Pirmasens „Wort und Totschlag“: Lesung mit schaurig-schöner Stimmung im Carolinensaal

Viel Blut und wenig Licht: Im Pirmasenser Carolinensaal präsentierte das Texttaxi sein literarisches Programm „Wort und Totschla
Viel Blut und wenig Licht: Im Pirmasenser Carolinensaal präsentierte das Texttaxi sein literarisches Programm »Wort und Totschlag«.

Das Lese-Duo Texttaxi, bestehend aus Kerstin Bachtler und Bodo Redner, beglückte das Pirmasenser Publikum im vollbesetzten Carolinensaal am Samstag mit schaurigen Gedichten. Die Darbietung hatte einen klaren künstlerischen Schwerpunkt.

Schon die Wahl des Veranstaltungsorts stimmte auf das Thema ein: Der Carolinensaal, eine ehemalige Leichenhalle, die am Rande des Alten Friedhofs liegt, und die Textauswahl mit dem Titel „Lynchlyrik und Mordsmoritaten“ passten sehr gut zusammen. Der morbide Charme, der jedem Vers der vorgetragenen Gedichte innewohnt, verband sich sehr leicht mit der Erwartungshaltung des Publikums.

Auch das Bühnenbild – leicht flackernde Kerzen in Laternen – untermalte die schaurig-schöne Stimmung bei der Lesung des Duos Texttaxi. „Wort und Totschlag“ gingen eine Symbiose ein, die lediglich durch die inhaltliche Strukturierung mal mehr oder weniger Grauen hervorrief.

Mitfiebern mit dem Knaben

Kerstin Bachtler leitete sowohl die unterschiedlichen Themenschwerpunkte als auch die Hinweise zu den einzelnen Autoren auf sehr launige Art und Weise ein. Die Präsentation der Gedichte von ihr und Bodo Redner verzichtete weitestgehend auf eine schauspielerische Choreografie, was den eigentlichen Vortrag stärker hervorhob. Hier lag eindeutig der künstlerische Schwerpunkt der Darbietung. Das Spiel mit der Stimme, mit der Lautstärke, der geschickte Einsatz von chorischen Passagen ließen altbekannte Gedichte plötzlich in einem neuen Licht erstrahlen, was an der Reaktion einzelner Zuschauer deutlich zu erkennen war. Besonders beeindruckend der Vortrag von Annette von Droste-Hülshoffs „Der Knabe im Moor“ oder von Theodor Fontanes „Die zwei Raben“. Hier konnte man mit dem Knaben mitfiebern, wie er mit den Naturgewalten umgeht, während im zweiten Fall die Vergänglichkeit des Menschen im Vordergrund steht.

Die vielen Facetten des Todes

Zusätzlich erleichterte die thematische Strukturierung der Gedichte dem Publikum, sich immer wieder neu mit den verschiedenen Facetten des Themas Tod zu beschäftigen. Dabei wurden sowohl reale als auch irreale Aspekte in den Vordergrund gestellt. Maria Janitscheks Gedicht „Ein modernes Weib“, das die Rache einer misshandelten Frau an ihrem Mann verdeutlicht, ist – leider! – auch nach 100 Jahren noch immer zeitlos, wohingegen Goethes „Der Erlkönig“ nur noch bedingt schaurig wirkt, mehr zu witzigen Bearbeitungen anregt, wie zum Beispiel durch Heinz Erhardt in „König Erl“.

Goethes „Heideröslein“ wird in der einschlägigen Literatur eher als Beschreibung einer Vergewaltigung interpretiert. Die Einreihung in den Kanon der „Lynchlyrik“ ist aber trotzdem gerechtfertigt, denn auch sexuelle Gewaltanwendung ist sehr oft eine Vorstufe zum Mord.

Die kriegerische Komponente

Von hier war der Weg zum Tod im Krieg dann nicht mehr weit. Ob Erich Kästners „Primaner in Uniform“, Erich Mühsams „Kriegslied 1917“ oder Jakob van Hoddis’ „Weltende“ – spätestens hier rückte ein anderer Aspekt der Lyriklesung in den Vordergrund. Gedichte sind nicht immer nur unterhaltsam, Gedichte dienen sehr oft dazu, menschliche Gefühle auf eine Art und Weise zu verbalisieren, die in anderen Gattungsformen weder so expressiv noch so appellativ darzustellen sind.

Die Ansprüche erfüllt

Kerstin Bachtler und Bodo Redner erfüllten am vergangenen Samstag in ihrer Premierenlesung die Ansprüche, die an eine solche Lesung gestellt werden, in hervorragender Weise. Das Publikum dankte den beiden Künstlern mit starkem Applaus. Der Leiterin der Stadtbücherei, Ulrike Weil, ist es wieder einmal gelungen, eine hochwertige Veranstaltung nach Pirmasens zu holen.

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