Speyer „Wo die Pfalz dem Rhein am nächsten ist“

Da wird doch die Schnake im Auwald verrückt: Der Rhein-Pfalz-Kreis wird 50!
Da wird doch die Schnake im Auwald verrückt: Der Rhein-Pfalz-Kreis wird 50!
Einer von Ihnen hat mal gesagt: „Ach, die Leute denken doch, ein Landrat ist einer, der hat ’nen Chauffeur, isst und trinkt und wird immer dicker.“ Na, wer war’s? Paul Schädler:

Das war der Werner. Werner Schröter: Nein. Clemens Körner: Ich war’s. Und, was ist ein Landrat wirklich? Schädler: Dazu kann ich eine Geschichte erzählen: Ein preußischer Landrat hat an seine Frau nach Berlin geschrieben, dass die Leute ihm mit großem Respekt begegnen und wenn der Lehrer in der Schule frage, warum der Papst nicht heiraten dürfe, antworteten die Schüler: Weil es ihm der Landrat verboten hat. (alle lachen) Schröter: Mal im Ernst, die Frage ist eigentlich ganz einfach zu beantworten. Es gibt Aufgaben, die erledigt werden müssen – und dafür gibt es Zuständigkeiten. An unterster Stelle steht die Ortsgemeinde, dann kommt die Verbandsgemeinde, der Landkreis, das Land und schließlich die Bundesregierung. Körner: In der Landkreisordnung sind die Aufgaben eines Landrats definiert. Schröter: Interessant ist ja die Entwicklung des Amts. Schädler: Das stimmt, ich bin noch vom Ministerpräsidenten ernannt worden. Ernst Bartholomé: Und ich wurde von ihm vorgeschlagen. Helmut Kohl war das. Der Kreistag musste mich bestätigen. Körner: Und Werner Schröter ist als Erster durch eine Urwahl Landrat geworden. Und, was ist ein Landkreis? Schröter: Der Sitz des Landrats. Schädler: Ein Verwaltungsbezirk, der die überörtlichen Aufgaben für die Mitgliedsgemeinden übernimmt Bartholomé: Und staatliche Aufgaben. Ich war noch Chef der Polizei. Körner: Diese Zeiten sind vorbei. Schädler: Ein guter Landrat erledigt nicht nur, was ihm das Gesetz vorgibt, sondern löst Probleme, die er selbst erkennt. So ist die Schnakenbekämpfung entstanden. Glauben Sie, Menschen können sich mit einem Landkreis identifizieren? Oder sind sie nicht eher Altriper, Mutterstadter oder Iggelheimer? Schröter: Letzteres. Sie identifizieren sich mit ihrer Gemeinde. Bartholomé: Richtig. Körner: Umso wichtiger, dass wir Identität stiften. Mit Kreisbädern, Musik- und Kreisvolkshochschule. Bartholomé: Der Rhein-Pfalz-Kreis ist kein einfaches Gebilde. Da wurden drei Kreise zusammengelegt. Und das ist heute noch spürbar. Und Sie änderten den Namen, Herr Schröter. Von Landkreis Ludwigshafen in Rhein-Pfalz-Kreis. Hat das den Kreis konkreter gemacht? Schröter: Der Widerstand war groß. Und die RHEINPFALZ hat das noch gefördert. Aber ich glaube trotzdem, dass es letztlich identitätsstiftend war. Für die jungen Leute ist es selbstverständlich, im Rhein-Pfalz-Kreis zu wohnen. Und ein RP-Kennzeichen am Auto zu haben. Aber auch die Widerständler von damals haben inzwischen ihre Meinung geändert. Körner: Du hättest die Leute damals vielleicht mehr mitnehmen können. Schröter: Da widerspreche ich nicht. Allerdings bin ich nicht der erste Landrat, der über eine Namensänderung nachgedacht hat. Meine Vorgänger hatten da auch schon Ideen. Aber sie bekamen keine Mehrheit. Die SPD hat nicht mitgemacht. Mir gelang es, die Sozialdemokraten umzustimmen. Schädler: Zwischen-Rhein-und-Wein-Kreis. Solche oder so ähnliche Ideen gab es, das stimmt. Was heißt das eigentlich: Rhein-Pfalz-Kreis? Schröter: Da ist die Pfalz dem Rhein am nächsten. Mit dem Namen rückt der Kreis von Ludwigshafen ab. War das Absicht? Schröter: Nein, war es nicht. Ihr Nachfolger, Clemens Körner, will jetzt auch noch die Verwaltung aus Lu holen und das Kreishaus in den Kreis stellen. Was halten Sie davon? Schröter: Da gehört es hin. Auch wenn das Kreishaus in Ludwigshafen abbezahlt und preisgekrönt ist. Es hat einen Architektenpreis gewonnen. Wann wurde das Kreishaus gekauft? Bartholomé: Es wurde 1988 gebaut. In dem Jahr ist die Kreisverwaltung auch eingezogen. 