Speyer Wochenchronik:

Wir haben genug Zeit, wenn wir sie nur richtig verwenden. Das stammt von Goethe und ist immer aktuell. Ein gutes Beispiel ist der Kindergarten-Streik, der am Montag nach vier Wochen vorerst endet: So lange waren die Erzieher nicht in den Einrichtungen, so lange mussten die Eltern neben ihren Jobs Zeit für die Kinderbetreuung finden. Zeit hatten hingegen die Streikenden. Was tut man den ganzen Tag? Wichtig ist, dass man sich in gewerkschaftliche Streiklisten einträgt, auch um Streikgeld zu erhalten. Die gab’s in Speyer-Nord im Clubhaus der ASV-Kicker, das sich wie erwünscht zum organisatorischen Herz des Streiks entwickelt hat. Dort wurden Plakate gemalt, dort wurden Pläne geschmiedet. Und tatsächlich waren die Streikenden, denen zunehmend „ihre“ allzu lang unbetreuten Kinder Leid taten, sehr einfallsreich. Zusammen mit Verdi-Gewerkschaftern wurde ein vielseitiges Programm organisiert, um auf die Anliegen aufmerksam zu machen. Mehrere Kundgebungen gehörten dazu, der Besuch bei den warnstreikenden Genossen vom Einzelhandel, die Präsenz am Mittwoch im Jugendhilfeausschuss oder der Besuch bei der Reihe „Walter Feiniler im Gespräch“ am Heinrich-Lang-Platz. Freizeit sieht anders aus! Wenn im Straßenverkehr nur alle Zeit hätten! Es gäbe weniger Unfälle, es gäbe weniger Streit. Und vielleicht würden sich ja auch mehr Leute an die Regeln halten. Zum „Tag des Fahrrads“ diese Woche hat etwa eine Umfrage ergeben, dass mehr als die Hälfte der Radler bekennt, auch mal gegen das Gesetz zu fahren, es also mit der Straßenverkehrsordnung nicht so genau zu nehmen. Wer vom Zentrum zum Speyerer Bahnhof will, nutzt für den schnellen Weg auch gern mal Bürgersteige oder den Radweg auf der falschen Seite. Gerade das mit dem falschen Radweg sei ein großes Problem, so Werner Zink, Vorsitzender des ADFC Speyer. Er erkennt darin eine große Gefahr, sieht sich aber ein Stück weit machtlos. Die Polizei müsse mehr kontrollieren, die Presse informieren, schlägt er vor. Wie gesagt: Wenn es nur kein Fahrer eilig hätte, dann würde vielleicht auch in der Maximilianstraße endlich Schritttempo gefahren. Obwohl: Man will gar nicht wissen, wie sehr in diesem Fall die Werte aus einer anderen Umfrage in die Höhe schnellen würden. Rund 20 Prozent der deutschen Autofahrer ließen sich sogar am Steuer fürs Flirten ablenken, heißt es darin nämlich. Meine Zeit steht in Deinen Händen. Das sagen die Christen nach einem Psalm. Sie verlassen sich in ihrer Zeitgestaltung freilich nicht nur auf Gott, sondern helfen auch mal nach. Ein gutes Beispiel sind Kirchentage – Anlässe, um gemeinsam Zeit zu verbringen. Erst an Pfingsten in Speyer, jetzt in Stuttgart, wo der Deutsche Kirchentag der Luther-Anhänger läuft. Auf mehr als 1000 schätzt die Landeskirche die Anzahl der Pfälzer dort. Sogar Speyerer Katholiken sind gekommen: Bischof Karl-Heinz Wiesemann war bei der Eröffnung dabei, Schwester Monika Gessner vom Institut St. Dominikus hat mit Tanzexerzitien begeistert. Das ist eine Erwähnung wert, denn eins plus eins ist bei den Christen immer noch nicht eins – die Konfessionen trennt weiterhin einiges. Aber vielleicht findet sich für sie ja ein Rechen-Genie, das die Regeln ändert. Frei nach dem Motto: „Es gibt drei Sorten von Mathematikern: Die einen können zählen, die anderen nicht.“ Viel Arbeit ist für die Speyerer Feuerwehr nichts Neues. Die (noch) ehrenamtlichen Brandschützer sind immer da, wenn Hilfe nötig ist, obwohl sie nebenbei noch Jobs und Familien haben. Auch hier gilt: Gutes Zeitmanagement ist alles. Und zu den Einsätzen in Uniformen kommen Übungen. In dieser Woche gab es am Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus einen besonderen Trainingseinsatz mit 50 Aktiven. Simuliert wurden unter anderem ein Stationsbrand und ein Hubschrauberunfall mit verletzten Personen auf dem neuen Landeplatz. Außerdem wurde die Gelegenheit genutzt, um die umgebaute Klinik besser kennenzulernen. Wehrleiter Michael Hopp und die Krankenhaus-Verantwortlichen zogen ein zufriedenes Fazit. Einige Tage zuvor hatte es eine weitere Übung in der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (Lufa) gegeben. Viel (künstlicher) Qualm sorgte damals für Aufstehen in der Oberen Langgasse. Am Montag gab’s gleich den Ernstfall hinterher: Eine unkontrollierte Rauchentwicklung aus einem Muffelofen war unter Kontrolle zu bringen. Ach du liebe Zeit – nicht dass jeder Übungsort so schnell erneut mit Blaulicht aufgesucht werden muss … Was machen eigentlich die Eltern mit all der neugewonnenen Zeit, wenn ab Montag wieder ihre Kinder in Speyers Kitas betreut werden? Arbeit nachholen, Chefs und Kollegen danken oder Rasen mähen wären nur einige Ideen. Vielleicht auch Schlaf nachholen. In wenigen Lebensphasen geht es so stressig zu, wie in denen mit kleinen Kindern und hohen beruflichen Ansprüchen. Wer den Aufatmenden also locker zurufen will, jetzt könnten sie endlich wieder in Ruhe einen Kaffee trinken, sollte sich das gut überlegen. Vielleicht hilft ja allen spanische Gelassenheit, etwa mit einem Sprichwort aus Andalusien: „Du kannst die Uhr anhalten, aber nicht die Zeit.“

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