Speyer Immer hart an der Kante entlang

Bei einem Saumagen-Abend hatten sich die Fernsehmoderatorin Judith Kauffmann und das Duo Radikal zuletzt getroffen. In der Reihe „Klangbilder im Purrmann-Haus“ haben sie am Donnerstag einen unterhaltsamen Abend lustig, volksnah und mit schrillen Tönen garniert.

Sehr persönliche Erinnerungen an ihre eigene Familie verband die Speyererin mit der Betrachtung zweier Bilder. Hans Purrmanns „Sitzender Akt“ von einer polnischen Kunstreiterin gehörte dazu. Kauffmann machte auf die grünen Farbbeimengungen in der hellen Körperfarbe aufmerksam, während „Hering“ Cerin vom Duo sich beim Betrachten an eigene Akne-Probleme in seiner Jugend erinnerte. Musikalisch nahm er mit Dr. Beutelspachers „Maria“ Bezug zum Bild und zum katholischen Sozialisationshintergrund der polnischen Frau. Aber zuerst tastete sich das Duo Radikal lange durch klangliche Wege und Abwege. Amorphe Töne und Geräuschklänge gab es anfangs reichlich, bis ein Blues in stampfendem Rhythmus losging. Dr. Beutelspacher holte verzerrte Töne, loses Material, dissonante Akkorde und klangliche Splitter aus seiner E-Gitarre. Dazu betrommelte Cerin sein Standschlagzeug klanglich ebenso minimalistisch wie variabel. Den Filzschlegel in der einen Hand und zwei Sticks in der anderen, erzeugte er ebenso reiche Klangfacetten wie mit den Besen oder bloßen Händen. Alles war ein bisschen lose zu Beginn, aber das formte sich bald zu schunkelnden Rhythmen und konkreten Harmonien. „Die Mädchen von zwanzig, die haben so was an sich“, sang Cerin einen Pfälzer Mundart-Schlager. Überhaupt hat das Duo Radikal für alte Schlager ein großes Herz. Immer hart am Kitsch und an der Kante zur avantgardistischen Kunst ging es entlang, wenn das Triviale aufgelöst wurde. Da geriet auch Udo Jürgens’ „Merci Cherie“ zur Lust mit gepfiffener Melodie. Mathilde Vollmoeller-Purrmanns „Stillleben mit Nelken“ war das zweite Gemälde, zu dem Judith Kauffmann ihre persönlichen Assoziationen schilderte. Das Duo Radikal indes musizierte Beutelspachers „Rosenkranz“ zum Blumenbild: schlicht und fromm wie ein Kirchenlied, dann immer bluesiger und verwegener mit Wah-Wah-Sounds und Verzerrungen der E-Gitarre überzogen. Hinzu kamen schwül stampfende Beats und die satte Sonorität der Basstrommel. Das Duo bewies, dass es ebenso entspannt wie expressiv mit minimalistischem, fragmentarischem Material rocken kann. In bluesigen Strukturen und psychedelischen Sounds mit Überlagerungen von Klangschleifen kann es sich auch festbeißen. So war es eine verwegene Reise zwischen Pfälzer Liedgut und Rock, Jazz und Saumagen.

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