Zweibrücken Der Nikolaus und die Öko-Mama

Rührende, nachdenklich stimmende und satirische Geschichten hält das Buch bereit.
Rührende, nachdenklich stimmende und satirische Geschichten hält das Buch bereit.

Adventskalender gibt es in allen Formen – mit Spielzeug für Kinder und für Erwachsene, mit Schmuck und allen voran der Schoko-Klassiker. Marion Bischoff aus Clausen und Gabi Schmid aus Baden-Württemberg haben nun mit „Lichter im Advent – Der etwas andere Adventskalender“ einen ebensolchen herausgegeben. Befreundete Autorinnen – auch aus Zweibrücken – haben dafür 29 Weihnachts- und Kindergeschichten geschrieben, die amüsant und rührend sind und den Advent versüßen – und das ganz ohne Zucker.

Es ist eine schöne Idee, die dem Buch zugrunde liegt: Für jeden Tag im Dezember bis zum Heiligen Abend gibt’s eine Geschichte – am 24. zwei –, und als Bonus für jeden Adventssonntag vier Kindergeschichten, die man vorlesen kann. Im 228 Seiten starken Buch schlummern viele Höhepunkte. Besonders schön ist die Geschichte, die für den Nikolaustag gedacht ist. Bhavya Heubisch erzählt in „Der Krampus“ die Anekdote einer Helikopter-Mutter. Ihr Motto: Bloß weg mit allem Gefährlichen für mein Kind, weg mit Süßigkeiten und dem Zucker! Frau Södermann – besagte Mutter – kommt am Abend vorm Nikolaustag zu einer Nikolausvermittlung, die um diese Zeit völlig ausgebucht ist. „Aber wie steht mein Till dann da?“, schluchzt sie. Schließlich lässt sich Kurt Giesinger, dem die Agentur gehört, erweichen. „Einen Krampus hätte ich noch“, sagt er der verwirrten Mutter. „Ist wie ein Nikolaus, bloß viel wilder. Er schimpft die bösen Kinder und droht, sie in den Sack zu stecken.“ Nach anfänglichen Bedenken („Oh nein! Nicht bei meinem zartbesaiteten Kind!“), lässt sich Frau Södermann darauf ein. Am Nikolausabend gibt Max, ein Mitarbeiter von Giesinger, den Krampus und überreicht Till, dem fünfjährigen Sohn Södermanns, eine Tüte voller Süßigkeiten, die sie Max zuvor gegeben hat. Als Till sie aufmacht, bemerkt Max die Enttäuschung in seinem Blick, denn heraus kommen: „Haferflockenkekse!“, ruft Frau Södermann begeistert aus. „Ich habe sie extra für dich gebacken!“ Sonst enthält die Tüte noch Trockenobst, Äpfel und Birnen. Da muss Max an seinen eigenen Sohn denken, mit dem er jetzt eigentlich den Nikolaustag feiern sollte. Die Geschichte macht einem am Ende klar, dass man Kindern auch ruhig mal was erlauben und sie ihre eigenen Fehler machen lassen muss. Zu viel der Ängstlichkeit und Besorgnis – und in dem Fall: zu viel Öko – tut keinem Kind der Welt gut. Hinter vielen Geschichten steht eine vergleichbare Botschaft. Obgleich das Buch nicht mit großer Schreibkunst glänzen kann, haben sich alle Autoren etwas bei ihren Geschichten gedacht. Die Geschichten sind atmosphärisch und bereiten aufs Weihnachtsfest vor. Aber nicht nur witzig wird’s – auch nachdenkliche Geschichten findet man im Buch, gewürzt mit einer Prise Humor. So wie die Geschichte „Mutproben“ von Barbara Danner-Schmidt. Aus der Feder der in Zweibrücken lebenden Autorin ist eine rührende Geschichte über das Älterwerden, Verlust und die Wiederkehr von Freude geflossen: Durch Zufall findet Julia im Haus ihres Onkels Hubert eine Heiligenfigur. „Die hab’ ich mal geklaut, aus einer Kapelle, zusammen mit meinem Freund Georg. Das war eine Art Mutprobe. Das ist über 50 Jahre her“, erzählt er. Sein ganzes Gesicht beginnt zu strahlen, was Julia schon ewig nicht mehr bei ihm gesehen hat – seit seine Frau vor einem halben Jahr gestorben ist, hat er keine Freude mehr am Leben. Hubert bedauert, dass er seinen alten Freund aus den Augen verloren hat. Julia schlägt vor, die Figur zu der Kapelle zurückzuschicken und den Diebstahl so wieder gut zu machen. Zurück kommt ein nettes Schreiben vom dortigen Pfarrer, mit dem er sie als Dank zu einem Gottesdienst einlädt. Aus dem Häufchen Elend, das Herbert nach dem Tod seiner Gattin geworden ist, ist am Ende der Geschichte wieder ein lebensfroher Mann geworden, für den das Leben auch Schönes bereithält. Die Geschichte erzählt von Liebe, vom Vergangenen, von Wärme und erinnert daran, dass das Wichtigste an Weihnachten nicht das ist, was unterm Baum liegt – es sind die Menschen, mit denen wir Weihnachten feiern. Tiefgründig wird’s auch mit der Geschichte „Der alte Narr“, die für den 15. Dezember gedacht ist. Nadine Lang aus Contwig zeichnet zwei völlig unterschiedliche Charaktere: Martin ist schon längere Zeit in einem Umzugsunternehmen beschäftigt. Pascal, der den Beruf erst seit Kurzem hat, ist geschockt, als er das Haus eines Verstorbenen ausräumen muss – und dann auch noch jemand, den er flüchtig kannte. „Lass das alles nicht so nah an dich ran“, rät ihm Martin. Im Haus dann macht Pascal eine kuriose Entdeckung. Emotional und anrührend führt Lang den Leser durch Fragen, die uns alle beschäftigen, allen voran: Können wir ein Leben, seine Hinterlassenschaften, seine Erfolge und Bemühungen einfach so wegwerfen? Rührende, nachdenklich stimmende und satirische Geschichten hält das Buch bereit. Es ist wie die Weihnachtspralinen, die unterschiedlich gefüllt sind: Man weiß nie, was man kriegt. Buch und Lesung —Marion Bischoff und Gabi Schmidt (Hrsg.): „Lichter im Advent – Der etwas andere Adventskalender“, Rhein-Mosel-Verlag, 29 Geschichten, 224 Seiten, zwölf Euro. —Lesungen: 2. November, 19 Uhr: 3. November, 19 Uhr: 4. November, 13:30 Uhr: 4. November, 15 Uhr: 24. November, 16 Uhr: Thaleischweiler, 14. Dezember, 19 Uhr: Es lesen jeweils etwa fünf Autorinnen, wer das sein wird, ist noch offen.

Marion Bischoff aus Clausen – hier bei einer Lesung in der ehemaligen Zweibrücker Buchhandlung Leseratte im Sommer 2017 – hat da
Marion Bischoff aus Clausen – hier bei einer Lesung in der ehemaligen Zweibrücker Buchhandlung Leseratte im Sommer 2017 – hat das Buch herausgegeben.
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