererseits schreibt die junge saarländische Komponistin Katrin Denner jetzt gerade ein Stück für zwei Trompeten, für mich und Simon Höfele, den Preisträger des deutschen Musikwettbewerbs 2016. Sie kommt aus der Kompositionsklasse von Wolfgang Rihm und ist selbst auch Trompeterin. Sie weiß, was ich kann. Vielleicht bringt sie was, was ich nicht kann – und dann muss ich halt üben. Ich bin wahnsinnig gespannt, was dabei rauskommt. Ob die Musik mit mir spricht, wie ein Echo, ein Widerhall. Sie sind auch Professor, das heißt Sie arbeiten als Lehrer. Welche Bedeutung hat diese Tätigkeit für Sie? Es gibt keinen großartigeren oder schwierigeren Beruf als Lehrer zu sein! Das ist das edelste und das teuerste, was es gibt. Wenn ich vor Publikum spiele, kann ich meinen Erfolg konstruieren. Wenn ich im Eins-zu-Eins-Unterricht einen Studenten betreue, komme ich nach Jahren an den Kern. Wir müssen Schwierigkeiten im Prozess bewältigen. Ich komme dabei so nah an den Studenten ran, an seine Persönlichkeit, wie er auch an mich. Lehren ist keine Einbahnstraße, es ist das Anzünden eines Feuers, mit dem ich den jungen Menschen begeistern muss. Und das ist die schwierigste Aufgabe der Welt. Schon Celibidache hat mir das gesagt: „Unterrichten, das ist die größte aller Tätigkeiten, die man haben kann.“

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