Pirmasens Die zweite Deutsche mit dem siebten Dan

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„Judo ist nicht nur eine Sportart, sondern eine Ideologie.“ Sagt Eva Hillesheim, Trainerin beim TV Pirmasens, die der Deutsche Judo-Bund (DJB) unlängst mit dem siebten Dan auszeichnete. Nur eine Deutsche vor ihr war diese Ehre zuteilgeworden. Geboren wurde Eva Hillesheim am 29. Dezember 1951 in Beuren bei Kirchheim-Teck. Schon ein Jahr später zog sie mit ihrer Familie nach Wuppertal. Ab dem 15. Lebensjahr besuchte sie ein Internat in Königsfeld bei Villingen-Schwenningen. Dort kam sie zum ersten Mal mit Kampfsportarten in Berührung. „Ich hatte mir damals eine Vorführung vom Deutschen Roten Kreuz über Selbstverteidigung angesehen und wollte wissen, ob es da noch was anderes gibt“, erinnert sich die 64-Jährige. Die Folge: Sie durfte einmal wöchentlich im Gymnasium in Villingen-Schwenningen Judo trainieren. „Damals legte man vor dem Training 50 Pfennig hin und war dabei“, erzählt sie schmunzelnd. Nachdem sie in Baden-Württemberg ihren ersten Gürtel errungen hatte, zog sie mit ihren Eltern nach Höhfröschen, wo sie sich bis heute sehr wohl fühlt. In der Pfalz wurde aus der Sportart schnell eine Leidenschaft: „Wir trainierten dreimal die Woche mit den Männern für Wettkämpfe“, blickt die Diplom-Ingenieurin zurück. Ihr Spezialwurf wurde der Uchi-mata (Koshi). Nach nur einem Jahr intensiven Trainings nahm sie 1970 an der ersten Deutschen Meisterschaft für Frauen in Rüsselsheim teil, wo sie Silber gewann. Vier Jahre später reichte es in Hamburg für Gold. 1976, 1977 und 1978 sollten weitere drei DM-Triumphe in der 48-Kilo-Klasse folgen. Ihr größter Erfolg war aber die Goldmedaille bei den Europameisterschaften 1977 im belgischen Arlon. Insgesamt nahm sie an vier Europameisterschaften teil, schon bei der Premiere 1975 in München war sie am Start gewesen. 1976 in Wien und 1980 in Udine reichte es zu EM-Bronze. 1979 beendete sie ihre Karriere als Wettkämpferin, um nur ein Jahr später nochmals auf die große Bühne zurückzukehren. „Nachdem ich erfahren hatte, dass 1980 die erste Frauen-Weltmeisterschaft im New Yorker Madison Square Garden stattfinden würde, war ich sofort Feuer und Flamme“, erinnert sich Hillesheim. Nun trainierte sie härter denn je. Neben ihrem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens war sie an sechs Tagen in der Woche dreimal täglich auf der Matte. „Wir hatten ein tolles Team und haben uns gegenseitig immer wieder neu motiviert, um unser Ziel zu erreichen“, entsinnt sie sich an die harte Zeit. Letztlich belegte sie in den USA den siebten Platz. 2002 wurde Hillesheim im irischen Londonderry Vize-Weltmeisterin der Seniorinnen. Im Laufe der Jahre hatte sie durch Prüfungen bereits fünf Dan-Grade, das ist die fünfte Stufe des Schwarzen Gürtels, erreicht. Höhere Grade sind im Judo allein durch Prüfungen nicht möglich. 1996 erhielt sie für ihre sportlichen Erfolge als erste deutsche Judoka den sechsten Dan. 18 Jahren später folgte der siebte Dan. Hillesheim: „Ich habe mich sehr über die Verleihung gefreut und sehe sie als Anerkennung für mein Lebenswerk.“ Dabei wurden nach dem sechsten Dan alle bisherigen Erfolge und Verdienste „gelöscht“, für den nächsten Grad musste sie praktisch von vorne beginnen. Dies gelang Hillesheim durch ihre Arbeit neben der Matte. Unter anderem war sie ab 1972 als Kampfrichterin, ab 1979 als Trainerin aktiv. 1990, als Deutschland Fußball-Weltmeister wurde, bekam sie die Trainer-A-Lizenz: „Die hatte Franz Beckenbauer nicht, er war nur Teamchef“, merkt sie grinsend an. Seit 1972 darf sie auch Prüfungen durchführen, die ihre Schützlinge zum nächsten höheren Gürtel berechtigen. Weiterhin war Hillesheim unter anderem Frauenreferentin des Judo-Verbands Pfalz (JVP) und stellvertretende Frauenreferentin des DJB. Seit 2000 zählt sie zum Ehrenrat des JVP. Sehr gerne übt die Höhfröschenerin mit ihren jungen Schützlingen beim TVP, die sie gemeinsam mit Trainer Eric Köstel auf Wettkämpfe vorbereitet. „Die Kinder strahlen, wenn es ihnen gefallen hat, sagen aber auch, wenn ihnen etwas nicht gepasst hat“, berichtet Hillesheim. Beim Judo-Training vergesse sie auch die Müdigkeit nach einem harten Arbeitstag. Trainiert werden beim Judo alle Muskelgruppen. „Siegen durch nachgeben“ beziehungsweise „maximale Wirkung bei einem Minimum an Aufwand“, lauten wichtige Prinzipien. Hillesheim sieht Judo als optimale Vorbereitung auf das Erwachsenwerden: „Die Kinder lernen Höflichkeit, Disziplin, Mut, Respekt voreinander und mit Niederlagen umzugehen.“ Obwohl in Pirmasens genügend verheißungsvolle Talente da seien, wünscht sich die nach wie vor ehrgeizige Trainerin mehr Unterstützung der kleinen Judoka durch die Eltern: „Viele begleiten ihre Kinder nicht zu Wettkämpfen.“

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