Böhl-Iggelheim Berührungsängste abbauen bei „Die Schule rollt“

Louis meistert mit dem Rollstuhl die Wippe. Lukas Neumann vom TV Laubenheim und Schulleiter Markus Jung (mit Maske) schauen zu.
Louis meistert mit dem Rollstuhl die Wippe. Lukas Neumann vom TV Laubenheim und Schulleiter Markus Jung (mit Maske) schauen zu.

Das Projekt „Die Schule rollt“ ist in der Peter-Gärtner-Realschule plus (PGS) Böhl-Iggelheim zu Gast gewesen. Zwei Klassen probierten aus, wie es ist, im Rollstuhl zu sitzen und verschiedene Hindernisse zu bewältigen.

Als die Klasse 8b am Dienstag die Turnhalle betritt, fallen den Jugendlichen gleich die Rollstühle ins Auge, die aufgereiht an der Wand stehen. Erst tags zuvor haben sie und die Klasse 7a von ihrem Lehrer Lucas Jung erfahren, dass sie am Projekt „Die Schule rollt“ teilnehmen werden. „Sie waren erst ein bisschen zurückhaltend“, sagt Jung. So richtig können sie sich auch jetzt noch nicht vorstellen, wie die nächsten drei Schulstunden verlaufen werden.

Doch schnell sorgt Paulien Megens für Aufklärung. „Ich bin Rollifahrerin“, sagt die 48-Jährige, die beim TV Laubenheim in Mainz in der Abteilung Rollstuhlsport aktiv ist und zum Team des Projekts „Die Schule rollt“ gehört. „Ihr werdet heute erste Erfahrungen machen, wie es ist, im Rollstuhl zu sein“, erklärt sie weiter. Und Projektbetreuer Lukas Neumann ergänzt: „Wir werden mit euch Inklusionssport machen.“

Eine neue Perspektive

Bei „Die Schule rollt“, einer Kooperation des Behinderten- und Rehabilitationssport-Verbands Rheinland-Pfalz mit dem TV Laubenheim, geht es um einen Perspektivwechsel, durch den Behinderte und Nichtbehinderte die jeweils anderen besser verstehen lernen sollen. „Damit soll auch eine Grenze im Kopf abgebaut werden“, erklärt Neumann. Zum Team gehört deshalb immer eine Person, die auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Paulien Megens übernimmt an diesem Tag nicht nur die Übungsleitung, sondern sie steht auch für Fragen zur Verfügung, die Betroffene am besten beantworten können. Tabus gebe es dabei nicht, sagt sie. „Einmal hat mich ein Kind gefragt, wie ich auf die Toilette gehe. Das ist eigentlich eine gute Frage“, erzählt die 48-Jährige.

Die Schüler der PGS starten jedoch ohne viele Fragen in die Praxis. Nachdem sich Zweierteams gebildet haben, sucht jedes Team einen passenden Rollstuhl aus. „Es ist gut, wenn er eng ist“, sagt Lukas Neumann. „Der muss passen wie ein Schuh.“ Tatsächlich sei es für Betroffene oft kostspielig, einen genau auf sie angepassten Rollstuhl anzuschaffen. Die für „Die Schule rollt“ genutzten Modelle sind allesamt gespendet – von Kindern und Jugendlichen aus der Abteilung Rollstuhlsport, die aus ihren Rollstühlen herausgewachsen sind.

Einander blind vertrauen

Die erste Übung für die Achtklässler ist das „Roboter-Spiel“. Dabei sollen sich die Rollstuhlfahrer vom Partner einzig über Antippen steuern lassen. Als Erweiterung kommen Bälle ins Spiel, die hin und her geworfen werden müssen. Und am Ende sollen die „Roboter“ ihren „Lenkern“ sogar blind vertrauen und die Augen schließen.

„Es war anstrengend. Man muss erst mal lernen, wie man lenkt“, sagt die 14-jährige Leonie nach dem ersten Durchgang. Und Paula (13) hat festgestellt: „Man möchte am liebsten die Füße benutzen.“ Und es sei schon komisch, kleiner als die anderen zu sein. Ihrem Klassenkameraden Louis hat das Fahren im Rollstuhl richtig Spaß gemacht. „Es ist eigentlich ganz cool.“ Er habe auch schnell Tricks für sich entdeckt, sagt der 14-Jährige.

Einige der Jugendlichen haben sogar schon mal kurze Zeit im Rollstuhl verbracht. Aber einen Schüler, der immer auf den Rollstuhl angewiesen ist, gibt es an der PGS nicht. Insofern hatte die Schule Glück, dass „Die Schule rollt“ nach Böhl-Iggelheim gekommen ist. Denn vorzugsweise werden Schulen besucht, an denen es Schüler im Rollstuhl gibt. Schließlich ist eines der Hauptziele des Projekts, Vorurteile und Berührungsängste abzubauen.

Konzentriert bei der Sache

Welche ganz praktischen Alltagsprobleme es für Rollstuhlfahrer gibt, erleben die Jugendlichen derweil in der letzten Übung am eigenen Leib. Ein Parcours bildet typische Hindernisse für Rollstuhlfahrer nach. Die „Käseplatte“, eine Holzplatte mit Löchern, simuliert Kopfsteinpflaster. An einem Podest können die Schüler üben, einen Bordstein zu überwinden. Und bei der Wippe sind eine gute Balance und ein wenig Mut gefragt.

Lucas Jung, Klassenlehrer der 7a und Verbindungslehrer, ist froh, wie konzentriert die Schüler mitmachen. Von den Siebtklässlern, die am Morgen als Erste an der Reihe waren, hat er vor allem zwei Rückmeldungen bekommen: „Sie wollten gar nicht in den Unterricht zurück. Und sie spüren die Oberarme.“

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