Zweibrücken Einige Kastanien bleiben ungeröstet

Samstagabend gegen 18 Uhr: Nur wenige trotzen Wind und Regen und besuchen den Weihnachtsmarkt rund um die Alexanderkirche.
Samstagabend gegen 18 Uhr: Nur wenige trotzen Wind und Regen und besuchen den Weihnachtsmarkt rund um die Alexanderkirche.

Laut EU-Weinrecht darf Glühwein nicht mit Wasser verlängert werden. Wenn dir der Becher aber permanent mit Regentropfen nachgefüllt wird, kann der Standbetreiber nichts dafür. Der Begriff „Wetter“ verbietet sich an diesem ersten Weihnachtsmarkt-Wochenende eigentlich. Das hier ist irgend etwas anderes. Etwas dunkles, etwas höchst destruktives, wenn’s um vorweihnachtliche Stimmung geht.

Keinen Hund würde man vor die Tür jagen, es sei denn, einen portugiesischen Wasserhund. Der Spruch, wonach es keine schlechte Witterung, sondern nur unpassende Kleidung gibt, ist so abgelutscht wie ein Groglöffel. Am Freitag, als Walter Rimbrecht auf der Bühne „Süßer die Glocken nie klingen“ trompetet, ist es schon sehr ungemütlich. Das Volk hält Schirme und Becher fest, drückt sich in windgeschützte Nischen und Ecken. Dem Anbieter von Kunsthandwerk aus Olivenholz, der seinen Stand am Eingang zur Alexanderstraße aufgebaut hat, haut es am späteren Abend das Zelt zusammen. Mit Unterstützung anderer Beschicker räumt er sicherheitshalber das Feld. Wie man hört, ist der Mann aus Düsseldorf frisch an der Bandscheibe operiert, bei der Abräumaktion tut er sich erneut weh und muss die Nacht im Krankenhaus verbringen. Auch am Samstag wehen zeitweise D-Züge aus Luft durch die Gegend. Wohl nur 20 Prozent der Publikumsmenge des Vorjahres sind gegen 17 Uhr rund um die Alexanderkirche anzutreffen. Vor der Bühne wird aus unterschiedlichen Gründen mit dem Kopf geschüttelt. Die Helmholtz-Schulband „Bollerwahn“ bringt einige zum Headbangen, der Mehrheit sind die Töne einfach nur zu laut. Kein Zweifel: Mit „Stille Nacht“ haben diese drei Jungs nichts am Hut. „Wir wollen ja vom Programm her alles abdecken“, begründet Markt-Organisator Heiko Saberatzky den Auftritt der Rocker. Besagtes Programm sei im Internet und in Flyern einsehbar. Wer ausschließlich weihnachtliche Weisen mag, könne passgenau zu den entsprechenden Zeiten kommen. Über die Wetterlage ist Saberatzky entsetzt: Um die Umsatzeinbußen abzufedern, werde man den kommenden Donnerstag zum zweiten Markt-Wochenende dazu nehmen. „Wir haben das heute mit den Standbetreibern besprochen, alle sind einverstanden“, erklärt Saberatzky. Am 13. Dezember werden also ab 17 Uhr die Glühweinkessel und Waffeleisen zusätzlich ihren Betrieb aufnehmen. Über diese Entscheidung freut sich auch Silke Buntkowski. Dicht an den hohen Mauern der Alexanderkirche holt sie für andere Leute die heißen Kastanien aus dem Feuer. „Wir hoffen auf den Zusatztag“, sagt sie. Besseres Wetter vorausgesetzt, könne der Donnerstag vielleicht was rausreißen. Etwa 60 Kilogramm Esskastanien hat Buntkowski in ihrer Hütte stehen, ein guter Teil werde an diesem schaurigen Wochenende ungeröstet bleiben. In der Vertiefung hinter der Alexanderkirche glänzen kleine Skulpturen aus Speckstein, angefertigt hat sie Christel Stadtmüller. Die Künstlerin kommt aus Berlin, im Stand ihres Noch-Ehemannes bietet sie auch zweidimensionale Kunst und bunte Mobiles an. „Man kann nur aufs zweite Markt-Wochenende hoffen“, erklärt sie die aktuellen Umstände zur Katastrophe. Immer wieder weht der Wind in Stadtmüllers Hütte und bringt die Mobiles durcheinander. Mario Vojvoda, der auf dem Alexanderplatz einen großen Imbissstand betreibt, meint zur Umsatzeinbuße: „Am Freitag ging’s ja noch.“ Von den Samstagsbrötchen würden aber wohl viele als Tierheimspende enden. Am Sonntagvormittag sieht man in der Fußgängerzone, was der Nachtsturm angerichtet hat. Überall liegen zerdepperte Christbaumkugeln von den dort aufgestellten Weihnachtsbäumchen. Auf dem Weihnachtsmarkt ist kaum etwas los, die Glühwein-Nachfragewerte dürften standübergreifend auch an diesem vierten Markttag im Keller bleiben. Der Bandscheiben-Patient aus Düsseldorf hat aber Grund zur Freude. Er bekommt beim Wiederaufbau seines Stands jede Menge Hilfe. Diesmal wird sein Pavillon an anderer Stelle errichtet. Dank Beschicker-Solidarität und Leuten, die übers soziale Netzwerk zusammengetrommelt wurden, kann er seine Olivenholz-Gegenstände wieder anbieten, ohne sich noch mal das Kreuz zu verrenken.

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