Pirmasens „Hiskia“ vereint Pop und Barockmusik

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Für das Rock-/Pop-/Gospel-Oratorium „Hiskia“ von Christoph Schönherr am Samstag, 14. Mai, um 20 Uhr in der Johanneskirche Pirmasens setzen die Bezirkskantoreien Pirmasens und Bad Bergzabern ihre Zusammenarbeit fort. Das Werk wird auch am Sonntag, 15. Mai, 18 Uhr, in der Marktkirche Bad Bergzabern und am Montag, 16. Mai, 18 Uhr, in der St. Georgskirche Kandel aufgeführt. Unser Mitarbeiter Fred G. Schütz unterhielt sich mit dem Pirmasenser Bezirkskantor Maurice Croissant über popularmusikalische Werke im kirchlichen Raum.

Sie sind der Popularmusik-Beauftragte der Evangelischen Kirche der Pfalz. Was hat es damit auf sich?

Das wurde lange als reines Jugend-Ding begriffen. Das ist es auch noch, aber wenn man beispielsweise an Gospelchöre denkt, dann sieht man, dass da eher das mittlere Alter angesprochen ist. Die Generation, die mit der Beatmusik aufgewachsen ist, ist jetzt in diesem Alter. Wenn man auf ein Konzert der Rolling Stones geht, da sind dann die ganz Alten und ganz Jungen dabei. Das Werk wurde aber nicht ausgewählt, weil ich diese Funktion habe. Ich sehe mich halt immer um. Wir haben viel Barock gemacht, Romantik mit Brahms, ganz alte Musik von Dieterich Buxtehude. Jetzt ist mal wieder ein modernes Stück dran. Dann nehme ich immer gerne den Jugendchor dazu. Einen Jugendchor in ein Bach-Oratorium einzubinden, das geht bei erfahrenen Sängern. Aber mit Bach Jugend-Chorarbeit aufzubauen, ist technisch sehr anspruchsvoll. Da passt dann so ein Cross-Over-Werk wie dieses viel besser. Auch bei der Missa in Jazz von Peter Schindler hatte ich den Jugendchor dazu genommen. In den 70er-Jahren waren Bibel-Rockbands, die in der Kirche gespielt haben, sehr populär. Das hatte aber immer etwas Anbiederndes. Hat sich das geändert? Wie das damals war, darüber kann man geteilter Meinung sein. Klar ist, die Popularmusik war bei den klassischen Kirchenmusikern jahrelang verpönt, ist es vielleicht teilweise immer noch, aber das hat sich insgesamt stark gewandelt. Schon ich habe im Studium im Nebenfach Jazz-Klavier gemacht, jetzt müssen das alle machen, auch in der klassischen Ausbildung. In Herford läuft jetzt zum Beispiel ganz neu und erstmals ein hauptamtlicher Bachelor-Studiengang Kirchenmusik/Popularmusik. Das ist ein Riesenschritt. Es wird hoffentlich dazu kommen, dass die Popularmusik und die klassische Musik in der Kirche nebeneinander existieren, weil beide den Anspruch haben, auf hohem Niveau Musik zu machen. Was lässt sich über das Werk speziell sagen? Er ist von der Form her ein klassisches barockes Oratorium, mit Rezitativen, den Volkschören und den verschiedenen Arien-Rollen. Aber dies mit den musikalischen Mitteln der Popularmusik. Da kommen Swing-Elemente vor, da ist Funk drin, da ist Rock drin, Jazz und Gospel, also ganz vielfältig. Es ist gut gemacht und schön instrumentiert mit fünf Bläsern, Streich-Ensemble und Band mit Schlagzeug, Bass und Piano und einem Perkussionisten. Das Stück ist erst 2013 in Hamburg uraufgeführt worden und dürfte also für das Publikum in unserer Region neu sein. Es ist ja ohnehin nur ein kleiner Schritt von Bach zum Jazz, oder? Die Parallele zur Barockmusik ist, dass die Barock-Musiker die Generalbass-Ziffern hatten – genauso wie heute, wo wir die Akkordsymbole haben –, und wir heute eben darüber improvisieren. Ich habe das mal so versucht zu erklären: In der Popularmusik ist das Drum-Set die rhythmische Stütze, in der Barockmusik übernimmt das Cembalo in gewisser Weise diese Funktion. Deshalb eignet sich Barockmusik so gut für das Cross-Over, weil die Herangehensweise ähnlich ist. Welche Ihrer Chöre werden bei diesen Aufführungen dabei sein? Das ist ein Gemeinschaftsprojekt mit meinem Nachfolger Johann Ardin Lilienthal in Bad Bergzabern. Ich bin seit letzten Oktober nicht mehr für das Dekanat Bergzabern zuständig, einerseits, um mich ein bisschen zu entlasten und anderseits, um die Funktion als Popularmusik-Beauftragter zu stärken. Weil es sich anbot, haben wir beschlossen, die Zusammenarbeit dieser beiden Kantoreien, die ja durch meine Arbeit schon seit 15 Jahren existiert, für dieses Projekt weiterzuführen. In meinem Fall kommt noch mein Jugendchor Unisono und bei meinem Kollegen der Projektchor des Dekanats Germersheim hinzu. Das ist auch gut so, denn das Oratorium lebt von einer gewissen Kraft, es ist sehr ausdrucksstark. Die Geschichte des Oratoriums ist, um es salopp zu sagen, ziemlich harter Stoff? Ja, das ist harter Stoff, da werden 185.000 Assyrer von Gott getötet, weil sie Jerusalem angreifen wollten. Erst will der Assyrer-König 300 Zentner Silber, um die Israeliten zu verschonen, dann hält er sich aber nicht dran und versucht, das Volk Israel auf seine Seite zu ziehen. Dann betet aber Hiskia zu Gott, und die Assyrer kommen um. Hiskia ist hernach aber schwer krank und bittet Gott darum, ihn noch leben zu lassen, und Gott gewährt ihm weitere 15 Jahre, lässt die Schatten am Tempel rückwärts laufen, er dreht also die Zeit zurück. Dieses Wunder zum Schluss wird zum Beispiel von einem achtstimmigen Chor, mit sehr anspruchsvollen Harmonien erzählt. Die Musik folgt dem dramaturgischen Geschehen sehr plastisch. Wo liegen die Unterschiede bei der Arbeit mit ganz jungen Sängern und älteren Chor-Mitgliedern? Ganz plakativ kann man sagen: Das rhythmische Element fällt der Jugend leichter, während das vokal-harmonische der Bezirkskantorei leichter von der Hand geht. Aber das befruchtet sich gegenseitig. Wie viele Musiker sind bei den Aufführungen engagiert? Über den Daumen etwa hundert, vier Chöre, Band und Orchester dazu, also zusammen vielleicht 120 Beteiligte. Das ist logistisch auch nicht ganz einfach, aber es klappt schon. Dieses Mal haben wir auch Tontechnik dabei. Aber ich bin ganz zufrieden, das Equipment der Johanneskirche ist ein sehr brauchbares. Nennen Sie bitte drei Gründe, warum man das Konzert besuchen sollte? Eine packende Story, mitreißende Musik von Gospel über Swing bis Funk, also mal eine andere Art des oratorischen Klangerlebnisses. Und der dritte Grund ist: Ich freue mich immer, wenn meine Jugendchöre mit den älteren Sängern etwas zusammen machen. Es ist immer schön, wenn es mir gelingt, beide Gruppen für dasselbe zu begeistern.

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