Pirmasens „Dubbeglas und spitze Zunge“

Promovierter Linguist und Komiker mit kurpfälzischem Sprachtalent: In seinem sechsten Bühnenprogramm „Der Palatinator“ will Christian „Chako“ Habekost diese beiden Seelen in seiner Brust wieder zusammen bringen – auch am heutigen Samstag, 20 Uhr, in der Halle der Rodalber Mozartschule. Mitarbeiter Gereon Hoffmann hat vorab mit dem 52-Jährigen gesprochen.

Wann sind Sie das letzte Mal mit „Herr Doktor“ angesprochen worden?

Ach, jetzt kommen meine akademischen Vorstrafen raus. Ich habe halt meine Doktorarbeit geschrieben. Damals hatte ich als Sprachwissenschaftler ein Stipendium. Heute taugt der „Doktor“ nur noch zu einer Pointe: „Isch hab net abgschriwwe ...“ Nach der Promotion war keine Stelle frei, und so habe ich etwas anderes gemacht – sonst wäre ich im akademischen Elfenbeinturm geendet. Haben Sie schon während des Studiums Gedichte und Prosatexte geschrieben? Ja, ich habe auch schon Kabarett gemacht. Ein Kumpel konnte Politiker gut nachmachen, und ich habe den Interviewer gemacht. „Die Vordenker“ hießen wir. Und in der Schule war ich Klassenkasper, zu Hause auch, und heute denke ich, ich hätte gar nichts anderes werden können. Sie haben sich wissenschaftlich mit Sprache befasst. Spielt das für Sie als Dialekt-Künstler noch eine Rolle? Ja, hoffentlich. Ich hoffe, dass ich mit Sprache bewusster umgehe. Dann habe ich auch immer etwas im Programm, das Sprache betrachtet und über Sprache nachdenkt. Da spielt mein Hintergrund als Sprachwissenschaftler sicher mit. Sie haben eine Sprachkunst erforscht, die auf Jamaika entstanden ist, die Dub-Poetry. Was hilft Ihnen das? Ich habe damals entdeckt, wie man mit Sprache, ihrem Rhythmus und Klang spielen kann. Man kann Musik machen, ohne Instrument. Genau das habe ich aufs Pfälzische übertragen. Und das hat in unserer Mundart genauso gut funktioniert. Hat Ihre Familie zu Hause Pfälzisch gesprochen? Zu Hause wurde ich angehalten, Hochdeutsch zu sprechen. Mein Vater ist Niedersachse, meine Mutter stammt aus Berlin. Mein Vater bekam dann ein Engagement als Balletttänzer am Nationaltheater in Mannheim, wo ich geboren wurde. Den Dialekt sollte ich nicht sprechen – das hat bei mir das Gegenteil ausgelöst. Ich habe das Pfälzisch auf der Straße gelernt. Warum sind die Pfalz und ihre Sprache Ihr Hauptthema geworden? Als Sie anfingen, gab es nicht viel mehr als „Palzwoi – Hals noi“? Vielleicht grad’ deswegen. Ich hatte bei meinen Forschungen in der Karibik gemerkt, dass es vieles, das ich dort entdeckt hatte, auch zu Hause in der Pfalz gibt: diese entspannte Lebenshaltung und das Gefühl, dass Arbeiten nicht der wahre Lebensinhalt ist. Es gibt eine hier flüssige Droge, die viel konsumiert wird. Es wachsen sogar Palmen. Dazu eine Sprache, mit der man unheimlich viel anfangen kann. Meer und Strand fehlen zwar, aber wir arbeiten dran. Vielen Pfälzern ist ihr Dialekt ein bisschen peinlich. Sie fürchten, hinterwäldlerisch und minderbemittelt zu wirken. Wollen Sie den Pfälzern den Stolz zurückgeben? Ich nenne das „Selbstbewusstlosigkeit“. Zum einen das Selbstbewusstsein, dass man sich nicht verstecken muss, zum anderen die „Bewusstlosigkeit“, nämlich nicht dauernd sich Gedanken zu machen, was der andere von einem halten könnte, weil man Dialekt spricht. Das ist nämlich egal. Wir sind so, wie wir sind. Und Pfälzisch ist ein Dialekt, kein Soziolekt. Was bedeutet das? Im Gegensatz zum Soziolekt hat der Dialekt nichts mit sozialer Schicht oder Bildung zu tun. Aber es gibt halt auch bekannte Leute, die zumeist das Klischee des etwas einfältigen Pfälzers bedienen. Gerade jetzt haben wir eine bekannte Frau aus Ludwigshafen, die das macht. Man könnte meinen, das ist eine Verschwörung der Medien. Kämpft der „Palatinator“ dagegen? Ja, da braucht es schon eine brachiale Figur. Der Palatinator packt die Leute am Schlawittl nach dem Motto „Her mol, Großer. Isch sag der jetz’ mol was!“ Die Figur entstand 2002, als der damalige Bahnchef Mehdorn die ganze Pfalz vom Intercity-Netz abhängen wollte. Und eigentlich zieht sich die Haltung durch meine Programme. Da steht immer mal wieder ein Pfälzer auf und sagt, was Sache ist. Ist der Palatinator also der Power-Pfälzer? Kann man so sagen. Seine Waffen sind Dubbeglas und eine spitze Zunge. Außerhalb der Pfalz hält man das Dubbeglas doch eher für eine Blumenvase, oder? Ich habe deshalb eine „Ode an das Dubbeglas“ im neuen Programm. Es geht auch um Leute, die meinen, man brauche ein Stilglas, um Stil zu haben, und die dann in der Vinothek 6,50 Euro für ein 0,1-Gläschen bezahlen. Bei solchen Leuten ist die Pfalz doch sehr angesagt? Ja, aber die bewegen sich hier immer noch so, als gingen sie in den Zoo. Die gucken auf das, was sie für exotisch halten. Respekt ist das nicht.

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