Speyer Nachwehen des Frankfurter Branchentreffs

Die Frankfurter Buchmesse schlägt sich nieder: Bodo Kirchhoffs in Frankfurt mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneter Roman „Widerfahrnis“ hat sich neben Harry Potter und dem ersten Band von Elena Ferrantes Neapel-Serie einen festen Platz in den aktuellen Bestsellerlisten der Speyerer Buchhandlungen gesichert.

„Widerfahrnis“ erzählt die Geschichte einer gemeinsamen Reise des ehemaligen Kleinverlegers Reither und der langjährigen Hutverkäuferin Leonie Palm (wir berichteten ausführlich im überregionalen Kulturteil vom 17. Oktober). Beide sind mit ihren Berufen aus der Zeit gefallen. Gemeinsam unternehmen sie einen spontanen Road-Trip nach Sizilien. Kirchhoff, der in Frankfurt und am Gardasee lebt, spielt mit den literarischen Motiven des (deutschen) Nordens und (italienischen) Südens. Kreativ denkt er sie weiter: So gönnt er seinen Lesern die Begegnung mit liebenswert skurrilen Charakteren. Vor dem schmerzhaften Einbruch der Außenwelt verschont Kirchhoff aber weder Publikum noch Hauptfiguren. Seine Parabel über das Glücklichsein in der Gegenwart ist damit ein sehr europäischer Entwurf. Der Roman zieht rasant in den bittersüßen Strudel von Leonies und Reithers Reise. Sie begreifen, dass ihnen in der modernen, organisierten Gesellschaft spontane Lebendigkeit nicht ohne weiteres zugestanden wird und sie vielmehr darum kämpfen müssen. Auch Jonathan Safran Foer überlegt, warum und wie einem das sicher geglaubte Glück von einem Tag auf den anderen abhanden kommt. Passend zu Kirchhoffs „Widerfahrnis“ ist Foers Buch „Hier bin ich“ eine alternative literarische Erörterung dieser existenziellen Fragen. Der Roman erzählt davon, wie das familiäre Zuhause von Julia und Jacob Bloch in New York zerbricht – parallel zu einer schwerwiegenden ökologischen und politischen Krise im Nahen Osten. Julia und Jacob sind Anfang 40, verheiratet, haben drei Kinder und lieben sich. Jacob begeht allerdings einen Fehler, der es beiden unmöglich macht, ihr gemeinsames Leben fortzusetzen, und sie zu einer Entscheidung zwingt. Er verrät ihre Beziehung an den bürgerlichen und beruflichen Alltag und an ihr New Yorker Umfeld. Lebensnah, eindringlich, mit großer Beobachtungsgabe für die Lebenswelt jüdischstämmiger New Yorker und nicht ohne Humor erzählt Foer von der Dramatik des Verlusts und der Suche nach einem echten Zuhause. Inspiration für diesen Roman fand Foer im Buch Genesis des Alten Testaments: „Hier bin ich“, sagt Abraham an Gott, als dieser ihn auffordert, seinen Sohn Isaak zu opfern. Es sind gleichzeitig die Worte, die Abraham zu Isaak spricht, als er seinem Sohn versichert, für ihn da zu sein. Auch im Roman „Hier bin ich“ geht es um die Brutalität einer Entscheidung, bei der die Entscheider immer auch Verräter sind. „Hier bin ich“ ist Foers erster Roman nach dem Weltbestseller „Extrem laut und unglaublich nah“. Schon einen Monat nach seinem Erscheinen auf Englisch ist er in deutscher Übersetzung von Henning Ahrens erhältlich.

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