Speyer Vom Bettelbrief bis zum Nacktbild

Es sind oft kleine Beträge wie die 29,99 Euro, die Ende März ein 32-jähriger Speyerer einbüßte. Er wollte einem vermeintlichen Bekannten einen Gefallen tun und leitete einen auf Mobiltelefon gesendeten Code weiter – schon war er in die Falle gegangen. Es kann jedoch auch „sehr schnell in den vierstelligen Bereich gehen“, wie Hauptkommissar Bernd Kumpf sagt. Er soll vom Ludwigshafener Präventionszentrum der Polizei aus dazu beitragen, die Vorderpfalz vor Betrug über Internet und neue Medien zu schützen. So werde leider immer wieder bei verlockenden Laptop-Angeboten im Internet zugegriffen – und dann die schon bezahlte Ware nie ausgeliefert.„Wenn ein Angebot zu gut ist, um wahr zu sein, dann ist es auch nicht wahr“, betont Kumpf (siehe „Zur Sache“). Auch vor dem immer mehr um sich greifenden „digitalen Enkeltrick“ warnt er: „Es ist kaum zu glauben, was es da inzwischen alles gibt. Da kommen zum Beispiel Bettelbriefe von angeblichen ehemaligen Schulkameraden, die sind von fast nötigendem Charakter.“ Wenn in der Statistik der Speyerer Polizeiinspektion, die über die Stadt hinaus die Verbandsgemeinde Römerberg-Dudenhofen und die Ortsgemeinde Otterstadt betreut, 185 Fälle von Internetkriminalität aus dem Jahr 2014 auftauchen (2013: 130, 2012: 83), ist das wahrscheinlich nicht einmal die halbe Wahrheit. Das liege zum einen an einer hohen Dunkelziffer, sagt Andreas Heintz, Leiter der Speyerer Kriminalpolizei. So meldeten sich etwa beileibe nicht alle Opfer von Beleidigungen per Internet. Zum anderen würden Fälle, bei denen der mutmaßliche Täter im Ausland sitzt – was im weltweiten Netz nichts Ungewöhnliches ist –, statistisch nicht erfasst. „Meines Erachtens steigt die Anzahl dieser Fälle an“, so Heintz. Angesiedelt sind die Ermittlungen jeweils dort, wo der Täter vermutet wird – und auch da ist die Region nicht außen vor. So steht etwa ein Speyerer in Verdacht, in mindestens 60 Fällen Waren über eine Online-Plattform angeboten und trotz Bezahlung nicht geliefert zu haben. „Die Anzeigen gehen aus dem ganzen Bundesgebiet ein“, berichtet Heintz. Das Ende vorigen Jahres begonnene Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Inhaltlich ist es typisch: Sogenannte Vermögens- und Fälschungsdelikte machten mit 129 den Großteil der 185 Fälle von 2014 aus. 2013 waren es 95 gewesen. Experte Kumpf unterteilt in Warenbetrug und Warenkreditbetrug: Im ersten Fall wird nicht geliefert, im zweiten nicht bezahlt. Während es beim Kreditbetrug in Speyer 2014 keinen großen Anstieg gegeben habe, habe sich die Fallzahl beim Warenbetrug gegenüber 2013 von 37 auf 60 erhöht. „Eine Verschiebung von betrügerischen Käufer zum betrügerischen Verkäufer“, so Kumpf. Eine klare Parallele gebe es seit Jahren bei den Fallzahlen von Internet-Kriminalität und dem Wandel im Versandgeschäft, das heute zu 70 Prozent über den Computer laufe. Die lange Liste von Straftaten mit dem „Tatmittel Internet“ erschöpft sich nicht in Betrugsdelikten. Beleidigung, Urkundenfälschung sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nennen die Ermittler als weitere bedeutende Gruppen. Die letztgenannten Fälle hätten oft mit dem Versand von Bildern mit entsprechenden Inhalten zu tun, berichtet Heintz. „Die zwölf Fälle von 2014 wurden alle geklärt.“ Gut ist auch die Aufklärungsquote insgesamt: Von den 185 Fällen sind in der Polizeistatistik 167 als erledigt markiert. 98 Tatverdächtige seien ermittelt worden, so Heintz. Ein Vorteil: Wer sich im Internet bewegt, hinterlässt verlässlich digitale Spuren. Kumpf berichtet davon, dass viele Straftaten aus dem realen, analogen Leben heute online fortgesetzt würden. Auf die Schlägerei werde dann etwa die Beleidigung via Handy gepackt. Als der Kommissar kürzlich bei einem Infoabend im Speyerer Schwerd-Gymnasium von Eltern drei Stunden lang zu Erscheinungsformen von Internet-Kriminalität befragt wurde, ging es natürlich auch Themen wie „Cybermobbing“. Unbedarfte Kinder und Jugendlichen seien ebenso bevorzugt im Visier von Cyberkriminellen wie Senioren: Die „Silver Surfer“ seien die am stärksten wachsende Internet-Nutzergruppe – und oft vermögend. Aber nicht nur bezogen auf diese beiden Gruppen sagt Kumpf: „Das Internet macht es leicht, sich auszuprobieren. Die Täter sind kreativer und die Opfer planloser.“

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