Speyer „Lebenserfahrung ist relativ“

Herr Haller, wen erreicht man im Kreishaus unter der Durchwahl 351?

Die 351? Hmm? Tja, wen erreicht man da? (denkt nach) Ich habe hier einen großen Zettel. Also wenn es der Landrat sein sollte ...? Nö, es ist Ihre Durchwahl Ach ja! Da sehen Sie, ich rufe mich selten selbst an. Woher soll ich das dann wissen? Dafür habe ich ja diese Kärtchen (legt eine Visitenkarte auf den Schreibtisch und schaut drauf). Stimmt, das ist meine. Tatsache. Wer hebt denn ab, wenn Sie nicht da sind? Frau Schelb hebt ab. Das heißt, Frau Schelb hat einen harten Job? Och, es geht. Es kommt drauf an, was gerade los ist. Also jetzt über die Ferien war es nicht so viel. Am Anfang, als ich das Büro im Kreishaus bezogen habe, hat es eine Weile gedauert, bis hier alles lief. Die EDV, mein Kalender funktionierten. Da hatte Frau Schelb sicher mehr Arbeit. Ich bin jedenfalls dankbar, dass ich sie habe. Sie hat natürlich meine Handynummer und kann mich jederzeit erreichen. Ich dachte bei meiner Frage eher daran, dass Frau Schelb oft Ihr Telefon übernehmen muss – bei Ihrem Programm: in Mainz Landtagsabgeordneter, im Kreis Erster Beigeordneter. Sie sitzen außerdem im Rat der Verbandsgemeinde Lambsheim-Heßheim, im Ortsgemeinderat Lambsheim. Und Student sind Sie, glaube ich, auch noch? Nein, Student bin ich nicht mehr. Das Kapitel ist abgeschlossen. Gerade habe ich meine Bachelor-Arbeit abgegeben. Das ist aber alles noch ganz frisch. Okay – aber auch ohne Studium werden Sie genug zu tun haben. Wenn man Ihr Programm als Politiker betrachtet ... Ja, es ist schon sehr fordernd. Es verdient alles seine Aufmerksamkeit. Allerdings habe ich auch, bevor ich dieses Ehrenamt angenommen habe, mich intensiv damit beschäftigt, wie das zeitlich alles klappt. Und ich habe auch Abstriche gemacht. Zum Beispiel die Enquete-Kommission „Mehr Bürgerbeteiligung für eine starke Demokratie“, in der ich sitze, läuft aus. Und zum Jahreswechsel werde ich den Umweltausschuss verlassen. Wie oft werden Sie hier sein? Dreimal die Woche werde ich im Kreishaus sein. Dazu kommen Auswärtstermine, die ich ja aber auch als Landtagsabgeordneter teilweise schon wahrgenommen habe. Es ist jetzt jedenfalls nicht so, dass man sich vorstellen muss, da kommt eine unüberwindbare Terminflut auf mich zu. Dann muss man sagen, ich habe hier zwei sehr gut aufgestellte Abteilungen. Zwei hervorragende Abteilungsleiter. Und in der kurzen Zeit, in der ich das jetzt mache, durfte ich erleben, dass die Mitarbeiter wirklich mehr geben, als sie müssten. Sie zeigen ein unglaublich großes Engagement. Anders geht es auch bei den Themen gar nicht ... Bleiben wir bei Ihrem Einsatz. Sie werden also dreimal die Woche hier sein. Volle Tage? Nein. Montag ist ein voller Tag, mittwochs schaue ich meistens nach der Fraktionssitzung rein, gucke, was an Post gekommen ist. Und freitags bin ich meistens da. So planbar sind Terminkalender aber nie, dass man sagen kann, es klappt jede Woche auf jeden Fall dreimal. Das ist ja ganz logisch. Genauso klar ist, dass ich jeden Tag da bin, wenn ich Vertretung für den Landrat mache. Haben Sie Angst, mit Rosemarie Patzelt (FWG), Ihrer Vorgängerin, verglichen zu werden? Sie war vier Tage in der Woche im Einsatz – als ehrenamtliche Beigeordnete ... Nein, da scheue ich überhaupt nicht den Vergleich. Frau Patzelt war eine unglaublich engagierte Person, die ich persönlich sehr schätze. Wir stehen auch