Speyer Intensive Kirchenmusik

Die Türme Speyerer Kirchen im Abendrot: „O schöne Zeit! O Abendstunde!“, so heißt es in Picanders Text zu einem Bass-Solo in der
Die Türme Speyerer Kirchen im Abendrot: »O schöne Zeit! O Abendstunde!«, so heißt es in Picanders Text zu einem Bass-Solo in der Matthäus-Passion von Bach.

Auch an Karfreitag und an den Osterfeiertagen blüht die Musik in den Kirchen beider Konfessionen in der Stadt. Es gibt dazu die Chance, Musiker, die oder das hier gerade bei Bachs Passionen aufgetreten sind, in der Nähe oder auf Tonträger erneut mit Musik des Thomaskantors zu hören.

Nicht nur am vergangenen Wochenende mit den beiden Passionen von Bach war das kirchenmusikalische Leben in Speyer in dieser Passionszeit wieder sehr intensiv und fast schon wieder auf dem Stand von vor der Pandemie. Es gab eine Reihe von Geistlichen Abendmusiken in den evangelischen Kirchen und im Dom wieder die Reihe Cantate Domino. Auch der Motettenchor hatte ein Passionskonzert angesetzt – und in St. Otto gab PalatinaKlassik ein Friedenskonzert. Und weitere Konzerte und musikalisch gestaltete Gottesdienste gibt es nun an Karfreitag und Ostern.

In der Gedächtniskirche

Beim Karfreitagsgottesdienst am 15. April in der Gedächtniskirche singt um 10 Uhr der Chor der Diakonissen Liedsätze von Passionsliedern aus alter und neuer Zeit. Die Leitung hat Kantorin Ruth Zimbelmann, den Gottesdienst hält Dekan Jäckle, Robert Sattelberger spielt an der Chororgel.

Am Abend um 18 Uhr spielt Robert Sattelberger an der großen Kleuker-Orgel ein Orgelkonzert mit Werken von Bach und Jehan Alain, darunter dessen größtes und letztes Werk, die „Drei Tänze“ von 1940. Von Bach erklingen Phantasie und Fuge g-moll (mit Bezügen zur Johannespassion), die Passacaglia c-moll (Bezüge zum Karfreitagspsalm 22) und am Schluss Präludium und Fuge e-moll (mit Bezügen zur Matthäuspassion), das Stück, das der Organist Karl Straube als die erste Orgelsymphonie der Musikgeschichte bezeichnet hat. Der Eintritt ist frei, eine Spende erbeten.

In der Osternacht um 21 Uhr singt eine kleine Choralschola Gesänge aus Taizé und Osterlieder, Robert Sattelberger spielt Orgel, Dekan Jäckle hält die Liturgie.

Beim Ostersonntagsgottesdienst um 10 Uhr mit Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst erklingt die Osterkantate „Heut triumphieret Gottes Sohn“ von Dieterich Buxtehude. Dieses famose Werk ist mit Pauken und Trompeten, einem Streicherensemble, Vokalsolisten und Chor besetzt. Das selten aufgeführte Stück ist eine kleine Kostbarkeit, das „Halleluja“ am Schluß wird gerne als das bedeutendste vor dem Händelschen Halleluja bezeichnet. Es musiziert ein Barockensemble auf historischen Instrumenten, es singen Martina Jutz (Sopran), Felix Cantzler (Altus) und die Speyerer Kantorei unter Robert Sattelberger.

Im Dom

Im Dom singen heute um 19.30 Uhr in der Messe vom letzten Abendmahl der Konzertchor des Mädchenchores und Männerstimmen der Domsingknaben unter anderem Hans Leo Hasslers Missa secunda. Am Karfreitag singen um 10 Uhr in der Kreuzwegandacht für Kinder die Nachwuchs- und Aufbauchöre des Mädchenchores und der Domsingknaben. In der Karfreitagsliturgie wirken Domchor, Konzertchor des Mädchenchores und Männerstimmen der Domsingknaben mit. Neben Musik von Bruckner, Ludovico da Vittoria, Felix Mendelssohn Bartholdy und Georgios Bardosda erklingt von Heinrich Schütz die Johannespassion.

Diese war ja schon in einem Konzert der Reihe Cantate Domino vorgesehen gewesen, dass dann aber wegen Erkrankung von Mitwirkenden abgesagt werden musste. Aber dennoch war die Reihe in der Fastenzeit in sehr schöner und musikalisch hochkarätiger Einstieg in das Heinrich-Schütz-Jahr zum 350. Todestag des „Vaters der deutschen Musik“ (1585-1672). Das wurde bei letzten Konzert noch einmal deutlich beim Vortrag der fünf Motetten zur Passion SWV 56-60 aus der Sammlung „Cantiones sacrae“ und der „Die Sieben Worte Christi am Kreuze“ SWV 478, einem 20-minütigen Passionsstück von bestechender Klarheit und Beredsamkeit. Die Capella Spirensis und das Ensemble „Musiche Varie“ waren unter der Leitung von Domkantor Joachim Weller hier die absolut stilsicheren Interpreten. Einer der wichtigen Entdecker und Editoren Alter Musik war niemand Geringeres als Johannes Brahms. Vor einigen Jahren war bei den Dommusiktagen Brahms’ Deutsches Requiem mit den Musikalischen Exequien von Schütz überaus sinnfällig verknüpft worden. Nun wurden zum 125. Todestag des Hamburgers Brahms und Schütz wieder in Beziehung gesetzt. Domorganist Markus Eichenlaub spielte in zwei klug angelegten Blöcken jeweils ein Präludium, ein Choralvorspiel und eine Fuge von Brahms, jeweils zeigend, wie sich alter Stil und romantischer Ton hier mischen.

