Pirmasens Weltklasse

Zwei Virtuosen: Antje Weithaas und Julian Steckel.
Zwei Virtuosen: Antje Weithaas und Julian Steckel.

Helfried Steckel begrüßte im Namen der Mozartgesellschaft, die dieses Konzert als letztes in dieser Saison veranstaltete, die Anwesenden. Er zeigte sich erfreut, dass trotz des schönen Wetters, der Wahlen und des anspruchsvollen Programms die Festhalle so gut gefüllt war. Tatsächlich war das Programm überaus anspruchsvoll und verlangte dem Publikum einiges an Konzentration ab. Der Grund, warum dennoch alle Zuhörer gespannt und konzentriert bei diesem etwa 100-minütigen Konzert, bei dem nur eine Geige und ein Cello zu hören waren, bei der Sache bleiben konnten, war einerseits die Qualität und Lebendigkeit der ausgesuchten Stücke, andererseits die faszinierende Virtuosität der beiden Künstler. Beide beherrschen ihr Instrument perfekt und waren deswegen in der Lage, sich ganz und gar der Musik hinzugeben. Mit hoher Konzentration, intensiver Körpersprache, Feingefühl und Temperament interpretierten sie zu Beginn jedes Konzert-Teils einen der vier zweistimmigen Kanons aus Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“. Dieses Werk ist ein kontrapunktisches Lehrstück und enthält neben den Kanons, der Reinform imitatorischer Komposition, 14 Fugen, die in interessanten Spielarten wie Gegen-, Doppel- oder Spiegelfugen vorkommen. Bach komponierte vermutlich ab 1740 daran, in Druck erschien die „Kunst der Fuge“ allerdings erst nach seinem Tod 1751. Im vergangenen Jahr hatte Julian Steckel alle sechs Suiten Bachs für Violoncello dem Pirmasenser Publikum in einem Konzert in der Johanneskirche vorgestellt. Die Suite, die sich in der Barockzeit aus den Tänzen des Volkes entwickelt hatte, war bald auch im Adel sehr beliebt. Die feste Abfolge der deutschen „Allemande“, der französischen „Courante“, der spanischen „Sarabande“ und der englischen „Gigue“ wurde zunächst getanzt, bis sie zunehmend stilisiert nur noch zum instrumentalen Vortrag dienten. Bachs Suiten waren von Anfang an als reine Konzertstücke gedacht, die er alle um je ein Prélude erweitert hatte. Steckel hatte aus dem Zyklus der sechs Cello-Suiten das farbigste Stück, die Suite in C-Dur BWV 1009, ausgewählt, die Bach zusätzlich um zwei Bourées erweitert hatte. Der Komponist wollte hier durch eine besonders angelegte Mehrstimmigkeit den Eindruck erwecken, dass ein ganzes Orchester, nicht nur ein einzelnes Instrument spielt. Mit technischer Perfektion und ungeheurem musikalischem Verständnis erweckte Julian Steckel dieses imaginäre Orchester auf geniale Weise zum Leben. Der Pirmasenser Musiker ist seit seinem Gewinn des ARD-Musikwettbewerbes im Jahr 2010 als Künstler weltweit gefragt, kehrt aber gerne und sehr zur Freude des treuen Publikums immer wieder mit besonderen Programmen in seine Heimatstadt zurück. Ein ebenso hochkarätiger und immer wieder gern gesehener und gehörter Gast ist Antje Weithaas, die in Pirmasens bereits als Violin-Solistin, aber auch als Dirigentin zu erleben war. Ihre künstlerische Karriere führt sie in alle Kontinente und sie arbeitet mit vielen großen Musikerpersönlichkeiten unserer Zeit zusammen. Als Solostück hatte Weithaas die Sonate G-Dur op. 27, Nr. 5 mitgebracht, die der belgische Komponist Eugène Ysaye seinem Schüler, dem Geiger Mathieu Crickboom gewidmet hatte, weswegen die Sonate dessen Namen trägt. Ysaye war selbst ein gefragter Geiger und Dirigent und trat mit Anton Rubinstein, Clara Schumann und anderen großen Künstlern seiner Zeit auf. Neben sechs Sonaten hatte er auch acht Konzerte für Solo-Violine komponiert, von denen er sieben vernichtet und als „Spielerei“ bezeichnet hat. Die hoch virtuose Sonate wurde von Antje Weithaas leidenschaftlich und mit beeindruckender Technik auf Weltklasseniveau präsentiert. Die beiden Sätze „L’Aurore“ und „Danse rustique“ waren nicht nur musikalisch höchst anspruchsvoll, sondern auch in der Bogenführung – selten hört man so viele Töne auf einem Bogenstrich. Auch den ungewöhnlichen pizzicati in rasantem Tempo mit der linken Hand, wie man sie aus der Zigeunermusik kennt, war sie mehr als gewachsen. Das letzte Stück des Abends, das „Duo für Violine und Violoncello op. 7“ von Zoltan Kodály, haben Weithaas und Steckel kürzlich auf CD eingespielt. Es gibt sie noch nicht im Handel, dem Publikum lag sie aber frisch gepresst vor und konnte von den Künstlern signiert und erworben werden. Kodalys kompositorische Intension war es, die echte ungarische Volksmusik zu verarbeiten und dem damaligen Trend entgegen zu wirken, verkitschte Zigeunermusik als typisch ungarisch auszugeben. Die von ihm so genannte „Bauernmusik“ schlug sich kraftvoll und ursprünglich in dem Werk nieder, und die Künstler des Abends scheuten sich nicht, an den entsprechenden Stellen kräftig zuzulangen. Im Wechsel übernahmen sie das Thema oder die Begleitung, oft als pizzicato, was das volksliedhafte des Duos noch unterstrich. Auf der anderen Seite enthielt das Werk außergewöhnlich zarte und leise Töne, die nur Streicher des Niveaus von Weithaas und Steckel sauber zu spielen vermögen. Die Steigerungen und Brüche in Dynamik und Ausdruck machten das Stück extrem spannend und nach einer letzten fast ekstatischen Steigerung im Presto endete das Duo und das Publikum applaudierte so begeistert, dass die beiden Künstler nicht umhin kamen, eine Zugabe zu spielen. Sie hatten sich dafür eine Miniatur ausgesucht, die der finnische Komponist Jean Sibelius als Neunjähriger unter dem Titel „Wassertropfen“ komponiert hatte.

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