Zweibrücken Herzlos

Ingrids Leben bestimmen die Männer (von links): Ali Berber (Isidore), Verena Bukal (La Paloma,) Bernd Geiling (Frankenstein Le D
Ingrids Leben bestimmen die Männer (von links): Ali Berber (Isidore), Verena Bukal (La Paloma,) Bernd Geiling (Frankenstein Le Dandy).

Wie ehrt man die berühmteste Tochter der Stadt? Zu der Sängerin und Schauspielerin Ingrid Caven, die im August 80 Jahre wurde, fiel der Stadt erst mal gar nichts ein. Das Saarländische Staatstheater wagte nun eine Hommage, die am Freitag uraufgeführt wurde – und alle etwas ratlos lässt, die mit der Biografie und den Songs der in Frankreich mehr als bei uns verehrten Anti-Diva nicht vertraut sind.

Stücke, die in der Sparte 4, der Experimentiersparte des Theaters gezeigt wird, sind wild, innovativ und genreübergreifend. Das beherzigte Regisseur Sébastien Jacobi, als er seine Hommage schrieb und inszenierte. Der biografische Roman „Ingrid Caven“ (2000) von Cavens langjährigem Lebensgefährten, dem Schriftsteller Jean-Jacques Schuhl, war die eine Grundlage, der Spielfilm „La Paloma“ (1974) von Daniel Schmid, Cavens internationaler Durchbruch als Schauspielerin (ihr Ehemann Rainer Werner Fassbinder ließ sie nur in Nebenrollen in seinen Filmen spielen) war die zweite Grundlage. So weit, so gut. Doch wer beides nicht kennt, versteht nicht mal die Hälfte der Szenen und rätselt, wer die zwei Männer sind, die Caven-Darstellerin Verena Bukal (sie singt gut, aber natürlich nicht mit dem einzigartigen Duktus der Caven) umgarnen. Ist der Dandy-Typ (Bernd Geiling) Schuhl? Oder Regisseur Werner Schroeter, mit dem sie auch viel filmte? Und der im Glitzerfummel (Ali Berber) Fassbinder? Möglich ist alles, erklärt wird nichts. „Mélodie! Maladie! Mélodrame“, so der Titel des musikalischen Abends mit Live-Film à la Castorf, neuen Schwarz-weiß-Aufnahmen aus Saarbrücken und nachgestellten Filmszenen, ist einfach eine Nummernrevue mit Schlaglichtern aus ihrem Leben, die keiner Logik folgen und kein Einfühlungsverfügen beweist. Das Kind hat eine Hautallergie und wird in Binden eingewickelt, es singt „Stille Nacht!“ vor Hitler, es wird vom Saarbrücker Klavierprofessor Gieseking gepiesackt, wohl auch von Fassbinder, später umgarnt vom Baron (Schroeter) und von Schuhl. Gut zwei Dutzend Caven-Lieder singt Bukal. Bekannte wie „Each Man Kills the Thing He Loves“ und „Die großen weißen Vögel“, weniger bekannte wie „Polaroid-Cocaine“ und „Sex’n Fax“ zu Texten von Schuhl. Meistens jedoch stehen die Männer auf der Bühne im Mittelpunkt. Dabei war die Caven immer eine selbstbestimmte Frau, eine Feministin, eine Anti-Diva, eine wilde, kluge Frau, auch eine geheimnisvolle. Hier jedoch verkommt sie zum Spielball der Männer. So bleibt die schönste Caven-Hommage immer noch der Youtube-Videoclip von Tocotronic, der hier nicht auf der Bühne gezeigt wird: 2010 filmte die Band die 72-Jährige, wie sie sich in der Garderobe schminkt zum Song „Im Zweifel für den Zweifel“. Termine —14. November, 29. November, 30. November, 6. Dezember, 21. Dezember, 29. Dezember, 5. Januar, 29. Januar, 6. Februar, 16. Februar, 9. März, 6. April, 9. April, 20. April, immer um 20 Uhr —Karten: elf Euro, Telefon 0681/3092486, im Internet über staatstheater.saarland

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