Speyer „Armut neu definieren“

Stolz auf ihren Halbbruder Barack: Auma Obama sagt, seine Prominenz als US-Präsident habe ihr Türen geöffnet. Dafür sei sie dank
Stolz auf ihren Halbbruder Barack: Auma Obama sagt, seine Prominenz als US-Präsident habe ihr Türen geöffnet. Dafür sei sie dankbar. Aber sie möchte nicht auf die Rolle als Schwester reduziert werden.
Frau Obama, welches Buch lesen Sie zurzeit?

Ich lese gerade Nick Hornby und seinen Roman „How to be good“. Das ist eine lustige Geschichte, etwas Schönes und Leichtes, das der Seele gut tut. Und genau das brauche ich zum Entspannen. Ihre Liebe zur Literatur, vor allem zu deutschsprachigen Autoren, war der Anlass, dass Sie mit 19 Jahren von Kenia nach Deutschland „abgehauen“ sind. Wer hat Sie dabei unterstützt? Dank eines Stipendiums des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) konnte ich an der Universität Heidelberg Germanistik studieren. Ein weiteres DAAD-Stipendium ermöglichte mir die Promotion an der Universität Bayreuth. Ansonsten war ich auf mich allein gestellt. Damals hat für Sie ein neues Leben begonnen: Sie konnten endlich selbstbestimmt leben. Dafür bin ich sehr dankbar. Mir war schon immer klar, dass ich nicht nur über mein Geschlecht, sondern in erster Linie als Mensch definiert werden möchte. Und dass ich nicht ignoriert werden darf, weil ich als Frau spreche. Auch deshalb heißt meine Stiftung Sauti Kuu. Das ist Kisuaheli und bedeutet „starke Stimmen“. Mit Ihrer Arbeit bestärken Sie Kinder und Jugendliche aus Afrika und Deutschland, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Wie gelingt das? Sehr häufig, wenn junge Menschen in ihrem Leben nicht weiterkommen, beschuldigen sie andere dafür – etwa ihre Familie oder die Regierung. Wir aber zeigen ihnen, dass sie selbst verantwortlich sind für das, was in ihrem Leben passiert. Unter dem Motto „You are your future“ (Du bist deine Zukunft) helfen wir den Jugendlichen, ihre eigenen Potenziale zu erkennen und zu nutzen. Wir arbeiten darauf hin, den jungen Menschen bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu helfen. Dafür bieten wir zum Beispiel Sportprogramme an. Oder Workshops, in denen bekannte Menschen aus den Bereichen Sport, Musik und Wirtschaft darüber sprechen, wie sie es aus eigener Kraft geschafft haben, erfolgreich zu sein. Sie geben den Menschen also Stärke statt Almosen? Almosen gibt es bei uns nicht. Die Menschen müssen etwas tun, damit sie etwas bekommen. Aber das, was sie tun, tun sie für sich. Und das, was sie bekommen, ist ihr eigenes. Hier in Kenia zeigen wir den Menschen, wie sie aus ihrem eigenen Land etwas machen können. In unserem Projekt „Grow to eat and grow to earn“ zeigen wir Jugendlichen und ihren Familien, wie sie ihr Land bebauen können, um etwas zu essen zu bekommen und um beim Verkauf der überschüssigen Ernteerträge Geld zu verdienen. Sie erhalten Geld – und zwar aufgrund ihrer eigenen Leistung. Und das ist das Tolle bei uns. Wir helfen lediglich, indem wir zeigen, wie es geht. Wie man etwa Geschäfte macht und Geld spart. Wir ermöglichen Perspektiven. Sie heben sich dadurch von der klassischen Entwicklungshilfe ab, die Sie ablehnen. Warum eigentlich? Ich glaube nicht, dass es absichtlich geschieht, aber das klassische Modell bewirkt eine Abhängigkeit. Es entsteht außerdem eine Opfermentalität, eine gewisse Passivität. Wie meinen Sie das? Die Betroffenen erwarten, dass sie aus ihrer Situation herausgeholt werden. Sie schaffen es nur durch andere, aber nicht durch eigene Kraft. Und das finde ich nicht genug. Sie brauchen vielmehr einen Aha-Moment, in dem sie erkennen, dass sie es selbst schaffen können. Das ist nachhaltiger als beispielsweise einfach nur Geld in Projekte zu stecken. Wir von Sauti Kuu würden auch nie mit den Menschen so reden, als wären sie arm. Denn sie haben Ressourcen, die sie reich machen, beispielsweise Land. Der Begriff Armut muss meiner Meinung nach deshalb neu definiert werden.

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