Zweibrücken Das eingeschmuggelte Gedicht

„Zwei Monate hier, ein Monat in Berlin“, so beschreibt Malerin Sonnhild Ohler den Rhythmus. Ihr Mann, Wolfgang Ohler, der Dichter und Richter (im Ruhestand), hat sie mitgebracht zur Sommerredaktion. Erzählen will sie nichts, dafür der Dichter umso mehr: „Aula“ heißt das neue Projekt, mit dem er zusammen mit Michael Dillinger und Silvia Bervingas neuen Schwung in die Zweibrücker Kulturszene bringen will. Mit dem Theaterstück „Freispruch!“ im September geht es los.

„Am 12. September geht es wieder nach Berlin.“ Dort wohnen die Ohlers in der früheren Studentenwohnung ihrer Tochter Birge, die sie gemietet haben. „Aber es wird kompliziert, weil wir zwischendrin eine kleine Pause machen und für drei Tage wieder hierher kommen wegen der Theateraufführung 200 Jahre Oberlandesgericht, am 18./19. September. Da muss ich da sein, weil ich mit Michael Dillinger nicht nur der Autor des Stücks bin, sondern auch mitspiele“, sagt Ohler. Zusammen mit Ekkes Fischer, dem Songwriter, sitzen dann Ohler und Dillinger am einem Nebentisch und spielen „zechende Bürger, die Wein trinken“, verrät er. Jeder hat nur einen Satz zu sagen. Ohlers Satz: „Wir sind drüben aus dem Kanton. Und wir beide, wir können gar nicht schreiben!“, verrät Ohler einen Gag. Das Stück handelt vom Assisenprozess 1833 wegen Hochverrats, der den Freiheitskämpfern Siebenpfeiffer, Wirth & Co. gemacht wurde. Silvia Bervingas hat Regie geführt und bringt drei Schauspielprofis aus Saarbrücken mit. „Freispruch!“ heißt das Stück, im Auftrag des Justizministeriums entstanden. Weil die Truppe 2016 ein weiteres Stück aufführt – über das KZ Stuthof – „mussten wir uns einen Namen zulegen“, so Ohler: Aula. „Das ist ein strategischer Name, denn wir haben bei der Stadt angemeldet, dass wir gerne die Aula in der früheren Hauptschule Nord als Stützpunkt hätten, denn das ist ein prima Saal“, schwärmt Ohler. „Das ist die Aula meiner früheren Penne.“ Auf der Bühne hat er die Abirede gehalten und den Scheffelpreis bekommen. Die Bühne ist 18 Meter breit und etwa sechs Meter tief, weiß Ohler. Die Aula-Idee ist, dass zwei Autoren und eine Regisseurin da sind und man sich dann weitere Leute dazuholt, je nach Projekt. „Der Schwerpunkt soll sein: szenische Lesung, kleine Bühnenaufführungen.“ Er denkt an drei bis vier Projekte im Jahr, auch mit Musik, Matthias Wolf (der Jazzer) will mitmachen. „Freispruch!“ ist viermal geplant: in Zweibrücken, auf dem Hambacher Schloss im November und im Februar in Landau und in Kaiserslautern, verrät Ohler. „Das Justizministerium wollte gerne was Dramatisches auf der Bühne, ein Prozessstück über den Assisenprozess. Aber so ein Stück ist ziemlich zäh. Und der Witz ist, dass der Asissenprozess gar nicht in Zweibrücken war, sondern in Landau, weil sie den Zweibrückern nicht getraut haben. Die hatten Angst vor einer Revolte“, weiß Ohler. So hat er den Prozess projiziert ins Gasthaus Ladenberger in Bubenhausen. Dort wurde der Vaterlands- und Pressverein gegründet. „Nun sitzen wir in der Gaststube bei der Wirtin, das ist die Silvia Bervingas, und trinken unser Schöppchen, und daneben sitzt der Gabelsberger, der Drucker, und wartet auf das Ergebnis des Prozesses. Dabei reden sie drüber, feiern, die Wirtin macht ihre Sprüche.“ Es wird auch gesungen. Wie der Prozess ausgeht, erfuhr man damals mittels Fahnen. Durch weiße Fahnen (Freispruch, rot war Verurteilung) erfuhr man durch die ganze Pfalz, wie der Prozess ausging. Innerhalb einer halben Stunde wusste man damals in Zweibrücken Bescheid, hat Ohler recherchiert. „In der Dissertation von Theophil Galli, dem Landarzt des Saarpfalz-Kreises, steht das alles“, sagt Ohler und erzählt noch von seiner eigenen Doktorarbeit. Denn er hatte mit einem Freund um einen ganzen Kasten Bier gewettet, dass er es schafft, in seine Doktorarbeit („Das Gefängnis als soziales System – Die Strafvollzugsanstalt als soziales System – eine Organisationstheorie zum Strafvollzug“) ein selbstverfasstes Gedicht einzuschmuggeln, ohne dass es auffällt. Der Coup gelang: Ohler versteckte das Gedicht in den Anmerkungen zur Behauptung, dass die Zeit ihren Wert im Strafvollzug verliert. Und er zitierte sich mit dem Decknamen Wolf Böse als Gedichturheber. Die Passage wurde nicht beanstandet.

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