Pirmasens Vunn de Lung uff die Zung

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Wo hat Stadtbücherei-Leiterin Ulrike Weil am Dienstagabend nur all die Stühle hergeholt? RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Regina Zimmermann musste jedenfalls mit dem Beginn ihrer Lesung ein bisschen warten, bis (fast) alle, die gekommen waren, mit Sitzgelegenheiten versorgt waren. Gut 80 Zuhörer erlebten mit oder ohne Gestühl einen sehr unterhaltsamen Abend.

Was eine pikierte Bildungsbürger-Kamarilla stets näselnd moniert, wurde an diesem Leseabend mit Regina Zimmermann augenfällig entkräftet: Ja, junge Leute, vor allem zum Teil noch sehr junge Frauen, fanden zuhauf den Weg in die Bücherei. Das Angebot muss eben stimmen, und Regina Zimmermanns RHEINPFALZ-Glossen waren wohl die beste Werbung dafür, der Autorin nach der Lektüre auch mal zuhören zu wollen. Regina Zimmermann ist eine ehrliche Haut, als Sozialpädagogin bei der Pirmasenser Lebenshilfe im richtigen Leben vom Wetter gegerbt und mit einer hellwachen Beobachtungsgabe gesegnet, die ihr angesichts des „alltäglichen Wahnsinns“ die metaphorische Feder für ihre Glossen und – zunehmend als E-Book erscheinende – Erzählungen in die Hand drückt. Sie folgt als Autorin dem zeitlos gültigen Ratschlag „schreib wie du sprichst“. Klar, ihre Glossen sind – dem Genre gemäß – natürlich immer ein bisschen überdreht, manche Formulierung mäandert alliterierend um des Pudels Kern, aber sie lässt sich nie dazu hinreißen, auf Glatzen Löckchen drehen zu wollen. Ihre Conférencen, eigentlich immer Anekdoten, die den Inhalt der folgenden Texte vorwegnehmen oder kommentieren, spricht sie im Dialekt. Das kann ja auch gar nicht anders sein, bei jemandem, dem das Pfälzer Diktum „vunn de Lung uff die Zung“ zur zweiten Natur geworden ist. Diese Erdung hilft ihr dann auch, die Balance zu halten, ihre „Schakelines“ und „Cheyennes“, ihre wechselnde Klientel mit Ballonseiden-Couture und den zahnlosen Suffkopp mit eigenem Rechtsanwalt und genügend Geld fürs Taxi nicht gänzlich der Lächerlichkeit preiszugeben. Da ist kein Zynismus, eher aber Erschöpfung. Ein bisschen neigt Regina Zimmermann dazu, zu denken, dass „früher alles besser war“. Die Einfachheit, die Dankbarkeit, die Menschlichkeit und die Vernunft, besonders, wenn sie in einer ihrer E-Book-Erzählungen „Zitronenbaiser“ unter dem Pseudonym „Suzi V. Kane“ ihrer Mutter ein Denkmal setzt. Eine Hommage auch an die Baby-Boomer-Generation, an den Sommer von 1969 und eine Zeit, als es für ihre Mutter durchaus den sozialen Aufstieg bedeutete, „Nur-Hausfrau“ und der Schuhfabrik entronnen zu sein. Trotzdem, früher war nicht alles besser, aber man versteht Regina Zimmermann, warum sie so fühlt. Komisch, fröhlich und immer eine Punktlandung sind indessen die Glossen. Keine blöden Schenkelklopfer, aber teilweise auch selbstironische Reflektionen über den Alltag. Fast jeder mag sich bei der Geschichte vom alten Mütterchen an der Supermarktkasse wiederfinden. Wer Kinder hat oder hatte, kennt auch die besserwisserischen Kindergartenkinder-Mütter, Regina Zimmermann nennt sie Sniper, Scharfschützen, die noch jede unbedarfte Mama mit kennerischem Snobismus „abschießen“, wenn die sich auch nur über den richtigen Schulranzen unterhalten wollte. Regina Zimmermann hätte es besser gewusst, denn sie kennt ihre Pappenheimer. Nach dem beachtlichen Erfolg der Lesung mit Regina Zimmermann in der Stadtbücherei kündigte Kulturdezernentin Helga Knerr eine Wiederholung, dann aber im größeren Carolinensaal, an.

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