Zweibrücken Wunderschöne Kastration

Am Ende erst, wenn Sandra (Cécile de France) Boulogne wieder verlassen will, sieht man typische Szenen aus Boulogne. Foto: Conco
Am Ende erst, wenn Sandra (Cécile de France) Boulogne wieder verlassen will, sieht man typische Szenen aus Boulogne.

Vom Ende des Winters bis zum Frühlingsanfang 2018 wurde in Zweibrückens Partnerstadt Boulogne-sur-Mer gedreht. Zum ersten Mal spielt ein kompletter Kinofilm da. Eine Krimikomödie. Ein Arbeiterfilm. Ein Mafiafilm. Ein Frauenfilm. Er zeigt Viertel der Stadt, wo man normalerweise nicht hinkommt. Bis Mittwoch ist er in Saarbrücken im Kino zu sehen.

Haben Sie sich schon mal einen Film angesehen, nur weil er in der Stadt spielt, in der Sie wohnen? Oder gern wären? Oder gerne waren? „Rebelles“ ist so ein Film. Von dem schwachsinnigen Untertitel „Leg’ dich nicht mit ihnen an“ sollte man sich nicht abschrecken lassen. Die Geschichte ist gut und witzig – und sie spielt in Boulogne-sur-Mer. Wo jeder halbwegs frankophile Zweibrücker wohl mindestens einmal schon war. Schließlich besteht die Städtepartnerschaft schon seit 60 Jahren.

In Erinnerung hat man die schöne Uferpromade, den Hafen, den Strand, die Basilika Notre Dame mit der schönen hohen Kuppel, das Meeresaquarium Nausicaa direkt am Strand. Franck Ribéry, der begnadete Fußballer von Bayern München, wurde dort geboren. Doch das wusste Regisseur Allan Mauduit (50) gar nicht. Er stammt aus der Normandie und suchte eine Stadt mit Fischfabrik. „Boulogne-sur-Mer ist der größte Fischereihafen Frankreichs. Ich wollte, dass Sandra sich die Hände mit Fisch schmutzig macht“, erklärt er. „Der Norden Frankreichs wird häufig als Armenhaus gezeigt. Auf mich wirkt diese Stadt jedoch überhaupt nicht deprimierend. Ich finde sie als Kulisse großartig. Sie öffnet sich zum Meer hin, und sie eignet sich hervorragend für einen Krimi.“

Beginn im Trailerpark

Doch das Erste, was man von Boulogne sieht, ist ein Trailerpark mit dem lakonischen Hinweisschild: „Camping Eden, Boulogne-sur-Mer“. Der Campingplatz am Stadtrand ist erfunden, und ein Paradies ist er weiß Gott nicht. Dahin kommt Sandra zurück, eine Frau Ende 30. Ihr Mutter lebt dort in einem Wohnwagen als Hausmeisterin. Sandra stammt von dort, war 2005 Miss Pas-de-Calais und wollte schnell weg. Sie ging an die Cote d’Azur und kommt zurück: schwanger, ohne Job, ohne Mann. Ihr falscher Leopardenfellmantel lässt sie billig aussehen. Ein gefallener Engel.

Sandra landet in der Fischkonservenfabrik, weil es für Ungelernte keine andere Arbeit gibt. Schnell freundet sie sich mit Nadine und Marilyn an, die neben ihr am Fließband stehen und Fisch in Dosen füllen. „Drei Stück, wenn einer zu lang ist, schlägst du den Schwanz mit dem Messer ab“, sagt Marilyn. Gleich am ersten Tag wird Sandra von ihrem Chef, dem Vorarbeiter, angemacht, der sie von früher kennt. Er will sie vergewaltigen. Das geht schief, weil Sandra sich wehrt und der Filmgeschichte die schönste Kastration seit Nagisa Oshimas „Im Reich der Sinne“ (1976) beschert: Als der Mann mit heruntergelassener Hose vor ihr in der Umkleide steht, schlägt sie die Tür ihres Spindes so fest zu, so dass sein gutes Stück wie ein kleines Würstchen am Boden liegt.

Wie viele Dosen braucht man für den Mann?

