Rhein-Pfalz Kreis Chemische Reaktion beim Umfüllen

Die Einfahrt zum Süd-Müll-Gelände in Heßheim: Hier wird nicht nur Sondermüll, sondern beispielsweise auch Bauschutt angeliefert.
Die Einfahrt zum Süd-Müll-Gelände in Heßheim: Hier wird nicht nur Sondermüll, sondern beispielsweise auch Bauschutt angeliefert. Der Wertstoffhof des Rhein-Pfalz-Kreises ist ganz in der Nähe.

Nicht Blausäure, sondern Schwefelwasserstoff hat im August vergangenen Jahres den Tod von zwei Mitarbeitern der Firma Süd-Müll in deren Sonderabfall-Zwischenlager verursacht. Und zwar weil saure und basische Flüssigkeiten vermischt wurden. Das hat die Staatsanwaltschaft Frankenthal gestern mitgeteilt. Sie ermittelt weiter wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung.

Das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz und die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin sind unabhängig voneinander zu der Meinung gelangt, dass der tödliche Schwefelwasserstoff an jenem 21. August bei einer chemischen Reaktion entstanden sein muss. Und zwar beim Umfüllen von wässrigen Säuren aus einem 60-Liter-Kanister in einen 1000 Liter fassenden Tank, in dem sich eine basische Flüssigkeit befand, obwohl er laut Etikett nur Säuren hätte enthalten dürfen. Der Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber gibt das Untersuchungsergebnis sinngemäß so wieder: Nach Zugabe der Säure aus dem Kanister habe sich in dem Tank große Wärme entwickelt. Die Flüssigkeit sei vermutlich aufgekocht und aus dem großen Tank übergelaufen. Dabei sei durch die Reaktion mit weiteren Inhaltsstoffen der basischen Flüssigkeit Schwefelwasserstoff freigesetzt worden und gasförmig entwichen. Diesen hätten die 43 und 30 Jahre alten Süd-Müll-Mitarbeiter aus dem Leiningerland wohl eingeatmet. Der Ältere starb noch an der Unfallstelle an „innerem Ersticken“, wie die Obduktion ergab, der Jüngere drei Tage später im Krankenhaus (wir berichteten).

Im Tank hätten Säuren sein sollen

Anfangs konzentrierten sich die Ermittlungen der Polizei auf den 60-Liter-Behälter, der aus dem Wormser Chemieunternehmen Evonik nach Heßheim gekommen war. Die Vermutung war, dass sich darin entgegen der Etikettierung keine relativ harmlosen Reste aus einem Analyselabor befanden, sondern Blausäure und Schwefelwasserstoff, denn darauf hatten Messgeräte der Feuerwehr angesprochen. Über Wochen gelang es der Staatsanwaltschaft allerdings nicht, ein Labor zu finden, das bereit oder in der Lage gewesen wäre, die Stoffe im Kanister zu identifizieren. Erst Mitte September geriet der 1000-Liter-Tank in den Blick der Ermittler, obwohl sie – so versichert es die Geschäftsleitung von Süd-Müll – auf dieses Behältnis im Sonderabfalllager hingewiesen worden seien. Es hatte sich am Morgen des 21. August nämlich ganz in der Nähe der Unfallstelle befunden und war später von herbeigeeilten Kollegen samt Gabelstapler beiseite geräumt worden, um Platz für die Rettungskräfte zu machen. Dieser Intermediate Bulk Container (IBC) stammt laut Geschäftsführer Benedikt Eberhard von einem Kunden, der ihn nur zu etwa einem Drittel gefüllt hatte, sodass ihn die beiden Mitarbeiter – ein Facharbeiter und ein Diplom-Chemiker – mit dem Inhalt des Evonik-Kanisters auffüllen wollten. Das ist üblich im Heßheimer Zwischenlager: In großen Gebinden werden gleichartige Sonderabfälle aus verschiedenen Quellen gesammelt, bevor sie zu einem Entsorger gebracht werden. „Die beiden Mitarbeiter taten das in dem Glauben, dass hier Gleiches zu Gleichem zugefügt würde“, sagt Firmenchef Eberhard. „Beide Behälter hatten die gleiche Schadstoffkennung, und dafür hätte es keiner Atemschutzmaske bedurft.“ Unklar ist, ob dem IBC schon vor dem Unfalltag etwas zugesetzt wurde.

Beweismittel erst spät gesichert

Benedikt Eberhard bekräftigt auf Anfrage, was er Ende November mitteilte, nachdem die RHEINPFALZ von dem IBC als „neuer Spur“ berichtet hatte. Ihm zufolge wurde der Tank von der Polizei erst am 14. September auf dem Deponiegelände gesichert, und am 5. Oktober seien daraus erstmals Proben entnommen worden. In der gestrigen Presseinfo der Staatsanwaltschaft heißt es, „der Unglücks-IBC“ sei „als zentrales Beweismittel kurze Zeit nach dem Unfall beschlagnahmt“, in einem gesicherten Bereich auf dem Firmengelände abgestellt und mittlerweile an einen anderen sicheren Ort gebracht worden. Benedikt Eberhard sagt, er sei am 15. März abgeholt worden.

In sechs Firmen wurde ermittelt

Nun müssen die Ermittler die Frage klären, was genau sich in dem für Säuren ausgewiesenen Tank befand, bevor es zur genannten chemischen Reaktion kam. Seit der Umfüllaktion der beiden Mitarbeiter und der für sie tödlichen Reaktion enthält der IBC laut Hubert Ströber eine Flüssigkeit mit neutralem pH-Wert. Daraus hätten die Experten geschlossen, dass es zuvor eine deutlich basische Flüssigkeit gewesen sein muss. Und es muss herausgefunden werden, woher die Flüssigkeiten stammten beziehungsweise wie und warum Basen in einem Behälter für Säuren landen konnten. Nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts sind acht Objekte von sechs Firmen in drei Bundesländern durchsucht worden. Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen werde aber noch andauern. Auch wenn in anderen Unternehmen ermittelt wird: Nach dem Zwischenbericht des Oberstaatsanwalts liegt auf der Firma Süd-Müll weiterhin der Verdacht, dass im Sonderabfall-Zwischenlager nicht alles so läuft, wie es laufen sollte. Denn der Unfall ist schließlich dort passiert, wo sichergestellt sein sollte, dass so etwas nicht passieren kann. Deshalb musste die Firma einen Sachverständigen beauftragen, der nach den Vorgaben der Struktur- und Genehmigungsdirektion die Ursache und den zeitlichen Verlauf des offiziell als Störfall eingestuften Ereignisses analysiert und fachlich bewertet. 

x