Speyer Alternativer Kraftstoff: Spedition kämpft um Flüssiggas-Tankstelle

Keine Tanke, nirgends: Michael Volland, Niederlassungsleiter der Spedition Pflaum, will seine Lastwagen Flüssigerdgas tanken las
Keine Tanke, nirgends: Michael Volland, Niederlassungsleiter der Spedition Pflaum, will seine Lastwagen Flüssigerdgas tanken lassen. Aber er darf (noch) nicht.

Flüssigerdgas, kurz LNG, findet sich als alternativer Treibstoff zu Diesel immer häufiger in Tanks schwerer Lastwagen. Die Spedition Pflaum will daher in Speyer eine entsprechende Tankstelle bauen. Sie darf aber nicht, weil die letzte Genehmigung fehlt. Ein Beispiel, wie Bürokratie die Mobilitätswende bremst.

Seit 1990 unterhält die Spedition Pflaum aus Strullendorf bei Bamberg eine Niederlassung in Speyer. Von der Stockholmer Straße aus werden 120 Lastwagen über die Autobahnen dirigiert, 170 oft osteuropäische Fahrer sind vor allem für den Paketdienst DHL und den Discounter Lidl unterwegs. Im August 2021 kauft Pflaum vom Bauunternehmen K. Dupré 8000 Quadratmeter auf der gegenüberliegenden Straßenseite, um sich zu erweitern und eine LNG-Tankstelle zu bauen.

Liquefied Natural Gas, zu Deutsch: Flüssigerdgas, dient unter anderem zum Heizen, aber auch zum Antrieb schwerer Fahrzeuge. Die Spedition Pflaum nutzt den Kraftstoff schon länger. Eine mobile Tankstelle betreibt sie seit November 2021. Sie wurde allerdings nur für ein Jahr genehmigt. Macht anfangs auch nichts, denn die zwölf Monate bis November 2022 sind für Antrag und Genehmigung einer stationären Tanke eingeplant.

Kommentar

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Bürokratie bremst Verkehrswende aus

Bauen will die Anlage die Liquind 24/7 GmbH aus Berlin, die bundesweit etliche solcher Tankstellen betreibt. Pflaum hat bereits zahlreiche LNG-Lkw auf der Straße. „E-Fahrzeuge sind noch nicht praxistauglich für den Schwerlastverkehr. Die Reichweite ist zu gering“, sagt Michael Volland (56), Regionalleiter der Pflaum-Niederlassung Speyer.

Flüssigerdgas ersetzt Diesel

Zwar belastet auch Erdgas das Klima, doch bietet es als Diesel-Ersatz Vorteile: „LNG hilft, die angestrebten Ziele im Verkehrssektor zu erreichen“, sagte der bei Liquind-Projektmanageer Oliver Grunow: „LNG aus Biogasanlagen mit Gülle und anderen Abfallstoffen, also Bio-LNG, verspricht eine um 90, im Idealfall 100-prozentige Reduzierung von CO 2 “, so der Experte: „Speyer wird eine zu 100 Prozent grüne LNG-Tankstelle“, verspricht er.

Gebaut werden soll eine 1,4 Millionen Euro teure LNG-Zapfsäule mit einem 70 Kubikmeter – umgerechnet 30 Tonnen – fassenden, aufrecht stehenden Tank. Nach Antragstellung hätten die Behörden drei Monate Zeit, die Unterlagen zu prüfen, sagt der Leiter Unternehmensentwicklung bei Liquind, Philipp Maximilian Braunschweig. Eine LNG-Kompakt-Tankstelle muss nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt werden. Im Schnitt hätten acht, vereinzelt bis zu zwölf Behörden mitzureden. Im Falle Speyers sind das: das Umweltamt der Stadt als Verfahrensführer, der Arbeitsschutz, das Bauamt, die Obere Wasserbehörde, die Untere Wasserbehörde, die Denkmalbehörde sowie weitere Landesbehörden. Die wasserrechtliche Prüfung obliegt in Speyer der SGD Süd. „Und hier klemmt es“, sagt der Liquind-Manager. Monat um Monat vergeht. Krankheiten, Unterbesetzung und Überlastung der Behörden würden das Verfahren verlangsamen, klagt Braunschweig.

