Pirmasens Emotion und Klangfülle

Schneeschauer, Kälte und Wind, wenn der Winter sich von seiner ungemütlichsten Seite zeigt, braucht der Mensch ein wenig Trost und Zuspruch. Dass der nicht nur mit Worten, sondern auch musikalisch erfolgen kann, erlebten am Sonntag rund 100 Besucher im Kuppelsaal der Alten Post in Pirmasens.

Dorthin hatte man den Speyerer Pianisten Stephan Rahn eingeladen, der aus seinem Repertoire Stücke aus der Zeit zwischen Klassik und Romantik ausgesucht hatte. Den Auftakt machte Wolfgang Amadeus Mozarts „Sonate in D-Dur“, KV 576. 1789, als in Paris die bürgerliche Revolution begann, schrieb Mozart seine letzte Klaviersonate. Sie beweist in ihrer Kontrapunktik Mozarts Auseinandersetzung mit Bach, und sie enthält eines der emotionalsten Adagios, die er je schrieb. Eine gestalterische Herausforderung für Stephan Rahn, die er jedoch mit Leichtigkeit meisterte. Virtuosität und Einfühlungsvermögen in die Ideen des Komponisten prägten das Spiel der dreisätzigen Sonate. Ein vielversprechender Auftakt, dessen positiver Eindruck sich im Lauf des Abends weiter bestätigen sollte. Es folgten Robert Schumanns romantische „Waldszenen“ op. 82, kurze Charakterstücke, die der Pianist in einer lyrisch anmutenden Interpretation präsentierte. Heute verwundert es, dass diese Waldszenen zur Entstehungszeit von der Fachwelt nicht allzu sehr geschätzt wurden. Denn es handelt sich um höchst interessante Charakterstücke, die eine komplexe musikalische Erzählung bilden. Rahn gelang es, die abwechslungsreichen Stimmungen eindrucksvoll zu vermitteln. Schon das erste Stück „Eintritt“ bestach durch feine Klangfarben. Man glaubte fast, in der „freundlichen Landschaft“ zu stehen oder den „Vogel als Prophet“ zu vernehmen. Ein nuancenreiches Spiel, das als Beispiel Kompositionsprinzip der Romantik perfekt gewählt war. Nach der Pause setzte der Pianist den Vortrag mit Felix Mendelssohn-Bartholdys „Liedern ohne Worte“ op. 19 fort. Ähnlich wie schon bei Schumann handelte es sich hier um ausdrucksstarke Charakterstücke voller Abwechslung. Problemlos traf Rahn die Stimmung der einzelnen Kompositionselemente, wechselte von verträumt zu temperamentvoll und traf dabei perfekt das rhythmische Gleichmaß, das die Zeit der Romantik so typisch prägte. Am Ende glaubte man sogar das sanfte Schaukeln der Boote beim „venezianischen Gondellied“ zu spüren. Einen furiosen Abschluss erlebten die Zuhörer in der Alten Post mit Franz Schuberts „Wanderer-Fantasie“ C-Dur op. 15 D 760. Ein Werk, das bereits auf die späteren Ideen Franz Liszts verweist und bis heute zum Repertoire großer Pianisten gehört. Auch, weil es hohe Anforderungen an das virtuose Können des Pianisten erfordert. Die Interpretation bedarf Kraft, Sinn für Melodik und für die Kontraste, die das Stück beherrschen. Stephan Rahn konnte all das bieten. Ohne jede Effekthascherei, dennoch kraft- und temperamentvoll stürmte er durch den bewegten Kopfsatz – eine wirklich fulminante Interpretation. Eindrucksvoll vermittelte er die schwermütige Stimmung des Adagio-Themas im dritten Satz, passend zur Stelle im Lied „Der Wanderer“: „Ich bin ein Fremdling überall.“ Rahn gab der Komposition nicht nur Ausdruck und Klangfülle, sondern auch einen eigenen, durch seine Künstlerpersönlichkeit gefärbten Charakter. So erlebte das Pirmasenser Publikum ein durchaus vertrautes Stück mit neuen, überraschenden Nuancen. Nicht enden wollender Applaus, der mit einer Zugabe romantischer Musik belohnt wurde.

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