2005 hat es der Kreis gekauft. Körner: Dass wir wegziehen, hat nichts mit unserem Verhältnis zu Ludwigshafen zu tun. Das liegt an den Gegebenheiten. Weil das Kreishaus direkt an der Hochstraße liegt ... Körner: So ist es. Deren Abriss und die Folgen – Staub, Lärm, Erschütterung – haben die Umzugspläne erst dringlich gemacht. Die Verwaltung hat, Herr Körner, eher zufällig erfahren, dass das Gebäude am Europaplatz über Jahre wohl nicht nutzbar ist. Kommuniziert die Stadt beim Thema Hochstraße ungeschickt? Körner: Ja. Was in Ludwigshafen verkehrsmäßig passiert, betrifft die ganze Region. Den Kreis, Mannheim ... Die Stadt erwartet einerseits Hilfe, tut andererseits aber so, als wäre es nur ihr Problem. Wie sehen das die anderen? Schröter: Gäbe es einen Regionalkreis – dann wären alle im Boot. Regionalkreis? Schröter: Ein Zusammenschluss aus den Städten Frankenthal, Ludwigshafen, Speyer und dem Landkreis. Dann wären alle in einem Boot. Schädler: Das ist zu unübersichtlich. Bartholomé: Die Bürgernähe geht verloren. Schröter: Bürgernähe geben die Gemeinden. Körner: Das eigentliche Problem ist doch, dass die Hochstraße keine Bundesstraße ist. Bartholomé: Nein, das eigentliche Problem ist, dass man Anfang der 70er -Jahre eine autogerechte Stadt wollte. Ludwigshafen sollte eine der modernsten Städte Europas werden. Solche Grundsatzentscheidungen lassen sich später kaum revidieren. Und heute hat man zwei marode Hochstraßen. Wie stehen Sie generell zu der Stadt Ludwigshafen, Herr Schröter? Sie wohnen schließlich hier. Schröter: Richtig. Und ich war 40 Jahre lang Mitarbeiter in der Stadtverwaltung. Vom Herzen her bin ich allerdings Haßlocher. Da bin ich aufgewachsen. In Maxdorf habe ich ebenfalls eine Zeit lang gewohnt. Mit Blick auf den Heidewald. Heute ist mein Zuhause in Oppau. Das Elternhaus meiner Frau. Im Schatten der BASF ... Aber die Nähe zum Rhein macht den Ort lebenswert. Und die anderen – was verbindet Sie mit Ludwigshafen? Bartholomé: Ich gehe ins Konzert. Körner: Ich arbeite hier. Herr Schädler, Sie waren der erste Chef des Kunstprodukts – ein Kreis zusammengefügt aus den Landkreisen Ludwigshafen, Frankenthal und Speyer. Wie war das damals? Und wie haben die Leute reagiert? Schädler: Ich bin gar nicht gefragt worden. Ich war eigentlich glücklich als Landrat in Landau. Dann wurde der Kreis neu zugeschnitten und ich musste das, was geschaffen war, übernehmen. Ich habe versucht, damit zurecht zu kommen. Einfach war das nicht. Zumal mir damals gesagt wurde, dass ich als Schwarzer hier keine Chance hätte – die SPD sei zu mächtig. Körner: Viele haben diesem Kunstprodukt keine Chance gegeben. Und jetzt wird es 50. Herr Schädler, Sie haben die Kreisinfrastruktur aufgebaut. Bäder, Sportstätten, das Schifferstadter Gymnasium. Gab es damals auch schon mal ein Kachel-Chaos? Ich spiele da auf die vielen Probleme bei der Sanierung des Maxdorfer Kreisbads an. Schädler: Nee. Gab es nicht. Solche Probleme hatte ich nicht. Sie haben weitergebaut, Herr Bartholomé. 