Speyer Alles ist wahr

Lustige und traurige Geschichten: Irene und Roland Hofer erzählen von sich.
Lustige und traurige Geschichten: Irene und Roland Hofer erzählen von sich.

Die eindrucksvolle Video-Theater-Performance „NormalLife“, Regie: Sebastiano Toma, ist ein Programm-Höhepunkt beim Kulturbeutel. Ellen Korelus-Bruder hat mit Irene Hofer über Normalität in Alltag, Beruf und Liebe unter Normalmaß gesprochen. Frau Hofer, wie lebt es sich mit 124 Zentimetern? Gut. Immerhin bin ich sieben Zentimeter größer als mein Mann. Und genau so groß wie meine Mutter, dafür aber 46 Zentimeter kleiner als mein Vater und meine Schwester. Ich kenne das Leben zwischen klein und groß und bin ganz zufrieden mit mir. Aber ist der Alltag nicht schwierig für Sie? Mit einem Hocker ist vieles zu bewältigen, zum Beispiel eine Übernachtung im Hotel wie am Wochenende in Speyer. Damit komme ich ans Waschbecken und ins Bett. Der Blick in den Spiegel bleibt mir verwehrt. Ich nehme einen eigenen mit. Seit unserer Hochzeit 2005 leben wir im Wohnwagen. Das ist einfacher als vorher in einer Wohnung, die für durchschnittsgroße Menschen konzipiert war. Wo kaufen Sie Ihre Kleider? Nicht, wie Sie vielleicht denken, in der Kinderabteilung. Denn mein Körper ist nicht zu kurz, nur meine Arme und Beine. Da heißt es umnähen, umnähen, umnähen. Wahrscheinlich werden Sie ständig angestarrt. Wie ist das für Sie? Wenn Kinder schauen, ist das in Ordnung. Aber wenn ihre Eltern – wie so oft – ihnen erklären, dass sie auch nicht wachsen, wenn sie ihre Suppe nicht essen oder ungehorsam sind, macht mich das wütend. Dann sage ich, dass es dicke und dünne, kleine und große und auch dumme und gescheite Menschen gibt. Das längste an Ihnen sind die Haare. Warum? Damit ich auch etwas an mir habe, das länger als bei vielen anderen Leuten ist. Sie sind rot und reichen fast bis zu meinem Po. Das finde ich schön. Spielen die Haare auch bei „NormalLife“ eine Rolle? Natürlich. Die Haare und unser Leben. Daraus wollen wir berichten. Alles, was wir sagen, ist wahr. Lustige und traurige Geschichten der Kleinwüchsigen, die wir schon auf vielen Bühnen erzählt haben. Zum Lachen und zum Weinen. Es gibt eine Liebesszene, Tänze und unseren Schutzengel Lea auf der Leinwand. Die Riesin, die wir persönlich noch nicht kennengelernt haben. Haben Sie sich mit dem Theater einen Traum erfüllt? Wer einmal Sägemehl unter den Schuhen hatte, kommt nicht mehr von der Bühne oder Manege los. Nach der Schule wollte ich Kleintierpflegerin werden. Leider hatte die Chefin viele Vorurteile. Ich habe dann die Hauswirtschaftsschule besucht und bin jetzt diplomierte Hausfrau. Das ist doch auch etwas. Mit den Eltern war ich drei Jahre im Zirkus, hatte meine eigene Schlangenshow. „NormalLife“ ist das, was wir wirklich zu sagen haben. Unsere Botschaft. Vorurteile: Waren Sie ihnen oft ausgesetzt? Oder Diskriminierungen wie die Bezeichnung Liliputaner? Als Kind nie. In der Grundschule haben mich die Mitschüler bei Ausflügen immer im Buggy geschoben. Wie eine Prinzessin. Wenn sie einen Schritt gemacht haben, musste ich zwei gehen, um das Tempo zu halten. Erwachsene nerven manchmal. Sie wollen mich anfassen oder tragen. Das geht gar nicht. Ich bin 48 und will für voll genommen werden! Und: Liliputaner gibt es nur in „Gullivers Reisen“, sonst nirgendwo. Auch damit räumen wir in unserem Programm auf. Aus Ihrer Perspektive ist der Blick immer nach oben gerichtet. Ist das nicht anstrengend? Ich kenne es nicht anders. Das Leben spielt sich vorwiegend über mir ab. Fühlen Sie sich manchmal ausgeschlossen? Das ist nicht nur ein Gefühl, das ist Realität. Die Sache mit der Augenhöhe funktioniert mit uns Kleinwüchsigen nicht. Ich habe mich damit arrangiert und mache das Beste daraus. Im Gegensatz zu meinem Mann wurde ich immer von meiner Familie unterstützt. Meine Mutter hat mir gesundes Selbstbewusstsein mitgegeben. Das hilft sehr. Und zu Hause? Zu Hause hat mein Mann die Hosen an. Aber ich bestimme, welche er trägt. Termin Morgen, Samstag, 23. März, 20 Uhr, Heiliggeistkirche, Johannesstraße, Speyer. Karten gibt es bei der Tourist-Info Speyer, Maximilianstraße 13; im Spei’rer Buchladen, Korngasse 17; bei Ars Ludi, Gilgenstraße 23; HandFairlesen, Schustergasse 4; Springers Kaffeemanufaktur, Korngasse 28; Chaoskeller, Am Jahnplatz 6, Haßloch und in allen Reservix-Stellen.

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