Pirmasens „Die Ferkel sind wir schon selbst“

Mit dem Wasser aus der Kanalisation kommen auch viele Arzmeimittel in der Kläranlage Blümeltal an. Zum Leidwesen von Betriebslei

Aus den Augen, aus dem Sinn: So manches verschwindet nach diesem Motto im 270 Kilometer langen Kanalnetz, das sich unsichtbar durch den Pirmasenser Untergrund windet. Doch irgendwo müssen die Dinge ja wieder auftauchen, haben wir gedacht und uns bei der Kläranlage Blümeltal auf die Suche nach kuriosen Funden begeben.

„Vor zehn, fünfzehn Jahren kam schon mal der ein oder andere Ehering hier angeschwommen. Oder Hosen“, erinnert sich Thomas Wolf, der für die Kläranlagen zuständige Sachgebietsleiter. Als die ersten Handys aufkamen, sei auch einmal einer dieser „richtig alten Knochen“ im Rechen der Anlage aufgetaucht. Doch diese Zeiten sind im Blümeltal vorbei. Nicht, weil den Pirmasensern weniger Missgeschicke passieren oder sie weniger Müll die Toilette herunter spülen, der im Abwasser nichts zu suchen hat. „Die Menschen gehen zwar sparsamer mit Wasser um, aber die Verschmutzung steigt“, weiß Wolf. Die Zeiten der kuriosen Kläranlagenfunde sind im Blümeltal vorüber, weil die Mitarbeiter potentielle Fundstücke seit der Sanierung der Anlage nicht mehr zu sehen bekommen, erklärt er. Wenn der Ehering also erst die Toilette runter ist, hilft auch ein Anruf im Klärwerk nichts mehr. Aus Geruchs- und Hygienegründen werden seit Anfang der 2000er Jahre alle Teile, die größer als fünf Millimeter sind und somit vom Rechen aus dem Abwasser gefischt werden, vollautomatisch mit Wasser gespült und durch eine Schnecke gepresst. Was in einem Container – genauer: in einem riesigen Plastikbeutel, der den gesamten Container füllt – wieder zum Vorschein kommt, ist eine graue, kompakt gepresste Masse. Rund 48 Tonnen solchen Rechenguts kamen so im vergangen Jahr im Blümeltal zusammen. Rechengut wird als Restmüll verbrannt. Dass Menschen nach wie vor vieles über die Toilette entsorgen, was eigentlich in den Mülleimer gehört – von Feuchttüchern über Damenbinden bis Wattestäbchen, die auch der Rechen nicht immer aus dem Abwasser fischen kann – kommentiert Wolf mit einem gelassen-resignierten „Das ist eben so, gehört zum Geschäft“. Wie schwer es ist, Routinen zu ändern, kennt der Betriebsleiter aus seiner eigenen Familie. „Zuhause bekomme ich auch nicht geregelt, dass keine Feuchttücher verwendet werden.“ Ärgerlich für die Mitarbeiter der Kläranlage: Sie müssen auch am Wochenende und an Feiertagen ausrücken, wenn mal wieder eine der 47 Hebeanlagen im Kanalnetz Alarm schlägt, weil sie von Feuchttüchern verstopft ist. Ihnen wäre zumindest etwas geholfen, wenn die Pirmasenser nicht so viele der feuchten Tücher verwenden würden. „Und wenn sie beim Kauf darauf achten, dass die Tücher zersetzbar sind“, sagt Wolf. Das deutlich größere Übel im Reigen der Gehört-nicht-ins-Abwasser-Dinge ist für Wolf etwas, das man am Ende gar nicht sehen kann: Medikamente. „Abgelaufene Medikamente können beim Abfallbetrieb entsorgt oder in Apotheken zurückgegeben werden, sie gehören aber nicht in die Toilette. Das gilt auch für flüssige Medikamente“, betont Wolf, der auch wiederholt darauf hinweist, dass das Problem nicht bei der Industrie liege: „Die Ferkel sind wir schon selbst.“ Das Problem: Seit Jahren steigt die Konzentration der Arzneimittelrückstände in Klärschlamm. Wenn dieser als Dünger auf Äckern ausgebracht wird, wie das auch mit dem Blümeltaler Klärschlamm geschieht, gelangen die Inhaltsstoffe der Medikamente in den Boden und ins Grundwasser. Auch deshalb will die Bundesregierung langfristig verbieten, Klärschlamm als Düngemittel einzusetzen. Schon heute enthält der Schlamm aber vielerorts zu viele Schadstoffe, um als Dünger eingesetzt werden zu dürfen. Dann wird er oft verbrannt. Wolf bedauert besonders, dass so der im Schlamm enthaltene Phosphor – also der Stoff, der Pflanzen zum Wachsen bringt – ungenutzt verloren geht. „Phosphor ist eine wichtige endliche Ressource, die es in Deutschland nicht gibt, die wir importieren müssen“, erklärt er. Die für 62.000 Einwohner ausgelegte Kläranlage im Blümeltal habe schon Pläne zur Phosphorrückgewinnung entwickelt. Es werde aber noch einige Zeit dauern, bis diese umgesetzt werden können. Bemerkbar macht sich in Kanalisation und Kläranlage auch, dass weniger Wasser pro Kopf verbraucht wird. „In den 1980er Jahren lag der tägliche Verbrauch pro Person bei etwa 150 Litern, heute nur noch bei 90 bis 100 Litern“, weiß Wolf. Dass immer weniger – dafür aber immer schmutzigeres – Wasser im Klärwerk ankommt, sei beim Umbau berücksichtigt worden. „So langsam gibt es aber Grenzen, die Kläranlage und die Schwemm-Kanalisation sind dafür nicht ausgelegt.“ Also doch immer mal wieder den anderen, nicht wassersparenden Taster der Toilettenspülung drücken? Wolf zieht eine Grimasse. „Es tut mir in der Seele weh. Wasser ist ein kostbares Gut, das nicht verschwendet werden sollte. Aber aus technischer Sicht: ja.“ Ist doch auch irgendwie kurios ...

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