Speyer Süßes und Akrobatisches

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„Sommer ist, was in Deinem Kopf passiert“: Diese Liedzeile der Wise Guys haben 23 Kinder gestern im Zirkuszelt in der Butenschönstraße begeistert gesungen. Zum Abschluss ihrer fünftägigen Ferien-Freizeit im Projekt „Zirkus macht stark“ beim Kinder- und Jugendzirkus „Bellissima“ sind die Teilnehmer mit sieben Trainern in die Manege gestiegen.

Das Zeltlager neben dem großen Zelt ist fast aufgelöst. Heute Nachmittag geht es für die Acht- bis 17-Jährigen zurück in den familiären Alltag. Auch für die Projektleiter Claudia Vogel und Chris Murawski heißt es somit Abschied nehmen von Kindern, deren Entwicklung ihnen ein Herzensanliegen ist. Alle Freizeitteilnehmer besuchen die Förderschule im Erlich. Manche leben in problematischen Verhältnissen. „Sie sind großartig“, lobt Murawski die Loyalität der Kinder. In der Gewitternacht von Dienstag auf Mittwoch seien sie um 2.30 Uhr aufgestanden und hätten die kleinen Zelte – teilweise aus privaten Beständen, teilweise vom Kinder- und Jugend-Beratungszentrum „Sepia“ ausgeliehen – in Windeseile abgebaut. „Jeder hat beim eiligen Umzug ins große Zelt mit angepackt“, erzählt Murawski. Kaiserschmarrn mit Apfelmus steht heute auf der Speisekarte. Das Essen sei von der Erlich-Schulküche angeliefert worden, sagt Vogel. Michaela und Sabine, zwei Zirkus-Küchenfeen, hätten die tägliche Verkostung der 30 Freizeit-Teilnehmer unterstützt. Fürs Waschen, Aufräumen und Putzen der Zirkuscamp-Küche fühlt sich Justin verantwortlich. „Ich mag es, wenn es blinkt“, sagt der 15-Jährige. Trotz Fußverletzung hat er erstmals in seinem Leben mit Bällen jongliert und von Trainer Ahmat gelernt, was es mit „Kung Fu“ auf sich hat. „Hier lerne ich mehr Deutsch als in jedem Sprachkurs“, ist der syrische Trainer sicher, den alle Kinder „Opa“ nennen. Ahmat ist 25 Jahre alt ... Abends habe es „Süßigkeiten aus der Schnuggelbude“ gegeben, erzählt Nina von ihrem persönlichen Glanzlicht. Für David bestand die Freizeit überwiegend aus „Mädchen-Chaos“. Gemeinsam mit Sascha hat der 15-Jährige am Disco-Donnerstag als DJ gewirkt. „Wir haben weniger trainiert und mehr geschwitzt“, sagt Vogel. Ausflüge ins Schwimmbad und nach Weinsheim hätten besser zu den Temperaturen gepasst als Akrobatik im heißen Zirkuszelt. Busse hätten die Erlich-Schulleiter Peter Schmid und Jürgen Schall organisiert. In fünfmal 24 Stunden seien Kinder sowie Trainer zusammengewachsen, erklärt Vogel die familiäre Stimmung. In einer Stunde sollen die Eltern eintreffen. Nicht alle werden aber dabei sein, wenn es heißt: „Manege frei“. In nur zwei Tagen hätten sie das Programm eingeübt und im Stundentakt riesige Fortschritte gemacht, betont Murawski. Leah (10) hat ihre Vorliebe für das Trapez entdeckt. Begeistert schaukelt sie darauf. Gerne hätte sie ihrer Mutter gezeigt, was sie gelernt hat. „Aber meine Mama kann nicht kommen“, sagt sie. Auch Justins Mutter sieht nicht, wie geschickt ihr Sohn Jonglage beherrscht. Alexander freut sich über den Besuch von Eltern und Schwester. „Alles hat mir gefallen“, so der Elfjährige. „Aber am meisten der Tanz mit Claudi.“ So dürfen die Kinder Erlichschul-Lehrerin Vogel in der Ferienfreizeit nennen. „Nach den Ferien ist sie wieder Frau Vogel“, erklärt Jana (16), während Murawski ihren Fuß wickelt. „Ich bin schlecht aufgekommen“, sagt sie. Ihre Bodenakrobatik leidet nicht darunter. Nachdem sie den Beifall ausgekostet haben, wird es ernst: Abschiedstränen fließen, Freudentränen beim Anblick der Eltern auch. „Können wir nicht länger bleiben? Wenigstens bis Sonntag“, fleht Alexander. Noch eine Umarmung, dann geht es auch für ihn nach Hause. Die Kinder, die niemand abholt, bringt Murawski heim.

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