Speyer Tanz auf heißem Asphalt

Der beste Electro-DJ der Welt – das soll DJ Hardwell sein. Vor vier Jahren startete der 28-jährige Holländer seine „United we are“-Tour. Auf dem Hockenheimring, wo normalerweise die Formel 1 residiert, fand die Tour am Samstagabend vor 25.000 Zuschauern ihren Abschluss. Dort traf RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Antonia Kurz einige hartgesottene Hardwell-Fans, Gäste, die Grüße an die Mama schickten, und den Guru selbst.

Die Sonne brennt auf den Asphalt des Hockenheimrings. Es ist heiß. Richtig heiß. Keine schattenspendenden Bäume weit und breit. Wassersprinkler versprühen einen feinen Nebel, der die Haut kurz erfrischt. Giftgrüne Sonnenhüte werden zu Werbezwecken verteilt. Schweißglänzende Häute. Schwarze Sonnenbrillen. Leere Sonnenmilchflaschen am Boden. 500 Milliliter Mineralwasser kosten 3,50 Euro. Der Veranstalter, das BigCityBeats World Club Dome-Festival, dürfte allen Wettergöttern gedankt haben: Bis spät in die Nacht können die Besucher in Bikinis und Badeshorts tanzen, die Arme in die Luft gereckt. Auch wenn die Besucherzahl von 25.000 die Erwartungen der Veranstalter nicht ganz erfüllte. Rückblende: Punkt 17.55 Uhr warte ich im VIP-Bereich des Geländes auf meinen „Fünf-Minuten-Slot“. So viel Zeit wurde mir vom Veranstalter für das Interview mit DJ Hardwell eingeräumt. Vor mir hat ein You-Tube-Star Fragen stellen dürfen, der laut Internet mit „Kartoffelsalat“ den schlechtesten Film der Welt gedreht, aber Millionen von Fans haben soll. Nun ja. Dann bin ich dran. DJ Hardwell, dessen Vermögen 2013 auf 9,5 Millionen Dollar geschätzt wurde, sitzt auf einem weißen Sofa. Er hat ein schwarzes T-Shirt an. Er sieht jung aus, schüchtern vielleicht und wirkt gleichzeitig merkwürdig erwachsen Er erinnert mich ein wenig an einen Technik-Nerd. Hardwell gibt mir die Hand. „Thank you for your time“, sage ich. „No problem.“ Hardwell schaut mich während des ganzen Interviews nicht an. Er konzentriert sich ganz auf die Antworten. Ich hätte die Zuschauer des Festivals wesentlich älter geschätzt. Aber es sind vor allem Schüler, die sich ein Ticket in den Preiskategorien von 19 bis 99 Euro gegönnt haben. 16, 17 Jahre alt sind die meisten. Viele trinken Bier, die Sonne glitzert im Gold in den Bechern. Auf dem T-Shirt von Philipp Schmidt steht „Hardwell“. Die Aufregung in seiner Stimme verrät, wie emotional der 17-Jährige mit seinem Idol verbunden ist: „Ich könnte die Musik einfach den ganzen Tag hören.“ Für Stefan Kraus war es eher eine spontane Entscheidung, zum Hockenheimring zu fahren. Die Hitze, seine Freunde, ihre Jugend, der freie Nachmittag und vielleicht auch das Bier: Übermütig hält Kraus ein Schild in die Kamera – mit den Worten: „Mama mir geht’s gut!“ Wie steht es um die Sicherheit der Gäste? „In unsere Planung sind auch aktuelle Ereignisse mit eingeflossen“, hat mir der Veranstalter mitgeteilt. So sei eine zusätzliche Einlassschneise eingerichtet worden, in der nur Besucher mit Rucksäcken kontrolliert würden. Glücklicherweise verläuft die Veranstaltung friedlich. Um 20.35 Uhr drängen dann auch die letzten verstreuten Festivalbesucher zur Bühne. Der Veranstalter hat mit Hardwell zusammen einiges aufgefahren: Die DJs Dannic, Kill The Buzz und Funkerman im Vorprogramm legen vor drei meterhohen, ineinander übergehenden Dreiecken auf, in denen zwei Videoscreens eingebaut sind. Die Lichtstrahlen riesiger Beamer an den Endpunkten des Geländes kreuzen sich in der Luft über der Menge. Als DJ Hardwell um 20.35 Uhr mit einem Donnergrollen angekündigt wird, werden Nebelfluid und Luftschlangen über die Menge katapultiert. Feuereffekte auf der Kulisse heizen für Sekunden die Luft noch weiter auf. Die Musik ist sehr laut und sehr synthetisch, der Bass dröhnt. Die Texte der Tracks wie „United we are“ oder „Dare you“, aber auch Mashups von Hits wie „Sky full of stars“ haben die Komplexität und das Pathos von Werbeslogans: „Bring out your colors“, „We create, we unite“, „Your tears fall like rain“ beispielsweise. In den Videosequenzen sind schnelle Autos zu sehen. Wen das wundert, hat das Musikgenre nicht verstanden. In einem Artikel beschreibt die Psychologin Andrea Baldemair die Wirkung von Electro. Das Tanzen zu den Beats führe zu Grenzerfahrungen durch Trance und Ekstase. Badelmair nennt es „Schwindelspiele“, die eine zeitweilige Aufhebung des kontrollierten Ich-Bewusstseins auslösten. Das Raum- und Zeitempfinden würde aufgehoben. „Euphorische Lustgefühle und das Empfinden einer Leichtigkeit markieren den gleichförmigen Zustand der Trance. Der losgelöste Körper tanzt automatisch das, was ihm gut tut, was er braucht, um Verspannungen zu lösen und innere Blockaden aufzugeben“, schreibt die Psychologin. Körpereigene Drogen wie Adrenalin und Endorphine würden beim Tanzen ausgeschüttet. Man könnte also auch sagen: DJ Hardwell und Seinesgleichen, die ihren Gästen bis Mitternacht das bieten, was sie möchten und brauchen, haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion.

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