Zweibrücken An der Schwelle zur Atonalität

Kammermusik aus der Romantik und dem Fin de Siècle an der Schwelle zur Atonalität präsentierte das Vogler-Quartett mit seinen Gästen, Gitarrist Christopher Brandt, Geiger Jonian Ilias Kadesha, Cellistin Vashti Mimosa Hunter, Pianist Jonathan Ware und Opernstar Christiane Oelze am Samstagabend im Saalbau.

Höchste Klangtransparenz und subtile Ausdrucksnuancen zeichneten die Interpretation des Streichersextetts „Verklärte Nacht“ op.4 von Arnold Schönberg (1874-1951) in der Klaviertrio-Bearbeitung von Eduard Steuermann aus, einem Frühwerk des Komponisten, der neben Alban Berg zu den Begründern der modernen Atonalität zählt. Die „Verklärte Nacht“ steht allerdings noch in der Tradition der spätromantischen Programmmusik, die Außermusikalisches – hier das gleichnamige Gedicht von Richard Dehmel – in Tönen beschreiben und damit die Grenzen zwischen den Künsten überwinden will. Aber Schönberg ging hier bereits seine eigenen Wege und arbeitete nicht wie üblich mit einem Sinfonieorchester, sondern in kammermusikalischer Besetzung, die ihm in ihrer Feinheit und Luzidität die Umsetzung subtiler harmonischer Grenzgänge erlaubte. Leise Klavierakkorde von Jonathan Ware standen zu Beginn des Werkes wie eine Welt für sich, einsam in kristalliner Klarheit. Cello und Violine fielen nacheinander ein, eine nostalgisch-versonnene Melodie entwickelte sich im bewusst ruhigen, fast zelebrierenden Spiel von Cellistin Vashti Mimosa Hunter und Geiger Jonian Ilias Kadesha. Die Melodie zerfiel zunehmend in Fragmente, die aber einen immer drängenderen Charakter annahmen, dann wieder in sich zusammenfielen und verebbten. Dunkel grollende Klavierakkorde setzten einen neuen Impuls, den Cellistin Mimosa Hunter in höchst erregten, einschneidenden Klängen aufgriff, im Wechselspiel mit Klavier und Violine entstand eine unheilvolle Stimmung, eine bleierne „Ruhe vor dem Sturm“ in einer nuancenreichen Interpretation, die feinste musikalische Nuancen in einem höchst differenzierten Spiel auslotete. Immer wieder bauten übermäßige Akkorde eine kaum zu ertragende Spannung auf, die in nervös flirrende Läufe und Tremoli zerbrach. Höchste Intensität des Ausdrucks verband sich hier mit Farbenreichtum und Transparenz, facettenreiche dramatische Entwicklungsprozesse steigerten sich immer mehr, Klänge verdichteten und überlagerten sich, verströmten sich, verloren aber nie ihre Kontur. Ungekünstelt und intensiv, in klaren Tönen voll neckischer Anmut, aber auch tiefer Empfindung sang Sopranistin Christiane Oelze zur Klavierbegleitung von Jonathan Ware die Lieder „Die Forelle“, „Die junge Nonne“ und „An die Musik“ von Franz Schubert (1797-1828). Christiane Oelze zeigte sich hier als flexible singende Erzählerin, die feinste Nuancen ihres Textes in ihrem klaren, hellen lyrischen Sopran reflektierte und dabei den großen melodischen Bogen mit dem innig-einfachen Volkston verband. Frühromantische Gespensterstimmung grollte in den dunklen Klavierakkorden von Jonathan Ware in der „Jungen Nonne“. Immer wieder griff Oelze in ihrer Balladenerzählung diese spannungsgeladenen Impulse auf, ihre lyrische Stimme, in der sich eine breite Gefühlspalette widerspiegelte, gewann dramatische Kraft und erinnerte an jugendliche Heroinen Richard Wagners. Als abgeklärte Erzählerin, in erinnernder Selbstreflektion gestaltete die Sängerin dagegen „An die Musik“. Zusammen mit dem Vogler-Quartett interpretierte Oelze Gabriel Faurés (1845-1924) Liederzyklus „La bonne chanson“ nach Gedichten von Paul Verlaine. Auch wenn ihre Stimme hier in satten Klängen schwelgte, verzichtete sie auf die große Operngeste zugunsten der Klarheit der Form und des Ausdrucks, in einem wundervoll harmonierenden Wechselspiel mit dem differenziert und flexibel agierenden Quartett.

x