Pirmasens Messe schluckt Millionen

Ungeplante Einnahmequelle: Corona-Testcenter, Infektambulanz und Impfzentrum bringen der Messe GmbH 270.000 Euro im Jahr ein.
Ungeplante Einnahmequelle: Corona-Testcenter, Infektambulanz und Impfzentrum bringen der Messe GmbH 270.000 Euro im Jahr ein.

Steht die Messe auf der Tagesordnung, wird es schnell grundsätzlich − so auch am Montag wieder im Hauptausschuss. Plötzlich geht es um Ikea, Decathlon und den AfD-Bundesparteitag. Hintergrund ist, dass das Messegelände in diesem Jahr voraussichtlich ein Minus von 2,9 Millionen Euro verursacht.

Während einige Teilnehmer der virtuellen Hauptausschuss-Sitzung einen rauen Ton anschlugen, nahm Berthold Stegner (CDU) die Diskussion mit Humor: „Jedes Mal, wenn die Messe aufs Tapet kommt, fühle ich mich alt“, sagte er: Das Thema begleite ihn, seit er dem Stadtrat angehört. Er erinnerte daran, dass von Abriss über Verkauf und Outletbetrieb schon alle möglichen Optionen diskutiert wurden. „Ich hätte da auch gern was anderes“, gab er zu. „Aber wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben.“

Und was hat die Stadt? Einen Gebäudekomplex mit 32.000 Quadratmetern Fläche in ihrem Besitz, in den sie Millionen investiert, um ihn nutzbar zu halten beziehungsweise zu machen. Der Jahresabschluss der Messe Pirmasens GmbH stellt für 2019 einen Fehlbetrag von über einer Million Euro fest, während es in der Vergangenheit deutlich weniger war. In diesem Jahr wird ein Minus von 2,9 Millionen Euro erwartet. Hintergrund sind Baumaßnahmen, Instandhaltungen und Investitionen in den Brandschutz, weshalb auch weniger Hallen als geplant vermietet werden konnten. Die Existenz der Messe GmbH ist nur gesichert, weil die Stadt bis dato die Verluste trug. Als Glücksfall erweisen sich Corona-Impfzentrum, Infektambulanz und Testcenter auf dem Messegelände, denn die bringen Einnahmen von jährlich 270.000 Euro.

Eschrich: „Ein Millionengrab“

Der Beigeordnete und zuständige Dezernent Denis Clauer nannte die Investitionen „alternativlos“. In dem Komplex sind mehrere öffentliche Einrichtungen untergebracht − etwa Jugendverkehrsschule, Schulverwaltungsamt und Schulbuchausleihe −, weitere wie das Stadtarchiv sollen folgen. Es sei „völlig richtig“, den Komplex mit Leben zu füllen, sagte er. Wären besagte Einrichtungen woanders in der Stadt, so müsse man dort Miete zahlen oder sich an Kosten beteiligen. Oder gar neu bauen. Zudem seien Zuschüsse zu erwarten, etwa zur Sanierung der Wasgauhalle, die als Sportstätte genutzt wird.

Frank Eschrich (Linke) sieht in dem Messekomplex „ein Millionengrab, ständig kommt was Neues dazu“ und nannte es ironisch einen „geschickten Schachzug“ der Verwaltung, dort Ämter unterzubringen, „denn aus der Verquickung kommen wir jetzt nicht mehr raus“. Stefanie Eyrisch (CDU) warf Eschrich vor, er präsentiere „Verschwörungstheorien“, aber keine kreativen Vorschläge. Die reichte daraufhin Ferdinand L. Weber (AfD) nach: „Wir reißen das ganze Ding ab und bieten es Decathlon an oder Ikea oder was weiß ich.“ Die AfD habe Räume für ihren Bundesparteitag mieten wollen, was letztlich scheiterte. Um die Messe als Tagungsort zu vermarkten, „muss man es potenziellen Mietern einfacher machen“, sagte Weber und ließ anklingen, man habe nicht an die AfD vermieten wollen. Das ließ wiederum Messe-Geschäftsführer Guido Frey nicht auf sich sitzen: Wegen statischer Probleme sei die Wasgauhalle derzeit nicht nutzbar, man habe der AfD stattdessen die Halle 6a vorne angeboten, „aber das ist gescheitert an Ihren Wünschen für die Bestuhlung“, sagte er in Webers Richtung.

Nicht mehr von den großen Messen träumen

Denis Clauer ergänzte, ein Verkauf des Messekomplexes sei längst vom Tisch, „die Diskussion hätten wir vor 15 Jahren führen können, jetzt nicht mehr“. Gerhard Hussong (SPD) betonte, in Zeiten von Corona dürfe man nicht mehr „von den großen Messen träumen, wie es sie früher gab“. Auch er sehe „keine Alternative“ zu den anstehenden Investitionen. Diesen stimmte letztlich die Mehrheit der Hauptausschussmitglieder zu. In zwei Wochen tagt der Stadtrat zu dem Thema.

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