Pirmasens „Jeder Abend ist etwas Einzigartiges“

Die beiden Weltklasse-Gitarristen Sigi Schwab und Peter Horten kommen am Donnerstag, 13. November, mit ihrer Band „Guitarrissimo XL“ nach Pirmasens in die Festhalle. An ihrer Seite haben sie den Pirmasenser Schlagzeuger Andreas Keller, der schon in seinen Kindertagen für Aufsehen in der hiesigen Szene sorgte, als er bereits zu dieser Zeit mit Stars wie dem Schweizer Charly Antolini (fast) auf Augenhöhe musizieren konnte. Heute lebt Keller als vielbeschäftigter Musiker in der Nähe von München. Unser Mitarbeiter Fred G. Schütz unterhielt sich mit Keller über sein Selbstverständnis als Musiker, das Heilige in der Musik und Einflüsse durch seinen Vater, den Rodalber Kunstmaler Klaus Heinrich Keller.

Als Berufsmusiker müssen Sie stilistisch sehr breit aufgestellt sein. Bleibt Ihnen da eine Musik, die noch ganz persönlich ist?

Da gibt es verschiedene Ebenen. Da gibt es die Nostalgie-Ebene, wo ich Sachen höre wie „Led Zeppelin“, „Jethro Tull“ oder „Genesis“ – da fühle ich mich wie zuhause. Das andere ist seltsamerweise ganz oft Musik, die kein Schlagzeug beinhaltet. Wenn Schlagzeug dabei ist, ist man ganz schnell im Analytischen – und das ist nicht gut. Ich höre ganz viel Klaviermusik, sehr viel Klassik. Je älter ich werde, ich bin jetzt 48, um so unwichtiger wird für mich, ob jemand technisch gut spielt. Die Emotion ist für mich inzwischen die Maßgabe. Für mich ist es ganz wichtig, dass sich etwas bewegt. Ich habe schon Jobs in einer Country-Band angenommen, um zu lernen, wie man das gut spielt. Sie programmieren ja auch sehr viele Schlagzeugspuren. Wird das heute noch nachgefragt, oder machen das die Maschinen schon alleine? Die Maschinen können erstmal alles machen. Es kommt aber drauf an, was man sucht. Wenn du Dinge suchst, die im Moment passieren, kann das ein Programmer nicht machen – er ist ja nur mit sich alleine und kann nur abrufen, was die Maschine hergibt. Es ist nie etwas eigenes kreatives. Jim Keltner hat erzählt, dass er „Knocking On Heaven’s Door“ im Studio live gespielt hat. Er hatte das Lied vorher nicht gehört und es war auch ein „first take“, der zu den Bildern auf der Leinwand von „Pat Garrett jagt Billy the Kid“ aufgenommen wurde. Er hat mir erzählt, er habe beim Schlagzeugspielen geweint – und das hört man. Ein richtig guter Musiker ist dann auch noch schnell. Ich habe letztes Jahr im Tonstudio Bauer in Ludwigsburg eine Produktion für einen jungen deutschen Sänger namens Timo Hauer gemacht. Wenn man weiß, wie lange das Drum-Programming für eine ganze LP dauert, da sitzen Jungs wochenlang dran – ich habe die kompletten 14 Stücke von 10 bis 17 Uhr eingespielt. Es geht also richtig schnell und es klingt noch nach einem richtigen Menschen. Sind Sie in der komfortablen Situation, dass Sie sich Ihre Jobs raussuchen können? Das kommt auf die Dosierung an. Wenn ich zweimal im Jahr mit einer richtig tollen Band in München eine Gala spiele, dann macht das sogar Spaß. Ich bin aber momentan in der Situation – ich klopfe auf Holz –, dass ich das nicht brauche. Mir war es immer wichtig, Sachen auszuprobieren, ich habe auch schon auf dem Oktoberfest gespielt, einfach, um zu erfahren, wie sich das anfühlt, um dann zu merken: Nein, das brauche ich nie mehr wieder, das ist schrecklich. Für mich muss die Musik noch so etwas Heiliges behalten, sonst wird sie zerstört, und das lasse ich nicht zu. Ich habe Sie als sehr sinnlichen Menschen kennengelernt, der zwar über eine großartige Technik verfügt, dann aber doch eher aus dem Bauch heraus spielt. Stimmt das? Das ist absolut richtig. Für mich hat die Technik, die bei mir ziemlich gut ist, letztendlich nur den Zweck, diese Sprache besser zu beherrschen, weil ich mich mit Musik viel besser ausdrücken kann, als mit Worten. Die Bühne ist der Ort, wo ich mich am allerwohlsten fühle. Das ist wichtig, nicht um irgendwelche zirzensischen Dinge zu zeigen, oder zu zeigen, wie viele Töne man auf einmal produzieren kann. Das haben die Leute im Mittelalter schon auf dem Marktplatz gemacht. Ich brauche die Technik, um das umsetzen zu können, was bei mir im Kopf ist. Da bin ich natürlich durch meinen Papa geprägt. Ich spiele quasi Bilder. Sie mögen das Geben und Nehmen zwischen guten Musikern auf der Bühne? Da habe ich wirklich Glück. Ich habe eine Band mit dem Gitarristen Paul Vincent, der auf den Freddy-Mercury-Solo-Platten gespielt hat und bei Udo Lindenberg. Mit ihm habe ich so eine Art telepathische Verbindung. Das ist ein Glücksfall, und es ist auch nicht mit jedem Musiker abrufbar. Sehen Sie sich primär als Schlagzeuger oder als Musiker, der sich eben über das Schlagzeug ausdrückt, zumal das Schlagzeug ja eine physische Komponente hat, die es bei anderen Instrumenten so nicht gibt? Ja, die physische Komponente ist es, die einen als Teenager begeistert. Ich habe Keith Moon gesehen, wie er sein Schlagzeug zerstört hat. Das hat mir gefallen. Als Briefmarken-sammelnder Bub, in meinem Zimmer sitzend, habe ich gesagt, „wow, der traut sich was, das ist geil“. Irgendwann kommt dann eine gewisse Ernsthaftigkeit dazu – da muss es ja noch mehr geben. Ich sehe mich schon als Musiker, der Schlagzeug spielt. Aber es gibt gewisse Bands, etwa eine „AC/DC“-Coverband, da würde ich nie mehr spielen als der Schlagzeuger von „AC/DC“ Phil Rudd, den ich fantastisch finde – da wäre ich nur Schlagzeuger. Bei Bands, wo ich selber mitgestalten kann, versuche ich natürlich mehr zu sein. Ich habe mich über einen Produzenten gefreut, der über mich gesagt hat, als ich nicht dabei war: „Der Andreas macht eigentlich keine Schlagzeug-Takes, der macht richtige Schlagzeug-Arrangements.“ Und das ist das, was ich will – dass es klingt, wie eine kleine Komposition in der Komposition. Ich höre zum Beispiel immer auf die Texte und ich würde dem Sänger nie in einen Satz reinspielen. Wenn ich dann mit jemandem wie Peter Horton musizieren darf, der tolle Texte hat… Warum sollte man das Konzert von „Guitarrissimo XL“ besuchen? Der erste Grund ist, dass die Leute etwas hören, das absolut live gespielt ist – keine Maschinen, nichts kommt vom Computer, jede Note, auch die Verspieler, die man hört, sind wirklich live. Jeder Abend ist etwas Einzigartiges und nichts aus der Retorte, was beim nächsten Konzert in Hamburg genauso wieder stattfindet. Das ist das Tolle.

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