Speyer Stefans Woche: Deich- und Jugendprobleme

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Deichtreter: Brücke statt Brüche

Die Politik arbeitet gern mit symbolträchtigen Bildern, das ist auch im Speyerer Stadtrat nicht anders. Es kann aber auch passieren, dass die Symbolik unfreiwillig zurückschlägt. So geschehen am Donnerstag im Speyerer Rathaus, als die Ratsmitglieder über eine mögliche Brücke vom Industriehof über die Franz-Kirrmeier-Straße hin zum Rhein diskutierten. „Welche Aufgabe hat der Steg, was wartet auf der anderen Seite“, fragte Helmut Stickl von den Grünen die Oberbürgermeisterin. Eine durchaus philosophische Frage, die natürlich anders gemeint war.

Stefanie Seiler (SPD), die offenbar auf alles eine Antwort hat, spielte den Ball zurück: „Es wird keine Brücke ins Nirgendwo oder schlimmstenfalls ins Wasser.“ Gut zu wissen, dass es auf der anderen Seite irgendwie weitergehen soll, ja weitergehen muss und dass dort noch etwas wartet. Das Thema hat einen ernsten Hintergrund: Vom Industriehof aus würden viele Leute die Kirrmeier-Straße Richtung Rhein überqueren und dort dann Schäden am Deich hinterlassen, so die Problembeschreibung im Stadtrat. Idealerweise würde ein Steg gebaut werden, der den unkontrollierten Strom aus Deichausflüglern über Straße und über Deich hin zum dahinter liegenden Fußweg führt.

Damit ist Stickls Frage nach der Aufgabe des Stegs schon mal geklärt. Was dann auf der anderen Seite wartet, ist aber noch offen. Ein dort wohnhafter Friesenjung wird hinterm Deich wohl nicht zu finden sein. Auch das kann ja durchaus eine gute Nachricht sein. Es gehe darum, den „Fußweg unterhalb des Deichs zum Rhein hin zu erschließen“, erklärte Seiler und blieb mit der Formulierung im sicheren Hafen der Vagheit. Das lässt reichlich Raum für Spekulationen: Wird es dort Sitzbänke geben? Meint Seiler gar eine Neugestaltung des Uferbereichs? Eine Aussichtsplattform zum Ausspähen der rechtsrheinischen Seite? Hauptsache man verrennt sich nicht im Nirgendwo.

Jugendwahn: Herz statt Schmerz

Wohl ein Großteil der Menschheit, der nicht mehr in seiner Jugend ist, hat einen romantisch-verklärten Blick auf diesen Abschnitt seines Lebens. Das würde ich jetzt einmal unterstellen. So manch einer zieht auch gern Vergleiche, wenn auch mehr oder weniger privat, und kann über die heutige Jugend deshalb – natürlich – nur den Kopf schütteln. Wenn mal wieder irgendwo ein Baum kaputt geschlagen oder ein Graffiti an die Wand gesprüht wurde (unabhängig davon, ob klar ist, wer der Täter war), dann muss es wohl ein Jugendlicher gewesen sein. Die Meldung in dieser Woche, dass zwei Jugendliche in eine Apotheke eingebrochen sind, indem sie das Schaufenster mit einem Gullydeckel eingeschlagen haben, passt da – leider – ins Bild.

Die Jugend heutzutage, schlimm. Das dachte auch eine Leserin für den Bruchteil einer Sekunde, als sie vor einigen Tagen eine Gruppe von sechs Jugendlichen auf einen Obdachlosen zugehen sah. Dieser saß mit seinem Hund zusammen vor dem Supermarkt in der Maximilianstraße. „Da ist ja schon immer eine große Meute davor und ich habe gedacht, dass die den Obdachlosen anpöbeln wollen“, berichtet sie gegenüber der RHEINPFALZ von ihrem Erlebnis.Die Gruppe sei dann in besagten Markt gestiefelt und wenige Minuten später wieder zurückgekehrt. „Als sie wieder kamen, hatte jeder etwas in der Hand“, sagt die Augenzeugin. Eine Flasche Wasser, eine Brezel, eine Dose Hundefutter. Die Jugendlichen hatten dem Mann offenbar nach seinen Wünschen gefragt und ihm entsprechend ein paar Sachen geschenkt. Die Leserin gesteht: „Augenscheinlich sahen die nicht so aus, als ob die das machen.“

Die Diskrepanz zwischen Realität und einer Art Angst vor dem Verhalten der Jugend hat vor einiger Zeit übrigens der US-Soziologe David Finkelhor von der University of New Hampshire in ein Wort gegossen: Juvenoia, zusammengesetzt aus juvenil und Paranoia. Dazu passt die Nachricht, dass das weiße Pulver, das im Sommer 2022 bei einem Videodreh jugendlicher Rapper aus Ludwigshafen gefunden wurde, kein Amphetamin, sondern zwei Kilo Mehl war. Warum die Analyse ein halbes Jahr gedauert hat, wird ein Geheimnis der Polizei bleiben. Wollten die Beamten womöglich nicht wahrhaben, dass ein paar jugendliche Halbstarke in Wirklichkeit gar keine schlimmen Gangsterbosse sind?

Umso schöner ist es, wenn diese Erwartungshaltung auf positive Art und Weise – wie im Fall des Speyerer Obdachlosen – widerlegt wird. Die Augenzeugin bestätigt: „Er hat sich so gefreut, der hatte den Tag seines Lebens.“

Erdbeben: Hin- statt Wegsehen

Als gäbe es nicht genug Hiobsbotschaften auf der Welt, nun auch noch eine Natur- und humanitäre Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Die Bilder aus dem Erdbebengebiet in Syrien und der Türkei werden lange in Erinnerung bleiben, ähnlich wie die Szenen zerstörter ukrainischer Städte, an die man sich gezwungenermaßen gewöhnt hat, Trotz all der schlechten Nachrichten ist es wichtig und wird es wichtig sein, nicht wegzuschauen und der Erdbeben-Region jede erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen.

Vielerorts, auch im Speyerer Umland, organisieren Privatleute eigene Spendenlieferungen. Auf die denkbar schmerzhafteste Art und Weise verdeutlicht das Ereignis: Warnungen von Wissenschaftlern vor Naturkatastrophen sollten von der Gesellschaft und den Behörden niemals ignoriert werden.

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