Speyer Menschliche Dramen in Krieg und Frieden

Ralf Rothmanns Kriegsroman „Im Frühling sterben“ und Harper Lees Gesellschaftsroman „Gehe hin, stelle einen Wächter“ sind neu und erfolgreich in den aktuellen Bestsellerlisten der Speyerer Buchhandlungen. Nicht gerade traditionell leichte Sommerlektüre für die heißen Tage: An diesen Romanen müssen die Leser arbeiten.

Rothmann spitzt einen größeren Zusammenhang auf ein menschliches Drama zu: Der junge Walter wird gezwungen, seinen besten Freund Fiete zu erschießen. Die beiden Melker aus Norddeutschland befinden sind an der Front in Ungarn gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Bis zu seinem Tod ist Walter von diesem Moment traumatisiert. Durch die Beschreibung alltäglicher Brutalität, wie das Essen blutiger Brote aus den Taschen gefallener Soldaten, führt Rothmann zum Moment der Erschießung des Freundes hin. Seine plastische, detailgetreue Erzählweise zeichnet den furchtbaren Wandel vom ländlichen Norddeutschland zum Kriegsalltag nach. Die Leser erleben, wie an der Front das menschliche Drama entsteht. Nelle Harper Lees Roman „Gehe hin, stelle einen Wächter“ bereitet nicht nur Freude, sondern manchen auch Unbehagen. Denn die Ergänzung zu „Wer die Nachtigall stört“ rüttelt an der Vorbildfunktion und moralischen Integrität der vielgeliebten Anwaltsfigur Atticus Finch. Durch die Verteidigung eines Schwarzen, den eine weiße Frau im US-Bundesstaat Alabama der Vergewaltigung bezichtigt, war die Figur als Kämpfer für Gerechtigkeit und gegen Rassismus in die amerikanische Literaturgeschichte eingegangen. Im neuen Roman, der 20 Jahre danach spielt, taucht Finch jedoch als konservativer Mann auf, der durchaus zu rassistischen Aussagen bereit ist und Treffen des Ku-Klux-Klans beiwohnt. Das Porträt des gerechtigkeitsliebenden Anwalts in „Wer die Nachtigall stört“ gewinnt damit noch einmal stärker an Bedeutung: Es zeigt deutlich Harper Lees Enttäuschung über die Entwicklung in ihrer Heimat.

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