Victimae paschali laudes

Am Samstag um in der Feier der Osternacht gibt es mit denselben Chören auch Musik von Schütz, daneben von Palestrina, Melchior Vulpius oder Giovanni Croce. Am Ostersonntag, 17. April, um 10 Uhr musizieren im Pontifikalamt die Nachwuchs- und Aufbauchöre des Mädchenchores und der Domsingknaben und die Dombläser. Neben Christian M. Heiß’ Missa „Fidem cantemus“ wird von Wipo von Burgund das mit Speyer eng verbundene Victimae paschali laudes gesungen. Um 16.30 Uhr ist in der Pontifikalvesper unter anderem mit einem

Vokalensemble der Dommusik von Heinrich Schütz dessen Deutsches Magnificat SWV 426 zu hören.

An Ostermontag, 18. April, um 10 Uhr singt im Pontifikalamt der Domchor von Johann Georg Albrechtsberger die Missa in D und wieder Wipo von Burgunds Victimae paschali laudes.

Nachklang

Nicht wenige der Solisten, die bei den beiden Passionsaufführungen am Wochenende Zeichen setzen, sind in Kürze wieder in gar nicht so weiter Entfernung wieder zu erleben. So singt der Tenor Daniel Schreiber, der in Matthäus-Passion die Arien sang, am Karfreitag in der Karlsruher Christuskirche bei der Johannes-Passion zu hören (https://www.christuskirche-karlsruhe.de/musik-an-der-christuskirche/). Beim festlichen Kantatengottesdienst am Ostersonntag erklingt dort die virtuose Bach-Kantate BWV 31 „Der Himmel lacht, die Erde jubilieret“. Dieser Gottesdienst wird live bei YouTube übertragen. Peter Gortner, der Kantor dort, arbeitet auch viel mit der Dommusik zusammen.

Umgekehrt wird Fabian Kelly, der in Speyer Evangelist in der Johannes-Passion war, heute in der Frankfurter Heiliggeistkirche und morgen in der Mainzer Christuskirche in der Matthäus-Passion singen (www.bachchormainz.de). Ralf Otto dirigiert dabei Bachchor und -orchester Mainz. Auf der CD-Einspielung der Matthäus-Passion mit diesen Interpreten ist übrigens dasselbe Duo Evangelist-Christus wie am Sonntag in Speyer: Georg Poplutz und Matthias Winckhler. Winckhler ist auch der vorzügliche Bariton-Solist in der neu erschienen und sehr eindrucksvollen Aufnahme des Deutschen Requiems von Brahms, bei der Otto neben dem Bachchor die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern dirigiert (beide Aufnahmen sind bei Naxos erschienen).

Im Herbst soll dann auch der Bach-Zyklus mit der h-moll-Messe vervollständigt werden, wie Ralf Otto im Gespräch mit der RHEINPFALZ sagte. Bei den Konzerten in Frankfurt, Mainz und Bad Urach werden wieder Georg Poplutz und Matthias Winckhler dabei sein.

Im November kommen dann der Bachchor Mainz und Ralf Otto auch in die Pfalz und führen in Ludwigshafen und Kaiserslautern das Requiem von Giuseppe Verdi. Es spielt die Deutsche Staatsphilharmonie.

Christus am Ölberge

Staatsphilharmonie ist ein gutes Stichwort: Bei deren Musikfest im Juli in Speyer ist der Speyerer Domchor wieder dabei. Als eine Passion mal ganz anderer Art wird Beethovens Oratorium „Christus am Ölberge“ zu erleben sein (www.staatsphilharmonie.de).

Zum Schluss noch ein Hinweis auf gewisserweise eine Art Fortsetzung der Passionen in Speyer rechts des Rheins: beim Heidelberger Frühling erklingen am 22. April um 19.30 Uhr in der Jesuitenkirche Oster- und Himmelfahrtsoratorium von Bach (www.heidelberger-frühling.de). Markus Uhl dirigiert. Es singen gute Bekannte: Hanna Zumsande, Sopran, Franz Vitzthum, Altus, Georg Poplutz Tenor, und Klaus Mertens, Bass. Und es spielt L’arpa festante.

Cantate Domino im Dom: Domkantor Joachim Weller leitet die Capella Spirensis und das Ensemble „Musiche Varie“.
Cantate Domino im Dom: Domkantor Joachim Weller leitet die Capella Spirensis und das Ensemble »Musiche Varie«.
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