100 Millionen Mark fließen während Ihrer Amtszeit in verschiedene Großprojekte. Geldprobleme gab es nicht? Bartholomé: Doch, gab es schon. Aber ich habe darauf geachtet, dass die laufenden Kosten gering bleiben, damit Geld für Investitionen bleibt. Mir war beim Bauen immer wichtig, dass vorhandene Strukturen erhalten bleiben. Heimat erhalten bleibt. Der Denkmalschutz gewahrt wird. Ach, kommen Sie, der Kreis hatte doch nie ernsthafte Geldsorgen. Körner: Bei uns ist es zumindest gute Sitte, erst in den Geldbeutel zu schauen und dann zu entscheiden, was man macht. Schröter: Der Kreis hat aber auch einen Vorteil gegenüber der Stadt. Er hat die Kreisumlage. Und kann diese anpassen. Schädler: Die Kreisumlage ist doch keine Quelle zum Geldschöpfen. Den Städten steht das Geld, das der Kreis von den Gemeinden bekommt, von Anfang an zur Verfügung. Apropos Geld. Geld kostet auch die Naherholung im Kreis. Und letztlich scheitern daran Projekte wie das Campen Auf der Au. Herr Bartholomé, Sie haben sich immer als „Schwarzer mit grünem Herzen“ gesehen und sich für Umweltschutz und Naherholung eingesetzt. Was sagen Sie zum Untergang des Campinggebiets? Bartholomé: Das ist schade, aber Teil der Entwicklung. Die Nachfrage nach Campingplätzen gibt es so nicht mehr. 1983 gab es Wartelisten. Heute fliegen die Leute nach Mallorca. Und Sie, Herr Schädler? In Ihrer Zeit als Landrat ist es entstanden. Schädler: Ja, weil wir die wilde Camperei dort regeln mussten. Das Aus jetzt ist die normale Entwicklung. Körner: Und es gibt ja nicht nur das Campinggebiet Auf der Au. Es gibt etwa noch das Reffenthal. Da sind die Leute am Wasser. Das funktioniert. Schröter: Man kann nicht mehr tun, als der Bürger verlangt. Wie Menschen ihre Freizeit verbringen, verändert sich. Was sagen die Vorgänger zum Vorstoß von Herrn Körner, die Straßenbahn in den Kreis hinein zu verlängern? Schröter: Der Gedanke ist gut. Vor allem, weil wir im Individualverkehr zu ersticken drohen. Bartholomé: Der öffentliche Nahverkehr muss gestärkt werden. Wir müssen weg vom Auto. Sie glauben also, das wird was mit der Bahn nach Neuhofen? Schröter: Irgendwann bestimmt. Daran glaube ich. Schädler: Ach was. Ganz sicher wird das nichts. Und bis nach Dudenhofen fährt ohnehin keine Bahn. Körner: Wir müssen es jetzt versuchen, denn jetzt gibt es Geld von Bund und Land für den Ausbau. Und ich bleibe dabei: Wenn es regnet, muss man den Löffel raushalten. Herr Körner, Ihre Vorgänger haben gebaut – und Sie müssen alles erhalten. Körner: Erhalten ist auch wichtig. Und kann wertsteigernd sein. Oder nervend. Ich sage nur Maxdorf, Schwimmbad, Kachel-Chaos. Körner: In dem Fall ja. Die Prozesse laufen noch. Über die Probleme im Schwimmbad ist der damalige hauptamtliche Erste Beigeordnete gestolpert. Die Elster-Affäre. Und es gab eine Abwahl. Gab es eine noch schärfere politische Auseinandersetzung in der Kreisgeschichte? Schädler: Für meine Begriffe nicht. Körner: Nö. Glaub’ nicht. Was waren denn so die Skandale der letzten 50 Jahre? (Schweigen) Der Friede-Freude-Eierkuchen-Kreis. Auch ein schöner Name. Kommen Sie, etwas Knatsch wird es doch gegeben haben. Damals etwa, als es knarzte in der Koalition von SPD, Grünen und FWG, der Coup von 1991 gelang, und sich CDU, FDP und Grüne zusammentaten. Angeblich die erste Jamaika-Koalition