Zweibrücken „Frauen, geht an die Wahlurne!“

Im September 1912 starteten die Frauen zur ersten deutschen Demonstrationsfahrt für das Frauenstimmrecht. Es dauerte fast sechse
Im September 1912 starteten die Frauen zur ersten deutschen Demonstrationsfahrt für das Frauenstimmrecht. Es dauerte fast sechseinhalb Jahre, bis Frauen wählen durften.

Gleich zweimal hintereinander durften Zweibrückens Frauen von ihrem neu erworbenen Recht, dem Wahlrecht, Gebrauch machen: bei der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 und bei der Wahl zum Landtag am 2. Februar 1919. Die Wahl zum Landtag 1919 war die bislang einzige Wahl, bei der der Anteil der weiblichen Wähler erfasst wurde. In den Tagen vor den Wahlen wurden die Frauen aufgefordert, wählen zu gehen. „Frauen, geht an die Wahlurne! Morgen ist Euch zum ersten Mal das Wählen erlaubt. Bisher habt ihr zu den Unmündigen gezählt, die nicht wählen durften. Zeigt, daß Ihr im Vollbesitz Eurer Urteilsfähigkeit seid. Wählt alle, keine darf fehlen. Wahlrecht ist Wahlpflicht! Steht alle auf gegen den Bolschewismus! Jede Stimme von Euch, die nicht abgegeben wird, stärkt den Bolschewismus, schädigt Euch selbst, Eure Familie und Euer Vaterland. Wählt, damit Herd und Heim Euch erhalten bleiben, als Grundlage Eures häuslichen Glückes. Frauenverein. Verein für Fraueninteressen“, ist im Pfälzischen Merkur und in der Zweibrücker Zeitung vom 18. Januar 1919 zu lesen. Am selben Tag meldet sich auch die Deutsche Volkspartei zu Wort: „Die Gleichberechtigung der Frau im politischen Leben ist ein berechtigtes Gebot der Stunde. Alle Männer und Frauen, welche bereit sind, auf dem Boden der bevorstehenden Richtlinien an der Neuordnung des Staatslebens im Reiche und in Bayern mitzuarbeiten, mögen sich an die Deutsche Volkspartei der Pfalz anschließen (…) Nur eine bürgerliche Mehrheit der Nationalversammlung kann das Reich, die Einzelstaaten, die Gemeinde und die Familie vor Not und Verderben schützen (…).“ Tags zuvor hatte es Wählerversammlungen im Fruchthallsaal gegeben, über die ebenfalls im Pfälzischen Merkur berichtet wurde: Die Sozialdemokratische Partei sprach von den „Fortschritten des durch die Sozialdemokratie geschaffenen neuen Wahlrechts, besonders mit Bezug auf das Frauenwahlrecht, das, ebenso wie die Herabsetzung des Wahlalters, von den bürgerlichen Parteien fortgesetzt bekämpft worden sei. (…) Jene Parteien, die bisher die Frau von allen Rechten ausschlossen, würden jetzt kniefällig um deren Stimme betteln (…).“ Und während die Frauen mehrfach dazu aufgerufen werden, zur Urne zu schreiten, annonciert der Verein für Fraueninteressen in den Tageszeitungen hauswirtschaftliche Kurse, bei denen es um die „Führung der einfachen Küche“ sowie das Verschaffen von Grundkenntnissen im „Nähen, Flicken, Waschen und Bügeln“ geht, wie im Pfälzischen Merkur vom 18. Januar 1919 steht. Die Vorsitzende dieses Frauenvereins, Clara Lang, Gutsbesitzerin auf dem zu Dietrichingen gehörenden Hofgut Monbijou, wirbt gleichzeitig für ihre bürgerliche Deutsch-Demokratische Partei, für die sie sich als Kandidatin für den Bayerischen Landtag hat aufstellen lassen: „Laßt Euch nicht irre machen! Frau Clara Lang und Herr Hauptlehrer Bühler haben durch ihre bisherige volkswirtschaftliche Tätigkeit bewiesen, daß sie würdig und zuverlässig sind, Euere Interessen bei dem Wiederaufbau des Vaterlandes in Euerem Sinne zu vertreten.“ Das Frauenwahlrecht erreicht die Frauen kurz nach dem verlorenen Krieg plötzlich und findet sie vornehmlich im Hause vor. Am 30. November 1918 schrieb das Reichswahlgesetz das aktive und passive Wahlrecht für Frauen fest. Schon am 19. Januar 1919 wählten die Pfälzerinnen die Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung mit. Gleich am 2. Februar 1919 machten sie von ihrem Grundrecht erneut Gebrauch und entschieden über die Zusammensetzung des Bayerischen Landtags. Doch nicht nur das Frauenwahlrecht wurde eingeführt, auch das Wahlalter wurde von 25 auf 20 Jahre gesenkt. Damit stieg die Zahl der Wahlberechtigten von 14,4 Millionen im Jahr 1912 auf 36,3 Millionen im Jahr 1919. Zweibrücken gehörte zum Stimmkreis Pirmasens, der in Amtsgericht Zweibrücken und Amtsgericht Pirmasens aufgeteilt war. Zum Amtsgericht Zweibrücken gehörten außer den zehn Wahlbezirken der Stadt Zweibrücken weitere rund 40 Orte, die heute Zweibrücken-Land und dem Saarland zuzuordnen sind, sowie Bubenhausen, Ernstweiler, Ixheim, Mittelbach-Hengstbach, Niederauerbach, Oberauerbach, Rimschweiler und Wattweiler, die damals noch nicht Teil der Stadt Zweibrücken waren. Heute Podiumsdiskussion „Von 100 Jahren Frauenwahlrecht zur modernen weiblichen Arbeitswelt“ ist der Titel einer Podiumsdiskussion heute, Freitag, um 19 Uhr im DRK-Mehrgenerationenhaus in der Maxstraße 9, zu der Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen einladen. Es diskutieren Sabine Schunk (Gewerkschaft Verdi), Charlotte Glück (Stadtmuseum), Felicitas Lehr (Leiterin Entsorgungsbetrieb Pirmasens) und Stella Pazzi (Geschäftsführerin Moltomedia).

Anzeige in der Zweibrücker Zeitung vom 18. Januar 1919.
Anzeige in der Zweibrücker Zeitung vom 18. Januar 1919.
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