Speyer Neue Blicke auf eine alltägliche Wirklichkeit

In Gerhard Fuchs’ Arbeiten steckt Witz. Dabei hat vieles auch eine pointiert politische Aussage. In der Speyerer Galerie Ehemaliges reformiertes Schulhaus zeigt der Künstler von der heutigen „Kult(o)urnacht“ an grafisch bearbeitete Fotos als „Foto-Decollagen“ und dreidimensionale Objekte.

Gleich am Anfang der Ausstellung hat der Speyerer die politischsten Arbeiten positioniert: Für seine Kritik am geplanten Freihandelsabkommen TTIP hat er sich das alte Logo der Rote Armee Fraktion (RAF) mit Schusswaffe über dem Stern ausgeborgt. Allerdings besteht der aus Goldbarren als Symbol des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Zur Waffe passt eine Zielscheibe mitten im Sternenkreis der Vereinten Nationen. Daneben stützt sich eine Rokoko-Figur aus dem Schwetzinger Schlosspark auf ein Fass mit radioaktivem Abfall und fragt sich: „Wohin damit?“ Die andern „Decollagen“ zeigen reizvoll neue Blicke auf eine alltägliche Wirklichkeit. Fuchs setzt in Fotos von Oberflächen und Wände, die schon durch verschiedenfarbige Bemalungen, abgefallenen Putz oder Graffiti ästhetisch interessant wirken, seine grafischen Ritzungen, die die Fläche dahinter freilegen. Das Herausgeritzte entfernt er mittlerweile nicht mehr, sondern lässt es etwas herunterhängen oder sich unten am Bild sammeln. So wird etwa aus dem Foto einer Steinwand mit einem Baum davor der Baum sorgfältig herausgeschnitten und hängt nun wie gefallenes Laub am Boden. Die Metallkette um einen bemoosten Baum verlängert sich, indem sie herausgeschnitten herunter hängt. In anderen Bildern wird das unabsichtliche grafische „Design“ des Hintergrunds absichtlich weitergeführt, etwa über ein geparktes Auto hinweg. Eine Treppe „übersteigt“ das Haus, oder die Tischtücher einer Gasthausterrasse am Meer setzen sich wie schwimmend im Wasser fort. Che Guevara erwächst als Decollage mit Mickymaus-Ohren einer Wand, in der durch abgefallenen Putz der Schatten von Karl Marx entstanden ist. Metallener Untergrund einiger Bilder lässt das Ausgeritzte besonders lebendig schimmern. Die Installationen, die alle ein wenig wie futuristische Objekte wirken, lassen raten: Bei „Grilloholic I – III“ besteht das Zentrum aus halbkugeligen Gartengrills, aber was noch? Ein Stück „Flotte Lotte“, ein halber Reiskocher, Blumenväschen, Einfüllstutzen vom Benzinkanister, Staubsaugerschlauch, alles quietschbunt aus der Fabrik – der Alltag kann ästhetisch aufregend sein. Ausstellung Zu sehen in der Galerie Ehemaliges reformiertes Schulhaus in Speyer, vom 20. Mai bis zum 5. Juni, freitags bis sonntags, 14 bis 18 Uhr. Zur Eröffnung heute, 20.30 Uhr, spricht die Kunsthistorikerin Eva-Maria Urban (Musik: Duo Tufftones).

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