bundesweit. Bartholomé: Ach, darauf wollen Sie hinaus. Die ganze Geschichte beginnt sogar noch vor 1991, sprich: 1989 mit der Kommunalwahl. Direkt danach hatten wir von der CDU schon mit den Grünen geredet. Ohne Erfolg. Es gab also eine rot-grüne Koalition. Die aber nicht gut funktionierte. Die Sozialdemokraten wollten den Landrat stellen und einen Ersten hauptamtlichen Beigeordneten. Den Landrat hätten die Grünen wohl noch mitgetragen, den hauptamtlichen Beigeordneten aber nicht. Nach zwei Jahren hatten die Grünen genug und es kam zur Koalitionsvereinbarung mit uns und der FDP. Heute regiert die große Koalition. Und es ist fast langweilig in den Kreistagssitzungen. Friedenszeiten. Statt politische Schlachten zu führen, bauen Sie Wein an, Herr Körner. Dabei macht Wein den Kreis gar nicht aus ... oder? Körner: Sie finden es langweilig im Kreistag? Na sowas! Aber die große Koalition arbeitet gut. Und das ist die Hauptsache. Zum Wein: Wein geht in der Pfalz doch immer. Herr Schröter, Sie haben aufs Gemüse gesetzt und für die braunen Hinweistafeln an der Autobahn gesorgt. Was denken die Leute wohl, wenn sie diese sehen? Hu, hier kann man sich Salat ansehen ...? Schröter: Die Leute wissen dadurch, was es Sehenswertes bei uns gibt. Der Gemüseanbau hier ist doch etwas Besonderes. Im Moment sieht man allerdings nur Folien. Das ist schade. Und nicht gut für Wildtiere. Hasen finden ja gar keine Verstecke mehr. (Beim Thema Landwirtschaft fallen plötzlich Stichworte wie Beregnung, Pfalzmarkt, Verkehr durcheinander) Was haben Sie gerade zum Thema Beregnung gesagt, Herr Schädler? Schädler: Dass man die Bauern quasi dazu zwingen musste. Und heute rühmen sie sich für moderne Landwirtschaft. Körner: Das will kein Landwirt hören. Schädler: Das mag wohl sein. Aber es stimmt. Wein, Essen, Oldtimerbus. Der Kreis öffnet sich touristisch. Was findet man hier an verschdeggelden Schätzen, Herr Schröter? Schröter: Das Schloss in Kleinniedesheim etwa. Oder die Rheinauen. Bei meinen Radtouren gab es immer etwas zu entdecken. Sind Sie noch im Kreis unterwegs? Schröter: Ja klar. Dort, wo man lange gelebt hat und viele Menschen kennen und schätzen gelernt hat, geht man gerne wieder hin. Und Sie, Herr Bartholomé? Bartholomé: Ja, vor allem zum Fahrradfahren. Eher im südlichen Teil. Herr Körner, Herr Schädler, Sie muss ich nicht fragen, Sie wohnen im Kreis. Schädler: Zusammen in Dudenhofen. Körner: Also nicht direkt zusammen, aber beide in Dudenhofen. Es liegen schon ein paar Meter Luftlinie zwischen uns. Und jetzt noch ein bisschen Lobhudelei: Der Rhein-Pfalz-Kreis ist so liebenswert, weil ... Schädler: ... er die wunderschönen Rheinauen hat. Bartholomé: ... er zwischen Rhein und Wein liegt und vielseitig ist. Schröter: ... wegen der Leute. Die fleißige Bevölkerung geht tagsüber ihrem Erwerb nach und arbeitet nach Feierabend im Gemüsegarten weiter. Körner: ... man dank der Schnakenbekämpfung in einem paradiesischen Teil der Erde entspannt auf der Terrasse sitzen und ein Glas Wein trinken kann.

Wie war das noch mal? Landrat Clemens Körner und die Alt-Landräte Werner Schröter, Paul Schädler und Ernst Bartholomé (von links
Wie war das noch mal? Landrat Clemens Körner und die Alt-Landräte Werner Schröter, Paul Schädler und Ernst Bartholomé (von links nach rechts) lassen 50 Jahre Rhein-Pfalz-Kreis Revue passieren.
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