Rhein-Pfalz Kreis Zum Theologiestudium nach Harvard

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Beindersheim. „Komm Bruno, spazieren!“ Doch Bruno mag lieber bei Frauchen bleiben, denn dessen Tochter, die junge Frau mit der Hundeleine, kennt er kaum. Raphaela Müller aus Beindersheim ist vor fünf Jahren in die Vereinigten Staaten von Amerika gegangen und hat sich auf eigene Faust einen Platz am Franklin College in Indiana organisiert. Dort hat sie den Bachelor-Abschluss mit Auszeichnung gemacht und darf in wenigen Wochen an der berühmten Eliteuniversität Harvard weiterstudieren.

Raphaela Müller, die für eine Verschnaufpause in die Heimat gekommen ist, kann Bruno überzeugen. Der große Mischling tappt mit ihr durch die Felder, und sie beginnt, der RHEINPFALZ ihre ungewöhnliche Geschichte zu erzählen. „Vor fünf Jahren kam Bruno aus einem Tierheim zu uns. Und ich habe da gerade meine Koffer gepackt für ein parlamentarisches Patenschaftsprogramm. Ein Jahr lang besuchte ich die Jac-Cen-Del High School in Osgood im Bundesstaat Indiana.“ Die damals 15-jährige Zehntklässlerin aus dem Werner-Heisenberg-Gymnasium in Bad Dürkheim wurde von ihrer Gastfamilie, den Stepletons, wie eine Tochter aufgenommen. Mit dem High-School-Diplom in der Tasche wollte Raphaela wieder zurück nach Deutschland und fürs Abitur lernen. Doch in Indiana eröffnete sich der Beindersheimerin eine neue Perspektive: An der privaten Hochschule Franklin College erhielt sie ein Teilstipendium für ein Individualstudium. Sie schlug Wurzeln in dem ländlich geprägten Bundesstaat, der mit knapp 94.000 Quadratkilometern fast ein Viertel der Fläche Deutschlands misst. Am College entdeckte Raphaela ihre Mission und studierte Geschichte und Religion. „Ich will den Flüchtlingen helfen“, begründet die gebürtige Frankenthalerin ihre damalige Entscheidung. „Die Flüchtlingsthematik ist weltweit die größte Baustelle. Der Glaube und die Vergangenheit – das sind die Faktoren, die in allen Kulturen immer wieder neue Konflikte produzieren.“ Raphaela ist davon überzeugt, dass interkulturelle Verständigung und Kommunikation die Basis sind für eine bessere Welt ohne Kriege und Flüchtlingswellen. Woher stammt diese Überzeugung? „Aus meinen Erfahrungen der letzten fünf Jahre“, erwidert die evangelisch Aufgewachsene. Das Kapitel Franklin College hat die junge Frau dieses Frühjahr abgeschlossen – mit Erfolg: Die College-Homepage präsentiert Raphaela als Trägerin der „Gold Quill Trophy“ – der höchsten Auszeichnung für akademische Leistungen und Engagement der Hochschule. „Ich bin ehrgeizig“, sagt sie als Begründung. „Man muss das finden, was man am besten kann.“ Bruno zieht inzwischen an der Leine. Er will heim. Raphaela Müller blickt auf ihre Armbanduhr, die auf die amerikanische Uhrzeit eingestellt ist, denn: „Ich bin ja bald wieder drüben.“ Drüben, das bedeutet nun die renommierte Harvard University in Cambridge, Massachusetts. Dort hat sie für die Fakultät Harvard Divinity School ein Stipendium bekommen und wird ein Masterstudium der Theologie beginnen. Das tägliche Leben muss die 20-Jährige allerdings aus eigener Tasche finanzieren. Dafür jobbt sie in den drei Monaten bis zum Studienbeginn in einer Beindersheimer Firma und gibt Nachhilfe in Englisch. „Vielleicht“, überlegt Raphaela, „gibt es ja Menschen, die an mich und eine Welt ohne Flüchtlinge glauben und mich finanziell unterstützen wollen?“ |ous

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