Speyer „Alles über 75 Prozent ist fantastisch“

Will mit Fusion Zweiter im Land hinter Mainz werden: Noch-Volksbank Kur- und Rheinpfalz in Speyer.
Will mit Fusion Zweiter im Land hinter Mainz werden: Noch-Volksbank Kur- und Rheinpfalz in Speyer.
Herr Kappenstein, Sie mussten nach dem Tod Ihres Vorgängers Reinhard Oelbermann plötzlich dessen Erbe als Aufsichtsratsvorsitzender antreten. Waren Sie durch Ihre Stellvertreter-Tätigkeit gut vorbereitet?

Wir alle wussten zwar um den ernsten Gesundheitszustand unseres langjährigen und hochgeschätzten Vorsitzenden Reinhard Oelbermann, und doch kam sein plötzlicher Tod für uns alle sehr überraschend. Überraschend deshalb, weil er bis zuletzt seiner Volksbank voll und ganz zur Verfügung stand. Unsere Zusammenarbeit war immer geprägt von Offenheit und gegenseitigem Respekt. Ich wurde immer über alle wichtigen Angelegenheiten von ihm informiert, die wir im Übrigen auch in vielen Punkten vorher gemeinsam besprochen hatten. Wo fehlt Oelbermann? Reinhard Oelbermann fehlt als Mensch, als Persönlichkeit, als Integrationsfigur, als Repräsentant und Sympathieträger unserer Bank. Ich gehe davon aus, dass Sie genauso klar hinter dem Fusionsplan stehen wie Oelbermann? Ja natürlich, denn schließlich hat der Aufsichtsrat unserer Bank der Fusion der beiden Institutionen einstimmig zugestimmt. Wie viele Versammlungen haben Sie besucht im Vorfeld der entscheidenden Vertreterversammlung am kommenden Donnerstag (6. Juni, in der Stadthalle Speyer)? Ich war von Anfang an in die Fusionsgespräche eingebunden. Begonnen haben diese Anfang 2018. Konsultationen gab es auf vielen Ebenen. Wir haben uns über zehn Mal persönlich mit der Delegation der RV Bank getroffen und unzählige Telefonate geführt. Darüber hinaus war das Thema in unserer Bank ständig präsent. Wie viele Gespräche es hier gab, kann ich Ihnen heute konkret gar nicht mehr sagen, nur so viel: Es waren eine ganze Menge. Wie wurde die Fusionsidee von den Mitgliedern beider Banken aufgenommen? Mit großem Interesse, Zustimmung und Wohlwollen. Die Diskussionen wurden sehr sachlich geführt. Das Verständnis für die geänderten, erschwerten Rahmenbedingungen für Regionalbanken heutzutage war sehr groß. Ein großer Vorteil war, dass zwei wirtschaftlich kerngesunde Banken frühzeitig die Weichen für eine gemeinsame, erfolgreiche Zukunft stellen. Aber letzten Endes werden wir dies in den Vertreterversammlungen konkret feststellen. Wo waren die Widerstände größer, in Speyer oder bei der RV-Bank Rhein-Haardt? Von Widerständen möchte ich hier nicht reden. Es gibt sicherlich unterschiedliche Auffassungen bei den Mitgliedern in beiden Häusern, die man beherzigen muss. Die neu entstehende Bank wird alles daran setzen, die jeweiligen Stärken der Ursprungsbanken zu erhalten und für alle erlebbar zu machen. Die RV-Bank Rhein-Haardt verliert aber damit ihre Selbstständigkeit. Die Aufgabe der Selbstständigkeit ist immer ein zentraler Punkt bei Fusionsverhandlungen. Von daher war dieser Aspekt bei unserer Partnerbank ein wichtiges Thema. Für uns in Speyer gab es im Grunde nur Zustimmung, zumal wir bei vorherigen Fusionen gezeigt haben, dass wir ein verlässlicher Partner sind. Was waren die Gegenargumente? Das einzige, mehr emotionale Thema, war, wie gesagt, die Aufgabe der Selbstständigkeit auf Seiten der RV-Bank Rhein-Haardt. Wir sind der festen Überzeugung, dass sich alle Mitglieder und Kunden aus beiden Ursprungsinstituten in der neuen Bank wiederfinden werden, da wir auch kulturell eine hohe Übereinstimmung haben. Wie