Speyer Fluch, Segen und an der Sache vorbei

Ist weder Phil Collins noch Peter Gabriel: Ray Wilson. Er baut auch eigene Stücke in sein Genesis-Programm ein.
Ist weder Phil Collins noch Peter Gabriel: Ray Wilson. Er baut auch eigene Stücke in sein Genesis-Programm ein.

Dass der schottische Sänger und Gitarrist Ray Wilson meistens mit der Band Genesis in einem Atemzug genannt wird, ist Fluch, Segen und an der Sache vorbei – alles in einem. Das hielt allerdings niemand davon ab, sich in die Festhalle in Dudenhofen zu begeben, um die Band und die Hits kräftig zu feiern.

In der Tat war die Festhalle fast etwas zu klein geworden für einen Musiker, der vor einigen Jahren noch im „Flaming Star“ auf einem Drittel der Fläche kleinere Brötchen gebacken hat. Schon im Vorfeld war das Konzert ausverkauft, denn es hatte sich herumgesprochen, dass Wilson mit einem Genesis-Programm auf Tour kommt. Nun ist er für die Geschichte von Genesis ungefähr das, was Blaze Bayley für Iron Maiden war: ein neuer, weniger bekannter Musiker an der Spitze einer weltbekannten Superstargruppe in einer schwierigen Karrierephase. Nach dem Abgang der die 80er und 90er Jahre prägenden Gestalt Phil Collins wurde mit Wilson das Album „Calling All Stations“ in den späten 90ern aufgenommen, aber mangels Erfolg entschieden sich die verbliebenen Mitglieder, die Band zu beerdigen. Die Plattenverkäufe waren durchwachsen, eine geplante Tour musste abgesagt werden. Danach zogen die Ur-Mitglieder Ruherford und Banks den Stecker. Nun ist Wilson mit einem Genesis-Programm unterwegs, dass alle Schaffensphasen dieser vielseitigen Formation widerspiegelt. Nicht zu vergessen ist, dass die Band zwei Karrieren in zwei verschiedenen Stilrichtungen erfolgreich gestaltete. In den späten 60ern gelangte Genesis mit „Trespass“ und „The Lamb Lies Down On Broadway“ an die Spitze des Prog-Rock-Olymps – damals noch mit dem Frontmann Peter Gabriel, der 1975 ausstieg und eine ebenfalls sehr erfolgreiche Solokarriere startete. In den späten 70ern wandelte sich der Sound massiv. Aus den überlangen Progressive-Rock-Stücken wurden kurze, radio-kompatible, minimalistische Pop-Rock-Nummern mit dem bisherigen Schlagzeuger Phil Collins als Sänger. Dementsprechend bunt gemischt war auch das Publikum in Dudenhofen. Vom Musikfreak mit wildem Bart, verwaschenen Tourshirt und enzyklopädischem Wissen über die Band aus ihrer progressiven Phase bis hin zu Gelegenheitshörern, die Genesis am ehesten noch mit „Another Day In Paradise“ in Verbindung bringen, das in Dauerrotation auf SWR 1 lief. Erwartungsgemäß bekamen die Hits der Phil-Collins-Ära wie „No Son Of Mine“ den größten Applaus des auch altersmäßig bunt gemischten Publikums. Für die früheren Stücke wurde sehr viel auf das Keyboard gesetzt, gelegentlich kamen auch weitere Instrumente zum Einsatz. Stimmlich ist Wilson weder Collins noch Gabriel, sondern eben er selbst. Das heißt, er bringt eine eigene Note hinein, ist also kein „singender Stimmenimitator“ wie man das bei vielen Tributebands oft vorfindet. Weil es auch ein Leben vor Genesis für ihn gab, baute er auch einige eigene Songs in die über zweistündige Vorstellung ein. Aber der Applaus aus dem Publikum ließ keinen Zweifel daran, dass die Mehrheit wegen der „Genesis Classics“ in die Festhalle gekommen war.

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