Speyer Speyer: „Liller Halle“ überlebt seit 100 Jahren

Herausgeputzt: die „Liller Halle“ heute.
Herausgeputzt: die »Liller Halle« heute.

Sie ist bei Weitem das größte Ausstellungsstück des Technik-Museums Speyer noch vor dem Jumbo-Jet: die 1913 in Lesquin bei Lille in Frankreich für den Transformatoren-Hersteller Thomson-Houston errichtete „Liller Halle“. Das circa 120 Meter lange und 62 Meter breite Gebäude steht nun schon seit 100 Jahren in Speyer: als begehrter Teil des Technik-Museums.

Eine ebenso luftfahrthistorisch bedeutende Stätte als Ausstellungshalle eines Technik-Museums wie die „Liller Halle“ sei in Deutschland eine Seltenheit, sagt Peter Seelinger. Der 69-jährige Landauer war Leiter der Qualitätssicherung bei den Pfalz-Flugzeugwerken (PFW) direkt neben dem Museum und ist Autor von Fachbüchern. „Die Flugwerft Schleißheim des Deutschen Museums in München zählt zu den wenigen weiteren Einrichtungen mit Gebäuden aus den Anfangsjahren der Luftfahrt“, teilt Seelinger mit. Bei den in Speyer von den Brüdern Alfred und Ernst Eversbusch im Juli 1913 gegründeten Pfalz-Flugzeugwerken begann rund ein Jahr darauf die Produktion auf dem Gelände, auf dem sich heute das Technik-Museum befindet, heißt es in der Dokumentation „Geschichte der sogenannten Liller Halle“ der ehemaligen Stadtarchiv-Leiterin Katrin Hopstock. In der Quellenauswertung vom November 1985 schreibt sie, die PFW hätten im Frühjahr 1917 ihren Plan öffentlich gemacht, eine Halle für die Montage von „Riesen-Flugzeugen“ zu errichten. Laut Akten des Bauordnungsamtes Speyer sei zu diesem Zweck durch Soldaten die Fabrikhalle von Thomson-Houston in Lesquin abgebaut und nach Speyer transportiert worden. Luftfahrt-Historiker Seelinger hat im Archiv des Bauordnungsamtes eine Berechnung der Stärke des Fundaments der „Liller Halle“ entdeckt, die vom 3. Juni 1918 datiert. „Der Wiederaufbau der Halle kann also frühestens in dem Monat begonnen haben. Der genaue Beginn und Abschluss der Bauarbeiten sind nicht bekannt. Keiner der Zeitzeugen, die ich in den 80er Jahren befragte, wusste Bescheid“, informiert der Fachmann. Ob in dem Gebäude vor Kriegsende am 11. November 1918 überhaupt noch Flugzeuge gefertigt wurden, sei zweifelhaft. Kaum ein Jahr war die „Liller Halle“ in Speyer, als die französischen Behörden im Juni 1919 von den Deutschen forderten, sie abzubauen und ihrem Eigentümer zurückzugeben. Das ist nach Darstellung Hopstocks in einem Schreiben des Bürgermeisteramts an die Regierung der Pfalz in Neustadt zu lesen. Doch im Juli 1920 änderten die Franzosen ihren Plan: Sie nutzen die „Halle 18“, wie sie das Gebäude nannten, nun selbst für die Demontage von deutschen Flugzeugen. Das Bürgermeisteramt habe sich wiederholt für die Rückgabe der „Liller Halle“ eingesetzt – unter anderem mit dem Hinweis, dass den Vorbesitzern (Thomson-Houston) eine „vollständig neue Halle zurückerstattet“ worden sei. Vergebens. „Erst am 30. September 1926 geht die Liller Halle wieder in den Besitz der deutschen Seite über“, schreibt Seelinger zusammen mit seinem Co-Autor Jürgen Michels in dem Buch „Luftfahrtgeschichte in und um Speyer“. In den Folgejahren sei das Gebäude unterschiedlich genutzt worden, ab Mitte der 1930er-Jahre bis März 1945 von mehreren Flugzeugherstellern, zuletzt von den Flugwerken Saarpfalz (Juli 1937 bis 1945). Die ursprünglichen Pfalz-Flugzeugwerke hatten noch 1918 Konkurs anmelden müssen. Nach Kriegsende war Flugzeugbau in Deutschland verboten. Ihr Nachfolgeunternehmen, die A. G. Pfalz, im Juni 1919 gegründet, betätigte sich unter anderem im Schiffbau. Diese Firma ging 1932 in die Insolvenz. Die „Liller Halle“ überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschadet und wurde dann erneut von den französischen Streitkräften in Anspruch genommen. 1956 wurden die meisten Gebäude auf dem früheren Flugzeugwerk-Gelände abgerissen, um Platz für Kasernenbauten zu schafften. Nur das Kesselhaus, das Verwaltungsgebäude („Wilhelmsbau“) und die „Liller Halle“ blieben verschont. Nach Abzug der französischen Soldaten 1984 zeigte sich der Bundesgrenzschutz an dem Gelände interessiert; 1988 macht er jedoch einen Rückzieher. Wie sich der damalige Oberbürgermeister Werner Schineller (CDU) in „Das große Museumsbuch“ erinnert, war die „Liller Halle“ 1989, als er zusammen mit Eberhard Layher das Grundstück inspizierte, ebenso wie die meisten anderen Gebäude in desolatem Zustand. Der Chef des Sinsheimer Technik-Museums kaufte das Areal dennoch, um dort die Exponate zu zeigen, für die es im Kraichgau keinen Platz mehr gab. Die aufwendige Renovierung begann im August 1990. Am 11. April 1991 wurde das Museum mit der „Liller Halle“, die bis heute die größte Ausstellungshalle auf dem Gelände ist, eröffnet (siehe „Zur Sache“).

Heruntergekommen: die „Liller Halle“ vor der Sanierung Ende der 1980er Jahre.
Heruntergekommen: die »Liller Halle« vor der Sanierung Ende der 1980er Jahre.
x