Speyer Wien, Berlin, Speyer

„Zusammen mit den Villen Sick und Ecarius ist der Bau ein besonderes Zeugnis für das zu Vermögen gekommene Bürgertum und seinen hohen kulturellen Anspruch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, heißt es in Herbert Dellwings Speyerer Band der „Denkmaltopographie“ über das Wohn- und Geschäftshaus in der Gilgenstraße 5. Wie die zwei anderen Villen liegt es nicht weit vom Postplatz entfernt.

1876 für einen Tabakgroßhändler nach Plänen des Architekten Franz Schöberl errichtet, ist Clemens Jöckles Buch „Kreishauptstadt Speyer – Bauten aus bayerischer Vergangenheit“ zufolge „von einem Geschäftshaus (...) noch nichts erkennbar“: Ein Gesims trennt Erd- und Obergeschoss voneinander ab, und die obere Zone ist deutlich als „Palastfassade“ angelegt; kleine Dreiecksgiebel über einer Fensterachse, ein vorspringender Balkon und ein halbgeschossartiger Aufsatz, die Attika, setzen Akzente, und drei nur mit waagrechtem Sturz versehene Fenster auf jeder Seite bringen Bewegung in die Fassade. „Fragt man, woher die Formen dieser Fassade kommen, so muss man nach Wien schauen, wo Schöberl studiert hat“, heißt es in Jöckles Buch. Die dortigen Palais des späten 18. Jahrhunderts habe er zu Beginn seiner Tätigkeit in der Pfalz als Vorbilder für den Profanbau herangezogen; den jungen Architekten hätten einerseits die der römischen Renaissance nachempfundene Strenge der Gliederung, andererseits die Anspruch und Reichtum widerspiegelnde Fassade – etwa des Palais Pallavicini – fasziniert. 1905 habe Heinrich Strasser ein Geschäft in der Gilgenstraße 5 eröffnet und Schöberl mit dem Einbau der Schaufenster beauftragt; der Architekt habe, so Jöckle, „ohne Verletzung der Einheitlichkeit des Baus“ die großflächigen Fenster mit Gusseisenstäben eingebaut. „Rücksicht auf die vorhandene Straßenbebauung, trotzdem akzentsetzende Baugestaltung in Harmonie mit der städtebaulichen Situation und Zusammenklang selbst reich verzierter Einzelformen in einem überzeugenden Gesamtkonzept machen die Qualität dieser Architektur aus“, lautet Jöckles Einschätzung. Sie sei in Speyer in dieser Form einmalig und als Straßenpalais im 19. Jahrhundert ein ebenfalls nicht allzu oft geplanter Bautyp. Wien habe – neben Berlin – solche Häuser. In Speyer habe Schöberl also einen großstädtischen Akzent gesetzt. Weiter heißt es: „Wenn der Ausspruch, dass Frühwerke Talentproben sind, zutrifft, so hat Schöberl das 1876 (...) in ihn gesetzte Vertrauen gerechtfertigt. Dies (...) hat ihm sicherlich in späterer Zeit noch manchen Auftrag eingebracht, nicht zuletzt das heutige Stadthaus.“ Heute sind Privatkunden, die ein kostenloses Girokonto suchen und auf freundlichen Service setzen, wenn es um Geldanlage, Vorsorge oder die Finanzierung der eigenen vier Wände geht, in der Gilgenstraße 5 richtig – bei der Sparda-Bank. Die Serie In Speyer gibt es einige prachtvolle Häuser, die erahnen lassen, wie viel Reichtum die Unternehmer in der Hochphase der Industrialisierung besessen haben. Unsere Serie bietet Einblicke in das Leben der „Villen-Nutzer“ – damals und heute.

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