Rhein-Pfalz Kreis Eichen im alten Flussbett

Otterstadt. Auwald ist Urwald, denken viele Menschen – und liegen falsch. Tatsächlich sieht am Rheinufer der Wald zwar urig aus, ist aber relativ jung. Viele Auwälder entstanden nach der Rheinbegradigung und wurden lange intensiv bewirtschaftet.

Mehr als 1000 Hektar Auwald gibt es im Rhein-Pfalz-Kreis. Er steht entlang der Altrhein-Arme und am Ufer des neuen Flussbetts. Typisch für den Auwald sind Überflutungen bei Hochwasser. Jedes Pfälzer Kind lernt schon in der Grundschule, dass es der Ingenieur Johann Gottfried Tulla war, der dem Rhein ein ziemlich gerades Flussbett gegeben hat. Das gewaltige Unternehmen begann 1817 und dauerte bis 1876. Am Ende hatte der Rhein einen neuen Verlauf. „Wir stehen hier im Flussbett, wo vor 160 Jahren noch der Rhein geflossen ist“, sagt Förster Ernst Christian Driedger, der beim Forstamt Pfälzer Rheinauen für Umweltvorsorge und öffentliche Planung zuständig ist. Wir sind im Staatswald Böllenwörth gegenüber der Kollerinsel. Das ursprüngliche Flussbett war nach Tullas Rheinbegradigung trocken gefallen. Auf dem so gewonnenen Land wurden Wald und Wiesen für das Vieh angelegt. „Neues Weide- und Ackerland zu gewinnen, war eines der wichtigsten Ziele der Rheinbegradigung“, erklärt Driedger. Noch im 19. Jahrhundert hatte es große Hungersnöte gegeben. Die Eiche gehört zur ersten Waldgeneration, die man hier angepflanzt hat. Sie verträgt die regelmäßigen Überflutungen bei Hochwasser recht gut. Ihre Rinde verwendete man zum Gerben, die Eicheln zur Schweinemast, mit ihrem Reisig befestigte man Flussufer, und sie liefert bestes Bau- und Brennholz. Angepflanzt habe man auch Pappeln, die sehr schnell wachsen, sowie Weiden, die von alleine nur am Ufer wachsen und deren Zweige man zum Korbflechten nutzte. Als nach der Rheinbegradigung der Grundwasserspiegel stark fiel, seien auch Esche und Bergahorn gewachsen. Sie verdrängen Eichen. „Heute versuchen wir, die Eichen so lange wie möglich zu erhalten, auch wenn das Holz einen guten Preis bringen würde“, erklärt Driedger. Inzwischen werden Eichen wieder gepflanzt. Einheimische Eichen sind ökologisch besonders wertvoll, weil sie für viele Tiere Lebensraum bieten. Die Ulme war ein recht häufig vorkommender Baum, weil auch sie sich mit „nassen Füßen“ recht wohlfühlt. Allerdings hat vor einigen Jahren der Ulmensplintkäfer, Überträger einer Pilzerkrankung, die Ulme an den Rand des Aussterbens gebracht. Aktuell gefährdet ist die Esche, die derzeit noch etwa 25 Prozent des Auenwalds stellt. Seit Kurzem grassiert jedoch das Eschentriebsterben – auch eine Pilzerkrankung, die sich schnell ausbreitet und zum Absterben der Esche führt. In den Auwäldern findet man hier und da noch Wiesen, die früher landwirtschaftlich genutzt wurden. Werden sie nicht weiter gemäht oder beweidet, verwalden sie wieder. Auch Wiesen sind ein besonderes Biotop für viele seltene Pflanzenarten. Während der Auwald früher gezielt wirtschaftlich genutzt wurde, steht heute der Naturschutz im Mittelpunkt. „Auwald ist geschützt als Europäisches Naturschutzgebiet Natura 2000“, so Driedger. Wie der Auwald am besten gepflegt wird, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Würde man ihn sich völlig selbst überlassen, würde der Auwald sich langfristig verändern, ist Driedger überzeugt: Eichen und Wiesen würden verschwinden, Neophyten – ursprünglich nicht bei uns ansässige Pflanzen – könnten heimische Arten verdrängen, und es wäre für Waldbesucher nicht ungefährlich, würden tote Bäume an Wegen nicht entfernt. Driedger hält ein schrittweises Vorgehen für sinnvoll: Waldbereiche der Überflutungsaue, die abseits von Wegen und Fluss liegen, könnten aus der forstlichen Nutzung genommen werden. Gleichzeitig könnten die großflächigen Pappelwälder sukzessive in Eichenwälder umgewandelt werden. „Wer will, dass es im Auenwald in 100 Jahren noch 100-jährige Eichen gibt, sollte sie jetzt pflanzen, sonst funktioniert das nicht.“ (ghx)

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