Pirmasens „Nicht alle Bedeutenden sind tot“

Komponiert und dirigiert: der Österreicher HK Gruber bei einer Orchesterprobe.
Komponiert und dirigiert: der Österreicher HK Gruber bei einer Orchesterprobe.

Nach Aribert Reimann und Jörg Widmann widmet die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen ihr Komponistenporträt in diesem Jahr HK Gruber. Der 75-jährige Wiener zählt zu den originellsten zeitgenössischen Tonschöpfern und ist zudem als Dirigent und Chansonnier tätig. Einem seiner Werke widmet sich auch das Konzert der Staatsphilharmonie am morgigen Sonntag in der Pirmasenser Festhalle, dirigiert von Albrecht Mayer, der zudem als Solo-Oboist zu hören ist. Mayer kombiniert in diesem Konzert Grubers „Charivari“ mit Beethovens „Schicksalssinfonie“ und dem Oboenkonzert von Haydn. Mit HK Gruber sprach Gabor Halasz.

Maestro, als Sie zu komponieren begannen, soll Ihnen Ihr etwas älterer Kollege und Freund Kurt Schwertsik einen Rat mitgegeben haben, der für Sie von größter Wichtigkeit gewesen sein mochte: „Schreibe die Musik, die Du hören möchtest.“ Wie würden Sie diese Musik beschreiben?

Musik, die ich hören möchte: Dabei geht es nicht darum, dass ich mich umhöre, was das Publikum, die Kritik oder die Fachwelt will. Wichtig ist mir vielmehr, in die Musik hineinzuhören und sie, wie einst Schönberg und Hanns Eisler forderten, „auszuhören“, das heißt, mit meinem Gehör kontrollieren zu können. Wie lässt sich solche Musik einordnen, in die Sie gern „hineinhören“ und die Sie schreiben? Ist sie kompromisslos modern, oder sucht sie eher die Kontinuität der Tradition? Ob ich modern bin, hängt nicht von der Technik ab, die ich anwende. Entscheidend kommt es auf die musikalische Intelligenz an, die in die Komposition hineinfließt. Bedeutet das zugleich, dass Sie auch Tonalität nicht ausschließen? Tonalität ist für mich kein Tabu. In den 1960er-Jahren war ich Kontrabassist des Wiener Avantgarde-Kammerorchesters „Die Reihe“ gewesen. Dort spielte ich die damals neuesten Kompositionen: von Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen, John Cage und anderen prominenten Vertretern der radikalen Moderne. Stilistische Dogmen akzeptiere ich aber nicht und bediene mich daher beim Komponieren auch tonaler Strukturen. Ebenfalls kein Problem ist für mich, Gattungsgrenzen zu überschreiten. Gegenüber den verschiedenen Musikrichtungen bin ich geradezu militant offen. Worin sehen Sie den Sinn von Atelier-Programmen wie dem Komponistenporträt der Staatsphilharmonie? Solche Initiativen sind gesellschaftlich höchst bedeutend. Gerade vor Kurzem wirkte ich in Stockholm beim Composers Festival mit: Es fand bei äußerst regem Interesse statt. Die Initiative von Intendant Michael Kaufmann hier bei der Staatsphilharmonie ist extrem wichtig, weil sie dem Publikum bewusst macht, dass es auch heute noch lebende Komponisten gibt, dass nicht alle bedeutenden Komponisten schon längst tot sind. Wie kann nach Ihrer Meinung Interesse geweckt werden für die Musik lebender Tonschöpfer? Notwendig und eine Pflicht für Theater und Konzertgesellschaften sind edukative Projekte, die die Fantasie aktivieren, Initiativen anregen und als Gegenmodell zur Repräsentationskultur wirken mögen. Jeder Veranstalter, der sich vor der Moderne verschließt und nur dem landläufigen Geschmack folgt, ist mitverantwortlich am Besucherschwund und der Überalterung des Publikums, über die gegenwärtig so oft geklagt wird. Welches Programmmodell kann dieser Tendenz entgegenwirken? Verlangt sind auf jeden Fall die schon von Hanns Eisler reklamierten Vielfalt und Reichtum, ohne stilistische Festlegungen. Gepflegt gehört das „Hässliche“, Aufstörende genauso wie das traditionelle Schöne. Helmut Lachenmanns Musik gebührt ebenso ein Platz im Repertoire wie jener Gottfried von Einems, um die stilistischen Eckpunkte zu bestimmen. Auf jeden Fall wird kaum etwas erreicht mit einem Abonnenten-Bedienungsbetrieb, wie er etwa dem Intendanten der Wiener Festwochen, Tomas Zierhofer-Kin, vorschwebt, für den Oper und Sinfoniekonzert aussterbende Gattungen sind, die er im Programm stark zurückdrängen will. Kommt dieser Abonnenten-Bedienungsbetrieb letztlich nicht heute verbreiteten Erwartungen entgegen? Zugegeben, es besteht eine gewisse Tendenz in diese Richtung. Klassische Musik verlangt vom Zuhörer Konzentration und dass er ihrem Ablauf gezielt folgt. Heutzutage will man dagegen vor allem zerstreut werden. Deshalb wird von (Musik-) Theaterintendanten und Konzertveranstaltern unter anderem auch Missionsbedürfnis gefordert. Bei Michael Kaufmann beispielsweise ist das in hohem Maß ausgeprägt: Er ist geradezu pathologisch daran interessiert, im Missionarsmodus zu wirken. Freilich können solche Leute mitunter auch ungemütlich werden. Komponisten sind ebenfalls ungemütlich. Zeitigt dieser „Missionarsmodus“ denn positive Ergebnisse? Einiges lässt sich dabei schon erreichen. Ich zum Beispiel war von 2007 bis 2014 in Manchester Composer-Conductor (Komponist und Dirigent) des BBC Philharmonic Orchestra. Dort haben wir zu Mahlers 100. Todestag ein Musikfest mit seinen sämtlichen Sinfonien veranstaltet und jeder von ihnen eine neue Komposition in Uraufführung gegenübergestellt. Konzerttermine —Sonntag, 18. Februar, 18 Uhr: Pirmasenser Festhalle. Staatsphilharmonie. Dirigent und Solist: Albrecht Mayer (Oboe). Werke von Gruber, Haydn und Beethoven. —Mittwoch und Donnerstag, 14. und 15. März, 20 Uhr: BASF Feierabendhaus in Ludwigshafen, Staatsphilharmonie. Dirigentin Elim Chan, Solist Alexej Gerassimez (Schlagzeug). Werke von Brahms und Gruber. —Samstag, 24. März, 19.30 Uhr: Mannheimer Rosengarten. Staatsphilharmonie. Dirigent Elias Grandy, Solist Jeroen Berwaerts (Trompete). Werke von Beethoven und Gruber.

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