Speyer Kleider holen und Kicken

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281 Flüchtlinge, davon rund 100 Kinder und Jugendliche, waren bis gestern in die vorige Woche eröffnete Erstaufnahmeeinrichtung in der Kurpfalzkaserne einquartiert. Die Verantwortlichen haben die Räumlichkeiten und ihr Konzept vorgestellt. Die Lage sei entspannt, sagen sie – zumal ein Betten-Engpass den Ausbau stocken lässt.

„Everything fine her, nice people.“ Alles gut hier, Leute nett. Die drei jungen Pakistaner, die im Eingangsbereich der neuen Aufnahmestelle für Asylsuchende (AfA) stehen, bringen auf den Punkt, dass es dort ganz gut gelungen sein muss, binnen einer knappen Woche Quartiere für – Stand gestern – 281 Flüchtlinge, darunter 100 Minderjährige, zu schaffen. Über Griechenland sowie Ungarn seien sie zu Fuß und mit dem Zug in Land gekommen, sagen die Männer, wann und wo sie die Grenze passierten, wissen sie nicht mehr. „Aber jetzt sind wir hier.“ Familien spielen auf den Wiesen, mehrere Fußballgruppen sind zusammengekommen, Warteschlangen gibt es im Bereich der Kleiderkammer. Auch die Verantwortlichen für den Betrieb der bislang auf drei Gebäude und das alte Bundeswehrkasino konzentrierten AfA sagen, dass alles gut angelaufen ist. Es dauert allerdings etwas länger bei der ersten gemeinsamen Pressekonferenz, da es einerseits etliche Beteiligte gibt, und andererseits auch über die eine oder andere Schwierigkeit berichtet werden muss. „Es war ein Kraftakt“, sagt Jürgen Buchholz, der neben seinem Job als Chef der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken die AfA-Leitung übernommen hat. „Im Hintergrund steuern wir die Logistik“, so Oliver Nagel-Schwab, Leiter vor Ort für das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Aktuell wird eine Waschmaschinen-Lieferung ersehnt, parallel geht es etwa um Telefon- und Internetanschlüsse für die Verwaltung und vor allem um Betten und Matratzen. Mit drei Schlafgelegenheiten sind viele der geräumten Bundeswehr-Stuben schon ausgestattet. Mal aus Stahl, mal aus Holz sind die Betten. Matratzen gibt es noch nicht für alle. Vom Frauengefängnis Zweibrücken habe er die Holzrahmen organisiert, so Buchholz. Andere Betten kämen aus den USA. Weitere Bestellungen laufen über den Landesverband des DRK. Sobald Speyer vermelde, dass neue Schlafgelegenheiten da seien, setze das Land Busse mit Flüchtlingen in Bewegung. 281 Leute, vor allem aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und Somalia, waren gestern in der AfA einquartiert, bis zu 700 sollen es laut Buchholz werden. „Wie es weitergeht, werden die Fallzahlen zeigen“, betont Eveline Dziendziol als Vertreterin der Landesregierung. Zwei Dinge werden von allen gelobt: die Hilfsbereitschaft von außen, von DRK-Ehrenamtlichen und auch von Flüchtlingen untereinander sowie die Weitläufigkeit der Ex-Kaserne. „Das sind ideale Verhältnisse im Vergleich zu Zeltstädten“, sagt Klaus-Peter Wresch, Vorsitzender des DRK Speyer. Das trage sicher auch dazu bei, dass man die Gebäude bislang nicht nach Nationen getrennt belegen müsse, sagt AfA-Leiter Buchholz. Er plane eine Beteiligung der Bewohner über die Wahl von Sprechern für einzelne Sprachgruppen. Konflikte in der AfA habe es bislang nicht gegeben, sagt Buchholz, der die Essensverteilung wie etwa auch den Journalistenbesuch von einem Sicherheitsdienst begleiten lässt. „Die Polizei ist ziemlich entspannt“, betont er. Die Speyerer Polizeiinspektion sieht derzeit auch von außen keine besondere Gefährdungssituation. Dass jetzt in Otterstadt und in Speyer-Nord Flugblätter rechtsgerichteter Gruppen gegen die Unterkunft verteilt worden sind, sei zu erwarten gewesen. Das Rote Kreuz plane die Einstellung von 20 Hauptamtlichen für den AfA-Betrieb, kündigt Willi Dörfler, Chef des Kreisverbands Vorderpfalz, an. Sozialdienst und Kinderbetreuung seien zwei Bereiche, die aufgebaut würden. Ein Kinderspielzimmer gebe es schon, es solle aber verlagert werden. 25 Kräfte seien im Durchschnitt im Einsatz, 45 bei Zuweisungen. Wenn Neue gebracht werden, kommt Wresch mit seinem Speyerer Ärzteteam ins Spiel: Je vier Mediziner hätten bereitgestanden, um alle Bewohner zu untersuchen. Eine Struktur für eine hausärztliche Versorgung werde mit lokalen Medizinern aufgebaut. Erschöpft seien alle Flüchtlinge, einige zudem erkältet. Andere hätten Wunden oder parasitäre Erkrankungen, gerade Kinder seien traumatisiert. Drei seien ins Krankenhaus gebracht worden, darunter eine fünffache Mutter mit Komplikationen bei einer Schwangerschaft. „Man sieht in den Gesichtern, dass viele Schweres erlebt haben“, sagt AfA-Leiter Buchholz. Profan sind hingegen die Probleme der drei Flüchtlinge vor der Kaserne: „Wo kann man hier einkaufen?“ Und: „Was kostet es, mit dem Bus dorthin zu fahren?“ (pse/kya)

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