in einem engen Kontakt. Sie war jetzt auch schon mal bei einem Termin in Limburgerhof mit dabei. Und ich bin froh, dass sie mir zugesichert hat, dass, wenn ich Fragen habe, sie mir mit Rat und Tat zu Seite steht. Insofern scheue ich den Vergleich nicht. Dass ich das zeitliche Engagement in dieser Weise natürlich nicht bringen kann ... aber es ist ein Ehrenamt. Da erinnere ich auch noch mal dran: Ich bin kein hauptamtlicher Beigeordneter. Knapp 170 Millionen Euro umfasst der Kreishaushalt. Auf 113 Millionen Euro belaufen sich allein die Sozialausgaben. Heißt: Ihr Fachbereich macht den größten Teil des Kreishaushalts aus. Damit müssen Sie große Verantwortung übernehmen. Geht das nebenbei und ehrenamtlich? Ja, sonst hätte der Kreistag die Entscheidung wohl nicht getroffen, diesen Fachbereich ehrenamtlich zu führen. Der Bereich ist ja eigentlich schon immer ehrenamtlich. Das ist ja jetzt keine Neuerung. Haben Sie dazu eine eigene Einschätzung? Natürlich ist es eine Aufgabe, die viel Aufmerksamkeit erfordert. Aber es ist natürlich zu schaffen, sonst hätte man es so nicht gemacht. Ganz nebenbei gibt es viele Landtagsabgeordnete, die gleichzeitig Bürgermeister, Beigeordnete oder sonst irgendwas sind. Interessant finde ich die Diskussion vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass es auch Abgeordnete gibt, die nebenbei berufstätig sind. Ich investiere meine Zeit als Politiker voll für die Allgemeinheit und muss mich dann im Zweifelsfall noch mehr dafür rechtfertigen, als Politiker, die nebenher dreimal die Woche arbeiten gehen, in der Kanzlei sitzen und in ihre eigene Tasche wirtschaften. Sie kümmern sich jetzt um das Thema Asyl, problematische Familien fallen ebenfalls in Ihren Fachbereich. Haben Sie dafür genug Lebenserfahrung? Sie sind 2006 quasi aus dem Hörsaal in den Landtag gezogen, mit 22 Jahren, drei Jahre nach dem Abitur … (seufzt) Na ja, ich bin jetzt 31 Jahre alt. Und Lebenserfahrung ist immer relativ. Ich glaube, es gibt Leute, die sind im hohen Rentenalter und haben vergleichsweise wenig Lebenserfahrung. Und es gibt junge Menschen, die bereits viel erlebt haben. Ich glaube, das Entscheidende ist, dass man das, was man macht, mit voller Energie angeht. Mir ist zum Beispiel wichtig, auch mal mit den Betroffenen zu sprechen, mal in den Asylunterkünften unterwegs zu sein. Da bekommt man ganz hervorragende Eindrücke. Klingen Sie jetzt etwa leicht verschnupft? Na ja, ich bin einfach mal gespannt, wann ich nicht mehr gefragt werde, ob ich für irgendwas zu unerfahren bin. Es ist in unserer Demokratie nun mal vorgesehen, dass auch junge Menschen Verantwortung übernehmen, wenn sie die demokratisch zugebilligt bekommen. Was war Ihr Berufswunsch, bevor das mit der Politik losging? Ich wollte Pfarrer werden. Denken Sie noch manchmal dran? Ja, ich denke da relativ oft dran. Weil, man kommt als Politiker mit vielen Dingen in Kontakt, mit denen man als Pfarrer auch in Kontakt gekommen wäre. Ein ganz gravierender Unterschied ist, dass sich der Pfarrer auf der Beliebtheitsskala weit oben bewegt und der Politiker ganz weit unten. Wollen Sie in drei Jahren Landrat werden? Ich glaube, dass Landrat eine unglaublich tolle Aufgabe ist. Man merkt es unserem Landrat ja an, dass die Aufgabe ihm viel Freude macht. Ich will 2016 noch mal für den Landtag kandidieren. Und über alles andere entscheidet die Partei ...

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