Der Mann dazu stirbt kurz drauf, als er mit heruntergelassener Hose die Treppe herunterläuft und stürzt. Da sind Nadine und Marilyn schon der Freundin zu Hilfe geeilt – und die drei entdeckten das Geheimnis des Chefs: eine Tasche voller Geld. Die nehmen sie mit. Eine Idee, wie sie den Toten aus der Fabrik bringen, haben sie auch: in Stückchen. Schließlich haben sie gelernt, wie man Konservendosen füllt. Wie viele Dosen braucht man für einen Mann? Auch das erfährt man bald. Dass die Dosenpalette, die das Trio kurzerhand zur Ausschussware dazustellt, bei der Boulogner Tafel für die Armen landet, war ja nicht vorauszusehen. Wird aber wichtig, denn da kann sie nicht bleiben.

Das Geld war für einen Drogendeal gedacht. Der örtliche Drogenchef und dessen Chef von der belgischen Mafia machen nun Jagd auf die Frauen, denn sie finden schnell heraus, wer das Geld hat, weil eine von ihnen nicht widerstehen konnte und sich ein kleines Auto gekauft hat. Doch unsere Heldinnen wären keine Heldinnen, wenn sie nach vielen kleinen, niederschlagenden Erlebnissen nicht am Ende doch triumphieren würden. Sogar einen korrupten Polizisten schalten sie geschickt aus.

Frauenpower, die echt wirkt

Die Geschichte schwankt zwischen subtilem und derbem Humor, zwischen Quentin Tarantino und Danny Boyle. Sie ist unterhaltsam und hat einen sozialen Touch, allein schon deshalb, weil sie im Arbeitermilieu spielt. Ein Film nach Me-Too (obwohl das Drehbuch lange davor entstand), mit Frauenpower, die nicht aufgesetzt wird, sondern natürlich. Mit Frauen, die mutig sind, allerdings auch ein bisschen leichtsinnig, die zupacken können und nicht aufgeben. Sie zeigen es den Männern, müssen aber auch heftige Schläge einstecken.

Kurzer Wiedererkennungswert

Das müssen die Zuschauer auch. Denn welcher Zweibrücker war schon mal in Capécure, dem Industriegebiet, in einer Fischfabrik, die hier den schönen (falschen) Namen „La belle mer“ trägt? Das Industrieviertel ist nicht trist, wie man denkt, die Fischfabrik ist schön hell, die Wege zwischen den Hallen sind breit. Ein bisschen von der Innenstadt sieht man auch, immer dieselbe Kreuzung mit dem Haus, in dem Nadine mit ihrem arbeitslosen Mann wohnt, ein Polizeirevier, eine Schule, eine Disco in der die Frauen tanzen. Und dann, ganz am Ende, als Sandra die Stadt wieder verlassen will, kommt er doch noch: der wunderschöne Blick von den Hügeln hinunter auf die Stadt mit der Basilika und Nausicaa und dem Strand und dem Meer.

„Boulogne-sur-Mer ist ja an sich nicht besonders exotisch, aber das heißt noch lange nicht, dass es optisch langweilig gezeigt werden muss“, sagt Mauduit. Er hat geschafft, es so zu filmen, dass man weiß: Man muss noch einmal hin, weil man eben nicht alles gesehen hat.

Kino & DVD

  • „Rebellinnen“ (87 Minuten) von Allan Mauduit, ist bis einschließlich Mittwoch in Saarbrücken im Kino zu sehen:
  • Cinestar: Samstag, 17.55, 20.15 Uhr, Sonntag, 11.45, 20.30 Uhr, Montag, 17.55, 20.15 Uhr, Dienstag, 11.45, 17.55, 20.15 Uhr, Mittwoch, 20.30 Uhr.
  • Camera zwo: Samstag bis Montag, 16.15, 20.30 Uhr, Dienstag und Mittwoch, 18.15, 20.30 Uhr.
  • DVD: Wer Französisch versteht: Am Mittwoch, 17. Juli, erscheint der Film in Frankreich auf DVD, man kann ihn im Internet bestellen.

Rebellisch sind die Fischfabrikarbeiterinnen eigentlich nicht (von links): Audrey Lamy (Marilyn), Cecile de France (Sandra) und
Rebellisch sind die Fischfabrikarbeiterinnen eigentlich nicht (von links): Audrey Lamy (Marilyn), Cecile de France (Sandra) und Yolande Moreau (Nadine) .
So sehen die drei in ihren Alltagskleidern aus. Foto: Concorde Filmverleih
So sehen die drei in ihren Alltagskleidern aus.
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