viele Vertreter hat die Volksbank Kur- und Rheinpfalz, und wie viele erwarten sie am Donnerstag? Wir haben 60.000 Mitglieder, einen Vertreter pro 100 Mitglieder, das macht 600. Ich gehe als davon aus, dass am Donnerstag das Haus voll wird. Schließlich geht es um die Entwicklung unserer Volksbank, und darüber hinaus werden viele auch den „neuen“ Aufsichtsratsvorsitzenden persönlich erleben wollen. Wie viel Prozent Unterstützung brauchen Sie zur Zustimmung? Nach den Bestimmungen in unserer Satzung werden für diesen Beschluss 75 Prozent Zustimmung benötigt. Wir sind uns aber darin einig, dass es für einen guten Start unserer gemeinsamen Bank eine möglichst breite Unterstützung der Mitglieder beziehungsweise der stimmberechtigten Vertreter braucht. Also wäre eine qualifizierte Mehrheit das Ziel unserer Anstrengungen – alles, was darüber liegt, wäre fantastisch. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie? Ich rechne mit einem erfreulichen Ausgang sowohl in Lambsheim als auch in Speyer. Wir hatten in der Vergangenheit immer eine breite Zustimmung, die bei nahezu 100 Prozent lag. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir einen ähnlich starken Rückenwind durch ein überzeugendes Votum unserer Vertreterinnen und Vertreter bekommen. Die Volksbank muss sich bei Zustimmung zur Fusion erstmals auch um Warengeschäft kümmern. Ist das reizvoll, ein notwendiges Übel oder echte Bereicherung des Portfolios? Das Warengeschäft ist für die Volksbank Kur- und Rheinpfalz ein neues Betätigungsfeld und eine Bereicherung im Portfolio des Hauses. Insbesondere unsere landwirtschaftlich orientierte Klientel wird das zusätzliche Angebot zu schätzen wissen. Immerhin macht die Bank 60 Millionen Umsatz in diesem Bereich. Lassen Sie uns einmal über die Anzahl der Vorstandsmitglieder reden: Wie viele bleiben künftig, wann wird wie reduziert? Der neue Vorstand wird sich aus vier Mitgliedern aus dem Bereich der Volksbank Kur- und Rheinpfalz und zwei Mitgliedern aus Lambsheim zusammensetzen. Wir haben in Speyer traditionell vier Vorstände. Durch die Fusion starten wir mit sechs. Im nächsten Jahr scheidet Winfried Szkutnik altersbedingt aus. Aufgrund des deutlich erweiterten Geschäftsgebietes und der zusätzlichen Aufgabenstellungen wie das Warengeschäft halten wir die Anzahl der Vorstandsmitglieder für angemessen. Welche Auswirkungen hat die Fusion auf die Anzahl der Mitarbeiter? Die Zahl der Mitarbeiter der Volksbank Kur- und Rheinpfalz wird sich um die Zahl der Beschäftigten bei der RV-Bank Rhein-Haardt erhöhen – von rund 500 auf dann 800 Personen. Wir brauchen jeden Mitarbeiter. Es gibt zudem eine Beschäftigungsgarantie bis 2022. Der neue Name der fusionierten Bank „Vereinigte VR-Bank Kur- und Rheinpfalz“ klingt wenig geschmeidig. Gab es nichts anderes als diesen Zungenbrecher? Sie haben durchaus recht. Er ist noch ungewohnt. Uns war es aber sehr wichtig, dass die regionale Bezeichnung „Kur- und Rheinpfalz“ erhalten bleibt. Das neue „R“ für Raiffeisen haben wir auch in unseren Genen. Von daher ist es nur konsequent, es in den neuen Namen zu integrieren. Das vorangestellte „Vereinigte“ ist der Tatsache geschuldet, dass es unter dem Gesichtspunkt des Weitblicks noch weitere Fusionspartner geben könnte. Wie heißt der nächste Fusionskandidat? Den gibt es noch nicht. Wir sollten zuerst versuchen, die Aufgaben und Arbeiten, die mit der Fusion mit der RV-Bank Rhein-Haardt verbunden sind, gut zu bewältigen. Und dann sieht man weiter.

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