Es dauert und dauert

Überhaupt tauchen Hürden auf bei dem Projekt. Zunächst werden Zauneidechsen auf dem Gelände entdeckt. Sie müssen gezählt, gefangen und in eigens gebaute Biotope umgesiedelt werden. Dann müssen – wegen der Nähe des Areals zum Rhein – umfassende wasserrechtliche Vorschriften beachtet werden. Die SGD Süd bestätigt auf Anfrage, dass das Genehmigungsverfahren aufwendig ist, weil es sowohl den Immissionsschutz tangiert als auch das Wasserrecht. Das kostet die Spedition Pflaum und deren Partner Liquind zunächst einmal Geld, „deutlich über 10.000 Euro“.

Aber vor allem kostet es Zeit. Als der November 2022 naht und damit die Betriebserlaubnis für die mobile Anlage zu erlöschen droht, gibt es immer noch keine Entscheidung. Liquind und Pflaum wollen deshalb die mobile Tanke weiter betreiben. Dies wird ihnen verwehrt. Im benachbarten Baden-Württemberg „ist so etwas möglich“, berichtet Liquind etwas frustriert.

Lastwagen müssen jetzt Umwege nehmen

Ausdrücklich lobt Volland die Unterstützung durch die Stadtverwaltung. Liquind und Pflaum hätten alles Notwenige mitgemacht und veranlasst. „Im Oktober 2022 waren wir durch und dachten, im Januar kann der Tiefbau loslegen.“ Die Baufirma rückt am 9. Januar tatsächlich in der Stockholmer Straße an – und muss wieder umkehren. Nicht vor März 2023 sei mit der endgültigen Genehmigung zu rechnen, erfahren Liquind und Pflaum von der SGD. Die bei der Neustadter Behörde angesiedelte Gewerbeaufsicht habe ihre Stellungnahme noch nicht abgegeben. Offenbar fehlen noch Unterlagen. Solange können „weder eine Zustimmung zum Vorhaben, zum vorzeitigen Baubeginn, noch Aussagen zum zeitlichen Ablauf gegeben werden“, so die SGD.

Weil sie die mobile Tankstelle nicht mehr betreiben, eine stationäre aber nicht bauen darf, kann die Spedition Pflaum in Speyer seit November keine Lastwagen mehr mit LNG betanken. Das bedeutet: Zum Tanken große Umwege in Kauf nehmen oder wieder mit Diesel-Lkw fahren. Was ins Geld geht: monatlich mehr als 30.000 Euro koste es, dass die Tankstelle nicht ans Netz gehe. „Selbst wenn der Bescheid im März kommt, rechnen wir nicht vor Mai mit dem Start“, sagt Liquind-Vertreter Braunschweig.

Die Stadt sieht in der LNG-Tankstelle „einen Mehrwert für die Speyerer Wirtschaft“, sagt eine Sprecherin. Die Wirtschaftsförderung habe mehrfach in Neustadt nachgehört, wie lange das Verfahren noch dauere. „Dazu konnte die SGD bislang keine Aussage treffen. Die städtischen Abteilungen jedenfalls haben ihre Hausaufgaben gemacht.“

Zur Sache: LNG

Liquefied Natural Gas ist hochreines Erdgas mit einem durchschnittlichen Brennwert von 11,6 kWh/m3. Mit rund 98 Prozent ist der Methangehalt überdurchschnittlich hoch. Flüssigerdgas wird als Heizenergie, zur Stromerzeugung oder als reichweitenstarker Kraftstoff verwendet. LNG weist nur etwa ein Sechshundertstel des Volumens von gasförmigem Erdgas auf. Etwa 400 Kilogramm des auf -161 bis -164 Grad Celsius gekühlten LNG nimmt ein Lkw beim Volltanken auf. Der Vorgang dauert rund 15 Minuten. ell

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