Speyer „Ich möchte von meinem Glück etwas zurückgeben“

„Fit für die interkulturelle Vielfalt“, heißt ein Seminar des Sportbundes Pfalz morgen (10 bis 18 Uhr) im Judomaxx des JSV Speyer. Martin Erbacher hat sich mit Referentin Irina Helber, zuständig für das Programm „Integration durch Sport“, unterhalten.

Hat das mit der Integration bei Mesut Özil jetzt nun geklappt oder nicht?

Ob die Integration von Mesut Özil geklappt hat, sollte meiner Meinung nicht an einem Bild festgemacht werden. Da ich die privaten Hintergründe nicht kenne, kann ich mir schlecht eine Meinung erlauben. Welche Werte er in sich trägt, inwieweit er sich seinen Vorfahren verpflichtet fühlt und so weiter, weiß keiner von uns. Genau um diese Sicht geht es in unserem Seminar, einfach mal versuchen, die Brille des Anderen aufzusetzen und die Dinge aus deren Sicht zu sehen. Haben Sie aufgrund ihres persönlichen Hintergrunds selbst Integration durch Sport erfahren? Wir wohnten in meinen ersten fünf Lebensjahren in der Nähe von Omsk. Geboren wurde ich in Etoka. Im Jahr 1994 zog ich mit meiner Familie aus Russland nach Deutschland. Damals hieß das Programm noch Sport mit Aussiedlern – Sport für Alle. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es sein kann, durch sprachliche und oder kulturelle Barrieren, Anschluss an die neue Heimat zu finden. Wir hatten das Glück, Menschen mit Herz und sehr großer Hilfsbereitschaft an unserer Seite zu haben. Diese Unterstützung prägt mich bis heute sehr. Eine der schönsten Erinnerungen von damals, verdanke ich einem freiwillig Engagierten aus dem Programm. Regelmäßig wurden wir Kinder mit einem Bus abgeholt und erlebten tolle Tagesausflüge, kamen in den Genuss von Sportgruppen und mehrtägigen Freizeiten. So ist es mir heute eine Herzensangelegenheit, von diesem Glück etwas zurückzugeben. Warum ist es wichtig, fit für die Vielfalt zu sein? Durch die aktuelle Gesellschaftssituation wird die Bevölkerungsschicht immer vielseitiger. Voneinander lernen heißt, gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz auf- und auszubauen. Ein wichtiger Bestandteil der Integration ist es, die Migranten und Zuwanderungsgruppen auf Augenhöhe zu sehen. Integration ist keine Einbahnstraße. Sie kann nur funktionieren, wenn alle Betroffenen einen Schritt aufeinander zugehen. Nur so kann ein Dialog entstehen, der nach und nach zu Verständnis führen kann. Dies versuchen wir in unserem Seminar aktiv zu vermitteln. Was verbirgt sich hinter dem Programm „Integration durch Sport“? Das Bundesprogramm Integration durch Sport setzt sich seit fast 30 Jahren für das Zusammenwachsen der Menschen ein. In enger Zusammenarbeit tauscht sich der Deutsche Olympische Sportbund mit dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus. Auf Landesebene wird das Programm über die Trägerschaft des Landessportbundes Rheinland-Pfalz und mit den Regionalen Sportbünden und Vereinen flächendeckend verbreitet. Durch die Arbeit der Fachverbände, Kooperationspartner, Stützpunktvereine und ortsansässige Partner an der Basis, können viele Maßnahmen und Projekte gestartet und umgesetzt werden. Gibt es Beispiele für Vereine, die das Konzept gut umsetzen? Es gibt viele kooperierende Sportvereine in Rheinland-Pfalz, die das Konzept hervorragend umsetzten. Hier jemanden namentlich hervorzuheben, wäre nicht angebracht. Alle von uns bezuschussten Vereine leisten täglich großartige Arbeit. Jährlich werden zirka 20 Stützpunktvereine, 200 programmnahe Vereine, 100 freiwillig Engagierte und mehr als 500 Einzelmaßnahmen gefördert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass solch eine Unterstützung bei allen Beteiligten eine positive Erinnerung hinterlassen kann. Wie beurteilen Sie die Arbeit im Judosportverein Speyer? Überdurchschnittlich positiv, durch familiäre Verhältnisse im Verein kann Vieles sehr gut umgesetzt werden. Der JSV Speyer veranstaltet, neben seinem Regelbetrieb zum Beispiel jedes Jahr ein Mädchenwochen-ende, internationale Frauenfitnessgruppen, offene Sportgruppen und führt das Projekt Sprachförderung durch Bewegung an Schulen durch. Der JSV Speyer ist seit vielen Jahren ein sehr zuverlässiger Stützpunktverein. Was passiert beim praktischen Teil in Speyer? Großes Thema beim praktischen Teil unseres Seminares wird Verschiedenheit und Kooperation sein. Durch Gemeinschaftsspiele möchten wir den Teilnehmern vermitteln, wie groß die Unterschiede und Wahrnehmungen sein können. Zuviel möchte ich vor dem Seminar jedoch nicht verraten. Wie teilen Sie sich den Seminar-Tag mit Ihrer Kollegin Myla Blumenkamp auf? Wir haben keine strikte Aufteilung der einzelnen Programmpunkte. Meine Kollegin Myla Blumenkamp und ich arbeiten hier kollegial zusammen und werden das Seminar gemeinsam durchführen. Was wünschen Sie sich für die Teilnehmer am Seminar am Samstag in Speyer? Da wir vieles voneinander lernen können, wünschen wir uns natürlich eine rege Beteiligung der Teilnehmer an unserem Seminar, Austausch und Erfahrungsberichte aus den Vereinen und Regionen, sowie neue Anregungen für das Programm Integration durch Sport.

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