Speyer Alle in einem Drachenboot

Egal, wie groß die Aufregung darüber ist, wer stirbt und wer einen wertvollen oder lausigen Beitrag zur Kulturgeschichte liefert – die Erde dreht sich in der Regel ungerührt weiter. Schwedischer Death Metal klingt immer nach Iron Maiden. Das sind offenbar Grundkonstanten, aber damit lässt es sich wunderbar leben. Deshalb konnte man am drittletzten Tag des Jahres sicher sein, was einen in der Speyerer Halle 101 erwartet.

Melodic Death Metal stand auf dem Flyer und selbst bevor der Gitarrist der ersten Band, nämlich „Decypher“, sein Arbeitsgerät umschnallte, war klar, wohin die musikalische Reise geht. Sein Shirt von „In Flames“ hätte dann auch einem Gehörlosen einen sehr guten Eindruck von dem vermittelt, was seine Finger aus dem Griffbrett holten: typisch skandinavischer Death Metal mit jeder Menge flüssiger Melodien, mal von schnellen Doublebass-Attacken angetrieben, mal eher getragen und melancholisch. „Soilwork“, „In Flames“ und „At The Gates“ machten diesen Sound populär, der sehr stark von Produzentenlegende Peter Tägtgren geprägt wurde, dessen Band „Hypocrisy“ dann auch einen Coversong für die Mutterstädter Burschen lieferte. Kurzfristig eingesprungen als Sänger war der frühere „Disturbed Mind“-Schreihals Frank Richter, der mit seinem Charisma einen hervorragenden Job machte, auch wenn er die Textsicherheit mit einer Lose-Blatt-Sammlung absicherte. Die Jungs hatten Spaß auf der „Wohnzimmer-Bühne“; das Publikum davor hielt zwar – wie bei kleineren Konzerten üblich – respektvollen Abstand, ließ sich vom Sänger aber doch aus der Reserve locken, und am Ende gab es Forderungen nach einer Zugabe, die gerne erfüllt wurden. „Frozen Infinity“ aus Mannheim hauen stilistisch in dieselbe Kerbe, waren an dem Abend aber qualitativ etwas schwächer. Das Songmaterial ihrer aktuellen CD „Phoenix“ ist stark und muss sich vor Genrekonkurrenten keineswegs verstecken, aber die ambitionierten Songs waren nicht immer hundertprozentig sauber im Zusammenspiel zwischen den Instrumenten dargeboten. Ihre stärksten Momente hatten die Badener, als sie ihren Pagan Metal-Stampfer mit den der rhetorischen Frage einläuteten, ob denn Fans von „Amon Amarth“ anwesend wären. Das Stück konnte mit einer eingängigen Melodie glänzen, und Schlagzeug, Gitarren, Gesang, Bass und Keyboard haben alle im gleichen Takt ihr Drachenboot gerudert. Die Band existiert offenbar schon seit über zehn Jahren, ein erstes Demo erschien 2006, gefolgt von einem Album 2009; nach siebenjähriger Funkstille erschien „Phoenix“. Möglicherweise ist der Name Programm, und die Musiker haben sich nach längerer Durststrecke wieder zu einer auftrittsfähigen Einheit zusammengefunden, was durchaus hoffen lässt, sobald der Rost aus den Gelenken geschüttelt ist. Die guten Ideen, mit denen das Songmaterial aufwartet, geben einigen Anlass dazu. Schließlich dreht sich die Welt weiter, und 2017 steht schon vor der Tür.

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