Speyer Unbeugsam gegen Hitler

In einer europaweiten Aktion des Kölner Künstlers Gunter Demnig erinnern Stolpersteine auch in Landau auf Straßen und Wegen vor ehemaligen Wohnhäusern an Verfolgte der NS-Zeit. Am Samstag wird mit einem Stolperstein an Heinrich Stützel, Sozialdemokrat und Landaus bekanntester Widerstandskämpfer während des Nationalsozialismus, erinnert.

Der Stein wird vor dem Haus in der Marktstraße 81 verlegt. Mit seiner Familie lebte Heinrich Stützel dort bis 1945. Sein Sohn Paul Stützel kann sich noch genau an die Schikanen des Naziregimes erinnern. „Die zwei Jahre und drei Monate Zuchthaus, zu denen mein Vater vom Oberlandesgericht München wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt wurde, waren der erste große Schock. Danach hatten wir keine Ruhe mehr“, erzählt Paul Stützel, der heute 80 Jahre alt ist und mit seiner Ehefrau in Nußdorf lebt. Die Hausdurchsuchungen, die immer dann stattfanden, wenn sein Vater inhaftiert war, hat er noch genau vor Augen. „Ich war sieben oder acht Jahre alt und erinnere mich noch so genau, dass ich die SS-Leute, die damals unsere Wohnung durchsucht haben, heute noch zeichnen könnte.“ Immer nachts, wenn alle geschlafen haben, seien sie gekommen, hätten die Familie aus den Betten geworfen und alles durchsucht. Aus Aufzeichnungen seines Vaters geht hervor, dass dieser noch achtmal inhaftiert wurde. Die Zeiträume variierten von einer Woche bis eineinhalb Jahre. „Wir haben nie gewusst, wann er wiederkommt“, sagt der 80-Jährige. Sein Vater sei ein Streiter gewesen, der nie aufgegeben habe, gegen Hitler zu kämpfen. Heinrich Stützel arbeitete als Schneider, war überzeugter Sozialdemokrat und führendes Mitglied der Landauer SPD. Nach der Machtergreifung fand er deshalb keine Arbeit mehr. Daraufhin setzte Stützel als Mitglied des Asselsteiner Kreises die Parteiarbeit im Untergrund fort. Die illegale Gruppe habe sich immer wieder im Pfälzerwald getroffen. Als Treffpunkt diente den Mitgliedern der bei Annweiler gelegene Asselstein. Heinrich Stützel schaffte verbotene Flugblätter, Zeitungen und Zeitschriften über die Grenze. Auch daran erinnert sich sein Sohn: „Er wurde ,Lauf’ genannt, weil er immer wieder durch den Pfälzerwald bis nach Straßburg gelaufen ist, wo Flugblätter gedruckt wurden.“ Den Nationalsozialisten blieb diese illegale Arbeit nicht verborgen. Bis September 1934 habe Heinrich Stützel ungefähr vier Hausdurchsuchungen und fünf bis sechs Verhöre erdulden müssen. Danach wurde er verhaftet und zu zwei Jahren und drei Monaten Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Freilassung stand er erneut unter Polizeiaufsicht und musste weitere Verhöre überstehen. 1939 wurde der Widerstandskämpfer erneut verhaftet – aus staatspolitischen Gründen im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler in München. Insgesamt wurde Heinrich Stützel zirka 40-mal verhört. Immer mit dem Ziel, dass er die Namen von Gesinnungsgenossen verrät. Seine Familie blieb ebenfalls nicht verschont. „Meine beiden älteren Brüder mussten mit 16 und 17 Jahren an der Front kämpfen. Sie haben sie nur wegen meines Vaters eingezogen“, sagt Paul Stützel. Eigentlich sei es nicht üblich gewesen, dass noch nicht Volljährige Kampfeinsätze leisten mussten. Anfang 1945 wurde Stützel zum „Volkssturm“ eingezogen. Als er im Landauer Goethepark Schützengräben ausheben musste, wurde er von der Gestapo abgeführt und in ein Lager gebracht, von wo aus er deportiert werden sollte. Aloys Unold, damaliger Pfarrer der Pfarrei Heilig Kreuz in Landau, habe der Familie die Nachricht überbracht. „Drei Wochen später, als die Amerikaner das Lager befreit hatten, kam mein Vater zurück.“ Landau während oder nach dem Krieg zu verlassen, kam den Stützels nie in den Sinn. „Nach dem Krieg wurde der Ruf meiner Familie in gewisser Weise wiederhergestellt, weil die Besatzungsmacht meinem Vater das Amt des Chefs der Sicherheitspolizei übertrug.“

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