Speyer Speyerer Ehrenbürger Vogel: „Fühle mich wohl in der Stadt“

Wird morgen 85 Jahre alt: Speyers Ehrenbürger Bernhard Vogel in seinem Wohnzimmer.
Wird morgen 85 Jahre alt: Speyers Ehrenbürger Bernhard Vogel in seinem Wohnzimmer.

Der einzige derzeit lebende Speyerer Ehrenbürger, Bernhard Vogel, feiert morgen seinen 85. Geburtstag.

Stefan Keller hat ihn darum zu seinem Verhältnis zu Speyer, der Debatte um eine Helmut-Kohl-Straße und dem Grund für seine „Flucht“ aus der Domstadt morgen befragt. Herr Vogel, derzeit wird in Speyer heftig darüber diskutiert, welche Straße nach dem früheren Kanzler Helmut Kohl benannt werden soll. Für den Fall, dass nach Ihnen eine Straße oder ein Platz benannt werden soll – wäre es angesichts der Debatte um die Ehrung für Altkanzler Kohl nicht zweckmäßig, das rechtzeitig selbst festzulegen? Helmut Kohl ist, das haben die Feierlichkeiten anlässlich seines Todes gezeigt, ein herausragender Staatsmann des 20. Jahrhunderts gewesen, der eine solche Anerkennung verdient. Es ist sinnvoll, einen Platz oder eine Straße nach ihm zu benennen. Ich selbst habe Würdigungen dieser Art zu Lebzeiten immer abgelehnt. Was nach meinem Tod ist, hat mich nicht mehr zu interessieren. Vorher so etwas festzulegen, geht nicht. Hätten Sie gedacht, dass es dem Rat so schwerfällt, sich zu entscheiden? Nein, ich hätte das nicht gedacht. Ich jedenfalls akzeptiere jede Entscheidung, die der Rat in dieser Frage trifft. Aber ich leugne auch nicht, dass ich es bedauere, dass er eine so lange Diskussion führt. Ihre Parteifreunde setzen in der Frage auf einen Konsens im Rat. Ist der überhaupt nötig? Es muss nicht unbedingt einstimmig entschieden werden, aber es sollte schon eine deutliche parteiübergreifende Mehrheit für einen Beschluss da sein. Welche der vier gegenwärtigen Alternativen in der politischen Diskussion würden Sie bevorzugen? Ich habe von Anfang an gesagt, dass meine persönliche Sympathie dem Hirschgraben gilt. Er hat den direkten Bezug zur Grabstätte, er ist der Bernhardskirche als Friedenskirche und Symbol der deutsch-französische Freundschaft am nächsten und dort wohnen wenige Menschen, für die Adressen zu ändern wären. Hat es Sie überrascht, dass die Linke in Speyer für diese Ehrung Kohls ist? Die Linke hat mich überrascht, aber es hat mich auch gefreut. Man kann sich auch mal über eine Meinung der Linken freuen. Lassen Sie uns doch bitte einmal allgemein auf die Stadt Speyer blicken, deren Ehrenbürger Sie sind: Ist Speyer noch Ihre Wohlfühlstadt? Absolut ja. Seit 53 Jahren bin ich jetzt Speyerer Bürger, ich fühle mich wohl in der Stadt. Sie ist nicht so klein, dass man sich auf die Nerven geht; sie ist auch nicht so groß, dass das Leben anonym wird. Ich freue mich, dass sie zunehmend von Vielen als attraktiv wahrgenommen wird, ich freue mich über die große Anzahl der Touristen – nicht zuletzt des Einzelhandels wegen. Was fehlt Speyer, damit es noch besser werden kann – wirtschaftlich, touristisch, sozial, für die Bürger? So erfreulich es ist, dass die Stadt wächst, ist es auch wichtig, dass sie Wohnungen in allen Preislagen bietet. Ich wünsche der Stadt, dass sie zügig mit der Planung von Wohngebieten vorankommt. Es ist richtig, dass – wie es derzeit geschieht – die Lücken geschlossen werden. Aber das wird nicht reichen. Ich hoffe, dass ein Teil des ehemaligen Kasernengeländes dafür zur Verfügung gestellt werden kann. Sind Sie eher überrascht oder enttäuscht, dass – bis jetzt – vier Bewerber im kommenden Jahr Oberbürgermeister werden wollen? Ich darf gar nicht überrascht sein. Es gibt nie zu viele Kandidaten. Ich glaube jedoch, dass nicht viele eine gute Chance haben zu gewinnen. Wenn am Sonntag die OB-Wahl wäre, wer wäre der Sieger? Ich würde Oberbürgermeister Eger wählen, denn ich bin mit seiner Amtsführung voll zufrieden. Herr Vogel, Sie sind ein erfahrener Kommunal- und Landespolitiker ... Ich lege Wert darauf, dass ich im Stadtrat von Heidelberg angefangen habe. Eben drum: Wie muss es aus Ihrer Sicht weitergehen mit der Kommunalreform? Kann Speyer als kreisfreie Stadt überleben oder wird es vom Kreis geschluckt? Ich warne davor, eine Gebietsreform von oben gegen den Willen der Bevölkerung zu verordnen. Ich rate von zwangsweisen Veränderungen ab. Wenn eine Kommune das freiwillig will, ist das etwas anderes. Übrigens: Der Begriff „Heimat“ hat an Bedeutung gewonnen, seit Deutschland mit der Einheit größer geworden ist. Das ist zu berücksichtigen. In Speyer wurde vor 45 Jahren nicht eingemeindet, weil weder Helmut Kohl – Klammer auf CDU – noch Paulus Skopp – Klammer auf SPD (1949 bis 1969 OB von Speyer, die Red.) – das damals wollten. Eine Frage an den Bundespolitiker Vogel: Was ist los im Bund, seit der Weg nach Jamaika verbaut ist? Wir haben eine Regierungskrise, aber keine Staatskrise. Aber ein großes und bedeutendes Land wie Deutschland muss trotz dieses Wahlergebnisses zügig zu einer Regierung kommen. Es war am Abend des Wahltages schon absehbar, dass eine Zweier-Koalition ohne die beiden Volksparteien nicht möglich ist. Deshalb ist es jetzt notwendig, dass CDU/CSU und SPD aufeinander zugehen und Kompromisse schließen. An roten Linien darf eine Koalition nicht scheitern. Ich habe immer gesagt, erst kommt das Land, dann die Partei, dann die Person. Unter den gegebenen Umständen habe ich die Hoffnung, dass es zu der ungewollten, aber jetzt notwendigen Großen Koalition kommt. Sind Sie zufrieden mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in diesem Zusammenhang? Ja, absolut. Er macht eine sehr gute Figur. Da bewährt es sich, dass Steinmeier über große politische Erfahrung verfügt. Sie hatten nicht alle Vorgänger von ihm. Sie sind auch Freund der Fasnacht. Kann die erste Herrensitzung in der Stadthalle ein Erfolg werden? Ich hoffe, dass die Atmosphäre aus dem Museum übertragbar ist. Fasnacht hängt ja nicht nur von den Vorträgen ab. Den Termin habe ich mir notiert und werde hingehen. Sie sind morgen nicht in Speyer. Flüchten Sie vor Gratulanten? Ich werde den Geburtstag außerhalb Deutschlands verbringen mit den schönsten Erinnerungen an Feste seit meinem 60. Geburtstag: in Berlin, Erfurt und Speyer. Es ist keine Flucht, sondern ich möchte es meinen Bekannten ersparen, mir wieder ein Fest ausrichten zu müssen. Morgen beginnt Ihr 86. Lebensjahr – was wünschen Sie sich dafür? Ich möchte es möglichst gesund erleben, künftig seltener aus Speyer weg sein müssen und ich hoffe, dass Deutschland gut regiert wird. Interview: Stefan Keller Zur Person — 19. Dezember 1932: Geburt in Göttingen — 1967-1976: Kultusminister von Rheinland-Pfalz — 1972-1976: Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken —1976-1988: Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz —1992-2003: Thüringer Ministerpräsident —seit 2010: Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung —2002: Speyerer Ehrenbürgerrecht.

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