Pirmasens Nur Blockflöte blasen können sie nicht

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Sehen wir den brutalen Tatsachen ins Auge: Blockflötenspiel ist nicht wirklich die Stärke von Aurora de Meehl und Herrn Schmidt. Aber als Sandra Claus samt dem Rentier, das nie lacht, sind sie unschlagbar, wie sich nach einem adventlich gestimmten Besuch am Freitag im gut besetzen kleinen Kulturcafé Pünktchen und Anton bestätigen lässt.

Das Travestie-Duo aus Darmstadt war ja erst unlängst, also im Januar, im Pünktchen und Anton zu Gast und hatte dort auf Anhieb dermaßen abgeräumt, dass ein Folge-Engagement nicht nur naheliegend, sondern geradezu unausweichlich war. Aurora de Meehl als langbeiniger Stratosphärenballon auf High Heels und im Nikolauskostüm und ihr Mann, Herr Schmidt, dieses Mal als Plüsch-Rentier mit verdächtig roter Nase ins Geschirr genommen, sind schon rein optisch das krasse Gegenteil von allem, was man mit zurückhaltendem Geschmack verbinden mag. Und das ist gut so, möchte man mit Klaus Wowereit sagen, denn wann wären Weihnachten und Adventszeit zum letzten Mal mit gepflegtem Stil in Verbindung zu bringen gewesen? Das Schönste aber an den Programmen von Auro de Meehl und Herrn Schmidt ist indessen, dass sie sich einer Nacherzählung gänzlich entziehen. Man muss „Maria durch den Aldi ging“ leibhaftig erlebt haben, um sich vorstellen zu können, dass die Mama des Jesuskinds vielleicht doch den Dornwald vorgezogen hätte. Vor allem wegen der Blockflöten. Adventlicher Völlerei geschuldetes Übergewicht, das zu Mehrfach-Taille und der Andrea-Berg-Adaption „Ich hab mich tausendmal gewogen…“ führt, wären sogar saison-unabhängig aufführbar, wirklich beschreiben kann man’s nicht. Nicht mal der herrliche Weihnachtsdreiteiler „Drei Schüsse auf Aschenbrödel“, von dem wir als Erkenntnis mitnehmen, dass Aschenbrödel alles andere als ein geknechtetes Mädchen war, sondern ein rechtes Rabenaas, gemein, bösartig, undankbar und mit Schuhgröße 46 1/2 auch noch ein podologischer Problemfall, hat Potenzial zum nacherzählt werden. Mann muss das „live“ gehört haben. Wenn Aurörchen im zweiten Programmteil Kostüm und Identität von „Sandra Claus“ für einen Auftritt ganz in Weiß als hypertrophes Schneeflöckchen mit glockenhellem Bariton auswechselt, dann verblassen Christbaum und Kronleuchter im Pünktchen und Anton hinter dieser überirdischen strahlenden Grandezza. Aber, zugeben, tolle Beine hat Aurörchen in jeder ihrer Inkarnationen. Nebenbei bemerkt sind Herr Schmidt und Aurora de Meehl natürlich zwei ganz und gar ausgebuffte Bühnenprofis, denen nichts, aber auch gar nichts so wichtig ist wie der Effekt. Damit gehen sie virtuos um und brauchen nicht einen Wimpernschlag, um das Publikum zu Komplizen zu machen. Und darum geht es ja. Wollte man also das „Sandra-Claus“-Programm in einem Wort zusammenfassen, dann drängt sich das Wort „köstlich“ geradezu auf. Und, um die Vorstellungskraft weiter zu unterstützen, erinnere man sich daran, wie Alfred Biolek in seinen Kochsendungen das Wort „köstlich“ geflötet hatte. Genauso war’s am Freitag im Pünktchen. Punkt.

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