Speyer Geschmeidig aufklingende Gebete

Die vorweihnachtliche Konzertreihe „Cantate Domino“ im Speyerer Dom setzte am Samstagabend da an, wo der Besuch des Jugendchors aus der Kathedrale von Chartres kürzlich beeindruckt hatte. Auch das Collegium Vocale vom Dom zu Worms unter Dan Zerfaß war mit einem kurzen, modernen Requiem zu Gast, das seine Friedens- und Erlösungsbitten ohne großen Apparat dennoch eindringlich formulierte: mit dem Requiem des noch lebenden Briten John Rutter.

Der 71-jährige Rutter sieht sich in der Tradition der schlichten, unaufwendigen Gestaltung der lateinischen Totenmesse ohne die geballten Schreckensgemälde des Jüngsten Gerichts von Gabriel Fauré. Auf ihm fußt auch das Requiem des Franzosen Maurice Duruflé, das der Jugend-Kathedralchor aus Chartres vor zwei Wochen in der Friedenskirche Sankt Bernhard aufführte. Rutter schafft seine Aussagen wie Duruflé unter Rückgriff auf metrisch freie gregorianische Hymnen für den Chor. Im Gegensatz zum Franzosen baut Rutter aber auch Texte des britischen Reformators Thomas Cranmer ein und arbeitet mit einem vorwiegend solistisch agierenden, kleinen Instrumentalensemble klangsymbolisch. Die Stimmung bleibt in Rutters symmetrisch angelegten Sätzen temperiert. Denn er bevorzugt neben einigen kanonischen Repliken zwischen Frauen- und Männerstimmen den homophonen Satz und arbeitet viel mit Rückungen in verwandte Tonarten. Im zweiten Requiems-Satz „Aus der Tiefe rufe ich“ ergeben sich Anklänge an amerikanische Spirituals. Und die kosmische Beschwörung des „Sanctus“ erfolgt mit hellem Orff’schem Vollklang. Die Wormser Gäste zeigten sich im gut besuchten Dom mit dem kurzen, tonmalerischen Requiem Rutters bestens vertraut. Sie beherrschten ebenso den ruhigen psalmodierenden Gesang wie sie auch die kraftgeladenen Emotionen des „Agnus Dei“ einlösten. Helle Himmels- und bassgrundige irdische Stimmen kontrastierten im „Sanctus“ mit seiner Vereinigung von Himmel und Erde. Geschmeidig hingeflockt kamen die Höhengänge der Frauen im Hirten-Psalm. Bettina Horsch gestaltete ihre „Pie Jesu“-Vokalisen kraftvoll leuchtend. Da Rutters Requiem die Konzert-Stunde nicht füllte, schaltete Zerfaß noch einige altenglische Chorsätze von Thomas Tallis, Richard Farrant und John Bull kultiviert und flüssig vor. Sebastian Schlöffel steuerte an der Chororgel eine Fantasie von Thomas Morley mit reizvollen Echo-Sequenzen und eine kontrastreiche Satzfolge des Reger-Zeitgenossen Charles V. Stanford bei.

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