Rhein-Pfalz Kreis Beweglicher Berliner mit besonderer Bio-Note

Altrip. Ein Gurkenüberschuss hat uns zu Ralf Reske in Altrip geführt. Genauer gesagt: eine Holzkiste mit dem Hinweis „Bio-Gurken für umme“. Das Angebot fanden wir Gemüsekreis-Redakteure so reizend, dass wir wissen wollten, wer dahinter steckt. Kennengelernt haben wir einen (fast) 86-Jährigen, der gärtnert, radelt und täglich Kopf steht.

„Für umme“ – ein bisschen pfälzisch kann er dann doch. Zumindest schriftlich. Mündlich berlinert Ralf Reske hingebungsvoll. Immer noch, muss man sagen, denn inzwischen lebt er bereits seit 60 Jahren in der Region. Anfangs wohnte er in der Ludwigshafener Gartenstadt, dann hat er ein Haus in Altrip gebaut. „Alles in Eigenleistung. Ich glaube, ich habe jeden Stein in der Hand gehabt“, sagt Reske, der in Rüdersdorf bei Berlin aufgewachsen ist und von dort „rüber“ in den Westen gemacht hat. Hinter diesem selbstgebauten Haus in Altrip befindet sich nun also der Garten, in dem die Gurken so schnell wachsen, wie der 85-Jährige, der bald Geburtstag hat, redet. Gurken und Reske sind außerdem äußerst produktiv. Die Ähnlichkeiten müssen von ungefähr kommen, denn eine allzu enge Beziehung besteht zwischen Pflanze und Mensch nicht. „Ich gärtner ja nicht, weil es mein Hobby ist, sondern weil ich muss.“ Das ist mal eine Ansage. Die Erklärung folgt prompt: „Wir versuchen, uns gesund zu ernähren. Und da es schwer ist, Lebensmittel zu finden, die nicht behandelt sind, bauen wir unser Gemüse eben selbst an. Wir backen Brot und Brötchen. Machen Nudeln.“ Produktiv – da haben wir die ersten Beispiele. Und die Gurken ziehen mit. „Ab und zu stelle ich deshalb eine Stiege mit der Überernte auf den Gehweg, die immer schnell geleert ist.“ Selbstredend, dass Reske als Ökoanhänger nur mit Biomasse düngt. Die braut er nicht selbst zusammen. Dazu hat er 500 Regenwürmer an die Kompostfront geschickt. Sie fressen sich von Kompostbehälter zu Kompostbehälter. „Sie arbeiten selbstständig, merken schon, wo es für sie etwas zu tun gibt“, sagt Reske und lacht. Was hinten raus kommt, nennt sich Wurmhumus und muss sich sensationell auf die Pflanzenwelt im Garten des Altripers auswirken. Denn nicht nur die Gurken laufen zu Höchstform auf, auch die Tomatenstöcke hängen voll wie noch nie. Dazu gibt es Zucchini, Bohnen, Himbeeren und Feigen – alles in rauen Mengen. „Und die Paprika kündigen ebenfalls einen außergewöhnlichen Ertrag an, sie müssen nur noch rot werden.“ Reskes Gartenpflanzen geht es so gut, dass sie dem Rentner verzeihen, nicht sein liebstes Hobby zu sein. Dass er sie sogar – jetzt kommt’s raus – hin und wieder vernachlässigt. Als leidenschaftlicher Wohnmobilfahrer ist er mit seiner Frau viel unterwegs. Früher hat er die ganz großen Runden durch Europa gedreht – von Norwegen und Finnland im Norden bis Frankreich und Spanien im Süden. „Jetzt geht es nicht mehr ganz so weit weg. Und ich mache auch sehr regelmäßig Pausen. Das Praktische beim Wohnmobilfahren ist ja, dass man sich zwischendurch ins eigene Bett legen kann.“ Nach einer Rast und einem Espresso gehe es stets munter weiter. Sein Mittagsschlaf ist Reske übrigens heilig. Nur in Ausnahmen – „für Sie mache ich das jetzt mal“ – lässt er ihn ausfallen. Von Müdigkeit ist ihm in dem Gespräch allerdings nichts anzumerken. Dafür ermattet, wer hört, was der 86-Jährige noch so alles stemmt – einschließlich sich selbst, und zwar in die Höhe. Um 6 Uhr in der Früh begibt sich Reske nämlich in den Kopfstand. Und dazu singt er immer das selbe Lied. „Der Herr Professor Wunderlich, ein sehr gelehrter Mann, hält einen Vortrag übers Herz, und wie man’s nennen kann ...“ Erst mit dem letzten Ton geht es wieder auf die Füße, beziehungsweise in den Liegestütz. Und damit ist das Sportprogramm noch lange nicht zu Ende. Wenn es die Witterung zulässt, fährt er einmal um Altrip. Er trainiert für das Sportabzeichen, und ab und zu geht es auch noch in den Pfälzerwald zum Wandern. Der ehemalige Rennruderer hält sein Gewicht von 62,5 Kilo. „Die hatte ich schon als junger Mann. Mein Arzt sagt immer: bewegen, bewegen. Und daran halte ich mich.“ Wie, kein einziges Laster? „Vielleicht das Achtel bis Viertel Wein, das ich gerne trinke.“ Naja, für Pfälzer ist das höchstens eine klitzekleine Sünde. Dafür wartet Reske noch mit ein paar sympathischen Schrullen auf: Er sammelt beispielsweise Kochbücher. Über 100 hat er schon zusammengetragen. Und die stehen nicht nur im Regal, die werden auch genutzt: auf der Suche nach neuen Rezeptideen. „Ja, ich koche auch selbst. Was nicht heißt, dass meine Frau das nicht auch ganz wunderbar kann. Wenn wir zusammen kochen, mache ich nur den Beikoch – sonst gibt es Streit.“ Für den Sauerkrautbestand im Haus ist Reske ebenfalls zuständig. Das Gemüse macht er ein. Kulinarische Genüsse sind ihm ohnehin wichtig und er teilt sie gerne – nicht nur die Gurken. Gerade ist er mit einem ganzen Schinken nach Berlin gefahren, um mit Freunden ein Schinkenfest zu feiern. Seine alte Heimat ist ihm wichtig, selbstverständlich kommen seine Erinnerungen daran auch in seinem Buch vor. Ja, Reske turnt und kocht nicht nur, er schreibt auch. „80 Jahre Leben“ lautet der Titel einer Kurzgeschichtensammlung. Vor allem seine Tochter und seine Enkelin hätten ihn dazu gedrängt, seine Lebensabschnitte zu Papier zu bringen. An früher denken ist schön, aber das Heute und Morgen gibt es auch noch. Geschmiedet werden also gerade Reisepläne. Wenn alle anderen aus dem Urlaub zurückkommen, wollen Reskes auf die Piste gehen. Mit Wohnmobil, selbstgemachter Tomatensoße und Zucchinisuppe. Ohne Altriper Gartengenüsse geht es nämlich nicht auf Tour.

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